Eröffnung des Internationalen Kongress zum Reformationsjubiläum 2017

Nikolaus Schneider

"500 Jahre Reformation – Herausforderung und Bedeutung heute"
vom 6.-10.10.2013 in Zürich

1. Dank und Ankommen

Lieber Bruder Locher, es erfreut mein Herz und meinen Verstand, dass wir heute gemeinsam diesen Internationalen ökumenischen Kongress eröffnen können. Die EKD betritt hiermit im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 Neuland: Wir kennen und pflegen die gute Tradition der Partnerschaftskonsultationen, heute aber eröffnen wir den ersten internationalen - mit einer Nachbarkirche vorbereiteten - Kongress zum Reformations-jubiläum. Hochkarätige Vertreterinnen und Vertreter Ihrer und unserer Partnerkirchen nehmen daran teil, und es wirken auch Vertreter unserer römisch-katholischen und orthodoxen Schwesterkirchen an diesem Kongress mit.

Auch der Ort Zürich ist für uns eine Premiere: Mit dem öffentlichen Fastenbrechen von 1521 - dem Wurstessen - hatte Zwingli in der Stadt Zürich die Reformation angestoßen. Das war ein wesentlicher Schritt, der die Reformation zur Weltbürgerin werden ließ. Ich danke Ihnen, lieber Bruder Locher, dem SEK und der Kirche im Kanton Zürich für die Einladung, die Sie vor fast zwei Jahren spontan ausgesprochen haben und für die konstruktive Vorbereitung auf diese gemeinsame Konferenz.

2. Ausgangspunkt - Synode Herbst 2012

Im Herbst 2012 hatte sich die Synode der EKD mit dem Schwerpunktthema "Am Anfang war das Wort - Perspektiven für das Reformationsjubiläum 2017" befasst. Einige von Ihnen waren Gäste dieser Synode und haben die synodalen Beratungen verfolgen bzw. sie und mit eigenen Beiträgen ergänzen können. Unvergessen ist das Grußwort der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Angela Merkel, die im Blick auf die 500. Wiederkehr des Thesenanschlags in Wittenberg fragte: "Wie ist unser Land davon geprägt worden, und welche Prägekraft geht für die Zukunft für unser Land davon aus?" Und die uns gleichzeitig auf die Aufgabe verwies, "dass die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum auch Impulse zur religiösen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Bildung leisten und auch auf die gerichtet sein sollten, die sich eben keiner Religion zugehörig fühlen."

Das Feiern des Reformationsjubiläums ist auch eine missionarische Gelegenheit. Wir können in Deutschland wie in der Schweiz und auch weltweit zeigen, dass die reformatorischen Kirchen für die Welt im 21. Jahrhundert wichtige Botschaften bereithält und in der Lage ist, einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Welt zu leisten.

"Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland", so der Beschluss der Synode auf Ihrer Tagung in Timmendorfer Strand, "regt ihre Mitgliedskirchen und die Kirchengemeinden an, die Zeit bis zum Reformationsjubiläum 2017 für eine intensive Beschäftigung mit den Kernthemen reformatorischen Glaubens zu nutzen."

Drei Fragen kristallisieren sich als Hilfestellung für diese geforderte, intensive Beschäftigung mit den Kernthemen reformatorischen Glaubens heraus. Sie fokussieren unsere Vergangen-heit, unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Sie lauten:

1. Woher kommen wir? 2. Wo stehen wir? 3. Was hoffen wir?

3. Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft

3.1 Woher kommen wir?

Unser Kongress findet in Zürich statt. Viele Orte in dieser Stadt erinnern an Ulrich Zwingli. So, wie andere Orte der Reformation auch mit den Namen anderer reformatorischer Persönlichkeiten verbunden sind: Wittenberg steht für Martin Luther und Philipp Melanchthon, Genf für Johannes Calvin und Farel oder Straßburg für Martin Bucer und so weiter… Diese Namen bzw. diese Reformatoren stehen für je eigene konfessionelle und kulturelle Verwurzelungen. Mit diesem Kongress wollen wir den Blick und den Horizont über unsere eigenen Wurzeln hinaus weiten.

