Chancen und Risiken der Mediengesellschaft

Vowort

Viele Menschen sind fasziniert, andere beunruhigt von der Entwicklung der Medien: digitales Fernsehen mit Hunderten von Programmen, die einfache und schnelle Kommunikation im Internet rund um den Globus, das Zusammenwachsen von bisher getrennten Medien durch Multimedia-Techniken, neue Kommunikationsnetze, neue Techniken bei der Herstellung auch der gedruckten Medien. Wir erleben einen Umbruch in der sozialen Kommunikation, der in seinen Folgen von manchen oft mit der Erfindung der Buchdruckerkunst verglichen wird. Die Möglichkeiten der Kommunikation werden zu einem Wachstumsmotor der Wirtschaft. Sie verändern die Arbeitswelt. Sie bieten Chancen für die Verständigung der Menschen, ihre Beteiligung am öffentlichen Gespräch in der Gesellschaft und eine vielfach veränderte und gesteigerte Vermittlung von Wissen. Nicht zufällig spricht man von der Informations- und Mediengesellschaft.

Dieser Prozeß vollzieht sich mit hoher Geschwindigkeit und schwer kalkulierbaren sozialen Folgen. Es mehren sich Befürchtungen, daß sich die Risiken und Gefahren der Mediennutzung in allen Lebensbereichen auswirken. Dabei haben die Medien die Aufgabe, Menschen miteinander in Verbindung zu bringen, ihnen Information und Unterhaltung zu bieten, so daß sie sich in ihrem Lebensalltag besser zurechtfinden, Orientierung und eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erleichtert werden.

Auch die gedruckten Medien verändern sich rasch. Durch neue Techniken der Herstellung und Verbreitung können die Interessen und Bedürfnisse immer kleinerer Zielgruppen besser bedient werden. Nach wie vor behalten bei allen Wandlungen jedoch Zeitungen und Bücher, das Lesen und die Wortkultur eine wichtige Bedeutung. Die gravierenden Veränderungen gehen von den elektronischen Medien, den digitalen Übertragungstechniken und den neuen Kommunikationsnetzen aus, die gewiß Chancen, aber auch ernsthafte Risiken in sich bergen. Aus diesem Grund liegt das Schwergewicht dieser gemeinsamen Erklärung bei den Entwicklungen in den elektronischen Medien.

Angesichts der Bedeutung von Kommunikation und Medien für das Zusammenleben in Kirche und Gesellschaft haben sich die beiden Kirchen darauf verständigt, zu den Herausforderungen eine Orientierung zu geben. Wir wollen damit dem öffentlichen Gespräch über die Gestaltung der Mediengesellschaft einen Anstoß geben und besonders die Fragen der ethischen Verantwortung ansprechen. Diese gemeinsame Erklärung richtet sich sowohl an die Mitglieder unserer Kirchen und an alle interessierten und betroffenen Bürgerinnen und Bürger, die sich an dieser öffentlichen Debatte beteiligen wollen, wie auch an alle, die in den Medien selbst und in der Medienpolitik Verantwortung tragen oder sich in der medienpädagogischen Arbeit engagieren.

Die Medienwelt ist in großer Beschleunigung begriffen. Darum ist auch jede Prognose für den weiteren Verlauf schwierig. So kann diese Stellungnahme, vor allen in ihren empfehlenden Passagen, nur ein Wort zur aktuellen Lage sein. Wir danken darum der gemeinsamen Kommission sehr herzlich für die geleistete Arbeit.

Die Erklärung "Chancen und Risiken der Mediengesellschaft" möchte dazu beitragen, daß die freie Kommunikation mündiger Menschen in einer verantwortlichen Gesellschaft nicht nur Idee oder gar Utopie bleibt, sondern wenigstens fragmentarisch und Schritt für Schritt immer mehr Wirklichkeit wird. Darum müssen immer wieder Wege für eine wirklich lebensdienliche Gestaltung und Nutzung gesucht werden.


Hannover/Bonn, am 15. April 1997

Landesbischof
Dr. Klaus Engelhardt
Vorsitzender des Rates der
Evangelischen Kirche
in Deutschland

Bischof
Dr. Karl Lehmann
Vorsitzender der
Deutschen
Bischofskonferenz

 

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