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EAfA Rundbrief Nr. 76, 3. Quartal 2017, 31.08.2017


Übersicht

Zu Beginn

Liebe Leserin und lieber Leser,

wie ist das mit Ihrem reformationsjubiläumsgestärkten Selbstbewusstsein auf der Zielgeraden des Gedenkjahres 2017?

Vor Kurzem stand ich in Kassel plötzlich vor diesem Postament. Auf der Rückseite luden Stufen zum Besteigen und Posen für ein Foto vor dem Hessischen Landesmuseum als Hintergrund ein.

Ich habe mich nicht eingeladen gefühlt, mich aber gefragt, ob das nur daran lag, dass ich allein unterwegs war. Hätte ich in Begleitung vielleicht anders reagiert? Ich weiß es nicht. Und falls ich mich darauf gestellt hätte, wäre das dann die Entsprechung zu den eingemeißelten Gold-Lettern – also ICH – gewesen?

Mir fiel ein, dass wir im Rahmen der Kirchentagsvor-bereitung auch das Thema „Identität im Alter“ diskutierten und ich dabei immer für den Plural votiert hatte. Je älter ich werde, umso mehr und umso deutlicher kenne ich nämlich sehr verschiedene Seiten an mir. Zu viele für eine Identität. Dabei berufe ich mich dann gern auf den viel zitierten Satz des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horvàth (1901-1938): „Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu“. Hätte ich mich auf das Postament einladen lassen, oben gestanden wäre ohnehin nicht ICH.

Natürlich war ich wegen der documenta 14 in Kassel und begegnete tags darauf in der Documenta-Halle als weißes ICH der nächsten Herausforderung, sprich Pro-Vokation: Die verstreut aufgehängten, kleinformatigen Arbeiten des 1955 in New Jersey geborenen US-amerikanische Künstlers POPE L. mit Sprüchen zu Menschen verschiedener Hautfarben habe ich meist nur en passent wahrgenommen, weil ich sie entweder gar nicht verstand oder nicht verstehen wollte oder aber auf den ersten Blick nur lustig fand:

 

-    Yellow People Are the Dog’s Seed  
-    Black People Are the Wet Grass at Morning
-    White People Are the Cliff and What Comes After
-    Black People Are the Silence They Cannot Understand
-    Green People Are a Recent Invention

 

WHITE PEOPLE ARE GOD’S WAY OF SAYING I’M SORRY

Weiße Menschen sind Gottes Art und Weise zu sagen: Tut mir leid.

Diese Arbeit hat mich dann doch jäh gestoppt und ins Grübeln gebracht: ‚Das hat er nicht nur so daher gesagt … Klar, die weiße Rasse, wir, haben unendlich viel Leid über andere Völker und Rassen gebracht und liefern bis zum heutigen Tag den größten Beitrag zum Untergang unseres Planeten ... Und ich gehöre ja dazu …. Ist der Künstler Schwarzer oder Weißer? Ist es die Anklage eines Opfers oder das Bekenntnis eines Mittäters? Macht das einen Unterschied? ...‘

Das waren so meine ersten Gedanken, bis ich gemerkt habe, dass ich den Besucherstrom aufhalte. Das Bild hing (absichtlich?) an einer Verengung des Gangs in die untere Halle – fast eine Art Nadelöhr. Also noch schnell ein Foto gemacht und dann weiterschwimmen mit dem Strom.

‚Mitgehangen – mitgefangen‘ wie wahr. In Gedanken bin ich noch bei dem Bild-Spruch: ‚Und Gott sagt wegen mir: „tut mir leid“!? – Ja bei wem entschuldigt sich Gott eigentlich? – Oder sagt er das zu sich selbst?‘.... Da fällt mir wieder das Podest von gestern ein und ich weiß einen weiteren Grund, weshalb ich es nicht besteigen wollte.

Ohne zu wissen, was mich dort erwartet, habe ich noch in der evangelischen Karlskirche vorbeigeschaut, deren Turm mit einem Küstenblinkfeuer mit Aufschrift LAMPEDUSA „einlud“. Den völlig abgedunkelten Raum erfüllten abwechselnd monotone Durchsagen aus einer riesigen, von der Decke hängenden Traube aus Mikrophonen und hektisches Geklapper wechselnder Botschaften auf Metallplättchen. Licht brannte nur auf der Orgelempore und nur dazu, um die auf langen Tischen ausgebreiteten Fundstücke zu zeigen, die aus den Habseligkeiten ertrunkener Flüchtlinge an der Küste Lampedusas angespült worden waren. „White people are God’s way of saying I’m sorry“ ….

