Avantgarde-Kunstprojekt zum Reformationsjubiläum

Berlin/Wittenberg (epd). Ai Weiwei, Markus Lüpertz, Isa Genzken, Olafur Eliasson, Assaf Gruber - in Wittenberg stellen im kommenden Jahr Künstler aus aller Welt ihre Sicht auf die Reformation und aktuelle gesellschaftliche Fragen vor. Für das Projekt "Luther und die Avantgarde" werden sie zum Reformationsjubiläum frühere Gefängniszellen mit ihren Kunstwerken neu ausstatten. Die Ausstellung ist von Mitte Mai bis Mitte September zu sehen. Zwei kleine ergänzende Ausstellungen werden in Berlin und Kassel gezeigt.

Luthers Idee von der "Freiheit eines Christenmenschen"

Bei dem Projekt gehe es nicht um religiöse Bilder, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Gedankengut Martin Luthers, betonte die Reformationsbotschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann, bei der Vorstellung der Pläne in Berlin. Im Mittelpunkt stehe Luthers Idee von der "Freiheit eines Christenmenschen", der Freiheit von Glauben und Gewissen. Dies sei Luthers "bahnbrechende Erkenntnis" gewesen, mit der auch der Toleranzgedanke in die Welt getragen worden sei, betonte Käßmann.

Luther stehe nicht als historische Person im Vordergrund, sondern als "Modell für eine progressive Haltung", hieß es weiter. Der Theologe habe religiöse, soziale und gesellschaftliche Reformprozesse in Gang gesetzt, die "über die christlichen Wertvorstellungen hinaus die Gesellschaft radikal verändert" hätten. Dies werde mit der Präsentation künstlerischer Strategien aufgegriffen, die "nach Veränderung streben, Missstände aufzeigen sowie von Unabhängigkeit im Denken und Handeln geprägt" seien.

Offen für "negative Erkenntnisse"

Ziel des Projekts sei auch, die "Widersprüchlichkeiten einer so bedeutenden Figur wie Luther zum Ausdruck" zu bringen und dabei auch seinen Antijudaismus zum Thema zu machen, sagte Kay Heymer, einer der Kuratoren der Ausstellung. Die Ausstellung "Luther und die Avantgarde" sei offen für "negative Erkenntnisse".

Kirche und Kunst seien über Jahrhunderte hinweg "Hand in Hand gegangen", sagte Berlins früherer Kulturstaatssekretär André Schmitz, Beiratsvorsitzender der Ausstellung. Dies sei im vergangenen Jahrhundert jedoch "etwas flüchtig geworden" und "häufig auch ein Tabuthema" gewesen. Die Resonanz der Künstler sei dennoch überwältigend gewesen, sagte Schmitz: "Wir hätten auch ein größeres Gefängnis füllen können."

Manche Werke entstehen erst in der Gefängniszelle

Etwa die Hälfte der Arbeiten sind neue Werke, die zum Teil auch erst in den Gefängniszellen entstehen sollen. Geplant sei eine Bestandsaufnahme zeitgenössischer Kunst, sagte der Sprecher des Kuratoriums und Vorsitzende der Stiftung für Kunst und Kultur, Walter Smerling. Auch Kirchenkritiker sind eingeladen: In der St. Matthäus-Kirche am Berliner Kulturforum ist eine kleine Ausstellung mit Werken aus dem 2013 entstandenen Zyklus "Scapegoating Pictures" der britischen Künstler Gilbert & George geplant.

Kuratoren sind unter anderem Susanne Kleine von der Bundeskunsthalle in Bonn, Dimitri Ozerkov vom Kunstmuseum Eremitage in St. Petersburg und die Kunsthistorikerin Dan Xu von der Stiftung für Kunst und Kultur. Zu dem rund vier Millionen Euro teuren Ausstellungsprojekt steuert die EKD rund 2,5 Millionen Euro bei. "So viel Geld hat meine Kirche schon lange nicht mehr für Kunst ausgegeben", sagte Schmitz: "Ich zahle gerne meine Kirchensteuer, wenn sie so für Kunst und Kultur ausgeben wird."

13. Oktober 2016


Die Ausstellungen "Luther und die Avantgarde" werden vom 18. Mai bis zum 17. September 2017 im Alten Gefängnis der Lutherstadt Wittenberg, der St. Matthäus-Kirche am Berliner Kulturforum und der Karlskirche in Kassel gezeigt.