Statement zum Thema "Nachhaltigkeit" in Form von 9 Thesen im Rahmen des Spitzengespräches zwischen DOSB, DBK und EKD

Nikolaus Schneider

Berlin

1.  Warum "Nachhaltigkeit" ein Thema der Kirche ist

1.1
"Nachhaltigkeit" ist Widerspruch und Widerstand gegen eine Verabsolutierung des "Heute" und damit gegen eine Banalisierung des Lebens. Wer nach Nachhaltigkeit fragt, hat erkannt: Der Mensch ist keine Eintagsfliege!
In ihrem Bemühen um Nachhaltigkeit binden sich  Menschen sowohl zurück an ihre Wurzeln in Tradition und Geschichte als auch nach vorn an ihre Verantwortung für die Zukunft der Welt und der nachfolgenden Generationen.
 
1.2
"Nachhaltigkeit" ist keine biblische Vokabel – ist als Begriff also nicht direkt der Bibel entnommen. Die mit diesem Begriff angesprochenen Gedanken, Werte und Ziele kommen allerdings in vielen biblischen Texten zur Sprache. Die Frage und die Forderung nach "Nachhaltigkeit" sind deshalb in vielen kirchlichen Bereichen ein unverzichtbarer Teil des Bemühens, Gottes Wort und Weisung auf das konkrete menschliche Entscheiden und Handeln zu beziehen.
 
1.3
In den Schöpfungserzählungen der Bibel wird den Menschen ihre "Gottebenbildlichkeit" zugesagt und damit neben ihrer "Geschöpflichkeit" auch ihre Schöpfungs-Verantwortung. Im Unterschied zu allen anderen Geschöpfen Gottes erhalten Menschen die Fähigkeit und den Auftrag, Gottes Schöpfung zu gestalten, weiterzuentwickeln und zu bewahren.
Dabei hat sich in den christlichen Kirchen seit den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts der Fokus der Schöpfungs-Verantwortung verschoben: von "Nutzung und Weiterentwicklung" hin zu "Schutz und Bewahrung".
 
1.4
Im Neuen Testament wird uns bezeugt: Gott hat in Jesus Christus sein ewiges Reich untrennbar mit unserer vergänglichen irdischen Welt verbunden. Als Nachfolger und Nachfolgerinnen Jesu Christi sind wir einerseits dazu berufen, Gottes Reich für "alles Volk" schon hier und jetzt – in aller Unvollkommenheit – erfahrbar zu machen. Zum anderen aber ist uns das Zeugnis von dem kommenden Gottesreich aufgetragen. Diese von Gott verheißene Zukunft schenkt seiner Kirche Hoffnung und Kraft, in der Gegenwart nachhaltig zu wirken.


2.  Die Entwicklung einer "Ethik des Genug" als konkretes Bemühen der Kirche um Nachhaltigkeit in unserer Zeit 

2.1
Die "Ethik des Genug" zielt auf eine Veränderung der Maßstäbe zur Bewertung von wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlichem Wohlstand. Menschen in unseren westlichen Industriestaaten leben in vielerlei Hinsicht "über ihre Verhältnisse" - und damit verantwortungslos im Blick auf Menschen in anderen Teilen der Welt und im Blick auf nachfolgende Generationen. Die "Ethik des Genug" will Menschen an ihre globale Schöpfungs-Verantwortung erinnern. Und sie will Menschen neu sensibilisieren für das Sammeln von unvergänglichen – also nachhaltigen! – "himmlischen Schätzen": für barmherziges, solidarisches und gerechtes Handeln.

2.2
Die "Ethik des Genug" will Menschen dafür gewinnen, sich von materieller  Verschwendung und von einer materiellen Orientierung auf den größtmöglichen Gegenwarts-Gewinn zu befreien. "Gut leben statt viel haben" – mit diesem Gegensatzpaar will die "Ethik des Genug" verdeutlichen: Ein materieller Verzicht kann einen Gewinn an Lebensqualität bedeuten. Indem Menschen sich auf einen nachhaltigen Lebensstil einlassen, erweitern sich ihre "Wohlstands-Werte" um spirituelle und soziale Sinn- und Glückskriterien. Der Reichtum an Beziehungen relativiert den Reichtum auf dem Bankkonto.

2.3.
Der "Ethik des Genug" geht es darum, dass alle genug zum Leben haben. Deshalb  hat sie im Besonderen das Wohl der Armen im Blick – der Armen in allen Ländern der Erde, eben auch der Armen in unserem Land. Die Reichen müssen es sich – auch in allen Ländern der Erde – beim Verbrauch der Ressourcen und bei ihrem materiellen Gewinnstreben genug sein lassen. Nur so kann die "Ethik des Genug" zu einer befreienden Vision für die Armen und für die Reichen werden.


3.  Konkrete Schritte der Kirche im Bemühen um Nachhaltigkeit

3.1
Die EKD konkretisiert ihr Bemühen um Nachhaltigkeit in Gesprächen mit Politikern und Politikerinnen, mit Parteien, mit gesellschaftlichen Akteuren und in eigenen Stellungnahmen, Vorträgen und Predigten (vgl. dazu die Aktion "Nachhaltig predigen", die dazu Anregungen und Materialien liefert).

3.2
Die EKD erhebt ihre Stimme für eine deutliche Reduktion der Emissionen und beteiligt sich an der Erarbeitung neuer Konzepte der Nachhaltigkeit für die Wirtschafts-, Verkehrs-, Landwirtschafts- und Entwicklungspolitik. Dabei tritt sie ein für gerechtere globale Handelsbedingungen, für Steuerentlastung zur Förderung von umweltverträglichen Technologien und für die Sanktionierung umweltschädlicher Verhaltensweisen.

Zum Abschluss seien einige konkrete kirchliche Aktionen und Beschlüsse stellvertretend genannt:

  • Beschluss der EKD-Synode 2008: bis 2015 Reduktion der CO2-Emissionen um 25% gemessen am Basisjahr 2005;
  • Umweltmanagement nach EMAS oder Grüner Gockel bzw. Grüner Hahn, bislang von ca. 300 Einrichtungen eingeführt;
  • Gründung des "Projektbüro Klimaschutz" in Heidelberg (FEST) im Jahr 2008 mit dem Ziel: Unterstützung der Landeskirchen bei Antragstellung zur Förderung von Klimaschutzprojekten des Bundesumweltministeriums;
  • Einführung des kirchlichen Klimakompensationsfonds "Klima-Kollekte" im Jahr 2011, dieser Fond ist mittlerweile ein ökumenisches Projekt geworden;
  • das ökumenische Ökologie-Projekt "Zukunft einkaufen" mit dem Ziel: Umstellung auf ökofairen Konsum als sichtbares Zeichen für die Bewahrung der Schöpfung;
  • Veröffentlichung von Studien, die sich u.a. mit Ernährungssicherung, der Verwendung von Biomasse für Energiegewinnung und der anstehenden Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) auseinandersetzen;
  • die Entwicklung des "Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche" mit dem Ziel: Geldanlagen sollen sozialverträglich, ökologisch und generationengerecht erfolgen.