Liebe Leserin und lieber Leser, ich hatte Sie eingangs nach Ihrem Selbstbewusstsein auf der Zielgerade des großen Luthergedenkjahres gefragt. Mir wird nach diesen Kasselaner Provokationen Luthers „simul justus et peccator – Gerechter und Sünder zugleich“ wieder zum Trost und das andere Doppelgespann „freier Herr, niemand u(U)ntertan und dienstbarer Knecht jedermann U(u)ntertan“ ein starker Antrieb.

Die EAfA blickt zwar 2017 nicht auf 500 aber immerhin auf 25 Jahre zurück und wird dies im Herbst noch feiern (siehe AUS DER ARBEIT DER EAfA).

In jedem Fall grüße ich Sie – auch im Namen des Vorstands – herzlich und wünsche Ihnen wieder interessante Entdeckungen im neuen Rundbrief.

Ihr

friedemann binder

Aus der Arbeit der EAfA

Die EAfA feiert ihren 25. Geburtstag

Im November 1992 wurde in Fulda die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit in der EKD gegründet.

Aus der Arbeit der EAfA

Das Thema - Reformation: Ressource für morgen?

Wie Luther in den Rundbrief kam

Alle Welt „luthert“ – nun auch noch die EAfA. Eigentlich sollte in dieser Ausgabe der Beitrag „Luther und die Alten“ stehen. Doch alle Versuche, einen Autor oder eine Autorin für das Thema zu finden, waren vergebens. Niemand fühlte sich angesprochen und/oder kompetent.  ...

 

Das Thema

Informationen und Berichte aus den Mitgliedsorganisationen

  • Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
  • Bremische Evangelische Kirche
  • Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
  • Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
  • Evangelische-Lutherische Kirche in Norddeutschland
  • Evangelische Landeskirche in Württemberg

 

Informationen und Berichte aus den Mitgliedsorganisationen

Neues aus Kirche, Gesellschaft und Politik

  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO)
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
  • Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
  • Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
  • Wegweiser Bürgergesellschaft

 

Neues aus Kirche, Gesellschaft und Politik

Literatur und Arbeitsmaterialien

Jens-Peter Kruse, Vorsitzender der EAfA, hat wieder einmal eine Auswahl der Neuerscheinungen zu Alter, Altern und zur Altenarbeit für Sie vor-gelesen.

Literatur und Arbeitsmaterialien

Zu guter Letzt

Die „alten Jungs“ haben sich gemeldet!

Reaktionen auf ‚Zu guter Letzt‘: "Wo sind denn eigentlich die alten Jungs?", EAfA Rundbrief Nr. 74, 1. Quartal 2017, 31.03.2017

Sie erinnern sich vielleicht an die Kinder aus der Kita, die den Seniorenkreis in Offenbach/Main besuchten. Mit Hilfe dieser Geschichte habe ich zu Beginn dieses Jahres im Rundbrief Nr. 74 einen Artikel über die „generationsübergreifende Schieflage“ im Bereich Männer(-arbeit) und Frauen(-arbeit) in unserer Kirche geschrieben. Zur Erinnerung ein kleiner Auszug:

Wo sind denn eigentlich die alten Jungs?

„Ein Mittwochnachmittag, acht hochbetagte Frauen treffen sich zum Zusammensein in der Lutherkirche in Offenbach/Main. Sie sind sozusagen die ‚Überlebenden‘ des einst aus über 40 Personen bestehenden gemischten Seniorenclubs. Heute haben wir etwas Besonderes vor: wir haben ein Dutzend Kinder aus unserer Kita eingeladen. Wir sitzen im Kreis, singen miteinander und stellen uns gegenseitig mit Namen und Alter vor. Das Alter der Frauen lässt manche Kinder zwar staunen, aber so richtig einschätzen können sie es wohl noch nicht wirklich. Ehe wir zum Kaffeetisch gehen frage ich die Kinder: Möchtet ihr noch etwas von uns wissen, habt ihr noch eine Frage an uns? Ganz schnell ruft uns ein kleiner Junge zu: „Wo sind denn eigentlich die alten Jungs?“

Die alten Jungs haben sich gemeldet!

Inzwischen haben einige Männer und Frauen auf diesen Artikel reagiert, telefonisch oder per Mail, manche auch im persönlichen Gespräch. Dabei erhielt ich nicht nur viel Zustimmung, sondern auch manchen Hinweis auf die geschlechterbezogene Arbeit vor Ort. Meist Projekte, mit denen versucht wird, etwas gegen die generationsübergreifende Schieflage in Sachen Männer- und Frauenarbeit zu unternehmen. Für diesen Zuspruch möchte ich mich an dieser Stelle bei allen, die mit mir Kontakt aufgenommen haben, ganz herzlich bedanken.