Die erste Frage - Woher kommen wir? - sucht nach den Wurzeln, die unseren reformatorischen Glauben tragen. Bei dieser Suche wird schnell deutlich, dass unsere reformatorisch geprägten Kirchen ein größeres gemeinsames Wurzelgeflecht haben als sie über Jahrhunderte lebten. Das hat die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE in ihrem Aufruf zur Feier "Europa Reformata: 500 Jahre Reformation in Europa" zum Ausdruck gebracht. Dort heißt es:

"Im Bemühen um die Erneuerung der einen Kirche Jesu Christi aus dem Evangelium der Rechtfertigung allein aus dem Glauben entstanden die evangelischen Kirchen."

Diese Überzeugung, dass uns Menschen allein der Glaube an Jesus Christus die Rechtfertigung vor Gott schenkt, ist der bis heute tragende Wurzelgrund aller reformatorischen Kirchen. Mit dem Reformationsjubiläum feiern wir nicht uns selbst oder gar unsere Kirchen. Vielmehr feiern wir Gottes Handeln an uns, wie es damals in jenen stürmischen Zeiten des Aufbruches in die moderne Welt neu sichtbar wurde.

3.2 Wo stehen wir?

Die zweite Frage provoziert evangelische Christinnen und Christen und alle aus der Reformation entstandenen Kirchen zu einer Standortbestimmung. Aus einem wachsenden Bewusstsein ihrer Zusammengehörigkeit entstand aus den Kirchen der Reformation vor 40 Jahren die Kirchengemeinschaft, die 1973 durch die Leuenberger Konkordie erklärt wurde. Nach jahrhundertelangem Nebeneinander und oft auch Gegeneinander wissen sich die reformatorischen Kirchen heute zu gemeinsamem Zeugnis und Dienst in der Welt berufen und verpflichtet. Und darüber hinaus trägt uns die Hoffnung, dass die drei großen Konfessionsfamilien zu einem größeren Maß sichtbarer Einheit gelangen.

Das gemeinsame Zeugnis in einer Welt, die sich in einem dramatischen Tempo verändert und die ihre eigenen religiösen Wurzeln leichthin vergisst, wird immer wichtiger. Und ich gestehe, dass mit den neuen Klängen aus Rom Papst Franziskus in mancherlei Hinsicht auch unsere Tonlage trifft: Menschen - getrimmt auf Leistung und Erfolg - brauchen den anderen Klang, der von der Barmherzigkeit Gottes spricht. Menschen - getrimmt auf die Durchsetzung eigener Vorteile und Interessen - brauchen den anderen Klang, der von der Nächstenliebe spricht.

3.3 Was hoffen wir?

Die Frage der Hoffnung stellt uns in einen großen Kreis von Menschen, die sich - innerhalb und außerhalb der Kirchen - mit den brennenden Zukunftsthemen unserer Zeit befassen: Es geht um nachhaltigen Frieden, um nachhaltige Gerechtigkeit und um die Bewahrung der Schöpfung. Die theologische Frage nach unserer Hoffnung verlangt nach theologischen und politischen Antworten. Die Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde, die Gott uns dereinst schenken wird, befreit uns und unsere Kirchen schon "hier und jetzt" dazu, unmenschliche und lebensfeindliche Strukturen zu benennen und zu verändern und einem zerstörerischen Klimawandel entgegenzuwirken. Als die mit Gottes Gerechtigkeit beschenkten Erben des zukünftigen Gottesreiches können und sollen wir auf unserer Erde nach Gerechtigkeit unter uns Menschen fragen und suchen.

4. Schluss

Bei unseren Beratungen werden in den nächsten Tagen diese drei Fragen nach unserer Vergangenheit, unserer Gegenwart und unserer Zukunft direkt und indirekt mitklingen. Die Synode der EKD hatte im letzten Jahr formuliert:

"Die Reformation ist Weltbürgerin geworden. Sie gehört allen. In 500 Jahren hat sie sich über die Welt ausgebreitet und ist in ungezählten Ländern und Kulturen heimisch geworden. Von dort wandert sie zurück und beschenkt uns mit den Erfahrungen aus aller Welt."

Dieser Kongress markiert eine Station auf dem Weg zum Reformationsjubiläum: Wir wollen auf Sie als unsere Partner-, Nachbar- und Schwesterkirchen hören und Sie mit Ihren je eigenen Botschaften verstehen und Sie zugleich einladen mit uns gemeinsam zu feiern. Wir wollen hier gemeinsam entdecken, was die "Weltbürgerin" Reformation unseren Kirchen und unserer Welt heute zu sagen hat.