Vor gut 2,5 Jahren hat man z.B. in Hamburg–Niendorf im Haus der Kirche zu einem Themenabend eingeladen und sich intensiv mit dem Thema „Männer und Kirche“ beschäftigt. Frau Ute Zeißler von der Fachstelle ‚ÄlterWerden‘ im Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein hat sich an diesen Abend erinnert und mir dankenswerter Weise die Zusammenfassung dieses Themenabends zukommen lassen. Mein Dank geht auch an Herrn Oliver Spies, ehemals Pastor in Hamburg Langenhorn mit dem Schwerpunkt ‚Leben im Alter‘. Er ist der Verfasser dieser Zusammenfassung mit dem Titel „Zwischen Baumarkt und Gemeinde – 7 Punkte zur Mangelware Männer in der Kirche“.

ZWISCHEN BAUMARKT UND GEMEINDE –
7 PUNKTE ZUR MANGELWARE MÄNNER IN DER KIRCHE:

Zusammenfassung des Themenabends „Auf die Sprünge helfen“ am 6. 02. 2015 im Haus der Kirche in Hamburg-­‐Niendorf – Von Oliver Spies

Glaubt man dem Liedermacher Reinhard Mey, ist der Baumarkt für Männer ein nahezu religiöser Ort: Sie pilgern alleine durch die Gänge, begeben sich auf leidenschaftliche Suche, kommen ins Gespräch miteinander und tauschen sich aus, sind allem Neuen aufgeschlossen und nehmen Anleitung gerne an. Kirchliche Mitarbeitende können da neidisch werden: In Kirche/Gemeinde sind Männer Mangelware. Bei Veranstaltungen trifft man wenige, in Gruppen und Kreisen fast gar keine. Durch alle Altersgruppen hindurch gilt: Männer sind kaum zu locken.

Liegt es an den Themen, Veranstaltungen, Orten, der Werbung, den Machern, den Männern selbst? Über diese Fragen kamen auf Einladung des Seniorenwerkes Hamburg-West/Südholstein und der Arbeitsstelle „Leben im Alter“ des Kirchenkreises Hamburg-­Ost 16 Männer im Februar 2015 ins Gespräch. Eine bunte Gruppe aus ganz Hamburg und Umgebung, überwiegend im Alter kurz vor oder nach dem Ruhestand. Alle sind in irgendeiner Art im kirchlichen Kontext engagiert, die Spannweite reicht von Besuchsdiensten über der Leitung von Gruppen und Angeboten bis zur Mitarbeit in Gremien. Während einige sich selbst als sehr verbunden mit ihrer Gemeinde beschreiben, suchen sich andere je nach Interesse gezielt Veranstaltungen in der ganzen Stadt, wieder andere sehen sich eher kritisch-­‐distanziert gegenüber der Institution, innerhalb der sie sich aber gerne mit einer bestimmten Aufgabe engagieren.

Trotz aller Unterschiedlichkeit teilen alle Teilnehmer die Erfahrung meist „allein unter Frauen“ zu sein. Auch wenn man nichts dagegen hat, „der Hahn im Stall“ zu sein, vermisst man doch mehr Mitstreiter. Alle beschreiben in der Vorstellungsrunde das gleiche Phänomen: Männer und Kirche sind eine schwierige Verbindung. Während Frauen die kirchliche Schwelle müheloser überschreiten, „muss man bei Männern richtig rackern, und selbst dann kommen nur ein paar, wenn überhaupt“, so ein Teilnehmer. Die Einsichten und Gedanken des gemeinsamen Workshops werden im Folgenden in sieben Punkten zusammengefasst. Sie wollen Impulse für die Arbeit mit und Gewinnung von Männern in Kirche/Gemeinde sein.

1. Männer und Kirche - eine schwierige Beziehung.

Hier war sich die Gruppe einig: Männer stehen Kirche/Gemeinde mehrheitlich kritisch-­‐ distanziert bis ablehnend gegenüber. Einige berichten geradezu von Anfeindungen oder einem verächtlichen Abwinken, wenn man im Freundeskreis Werbung für kirchliche Aktionen mache. „Bleib mir weg mit Kirche!“, hörte ein Teilnehmer öfter als er für den Workshop warb. Die Ablehnung ist kein vereinzeltes Phänomen, sondern überwiegend Realität. Die Gründe sieht die Gruppe nur selten in schlechten Erfahrungen mit der Institution. Das negative Kirchenbild ergibt sich vielmehr meist aus Unkenntnis und Desinteresse. Das Image von Kirche wird oft pauschalisiert: weichlich, für die mit Sorgen, schwere Themen, muss man fromm sein. Mit Blick auf den Gottesdienst kommt gar eine „Angst“ ins Spiel: Man „fürchtet sich vor der kirchlichen Atmosphäre, von der oft eine depressive Friedlichkeit ausgeht“. Selbst die Teilnehmer, denen der Gottesdienst persönlich sehr wichtig ist, können sich kaum vorstellen, einen Freund einzuladen oder mitzunehmen. Dennoch will man Kirche/Gemeinde von „irgendeinem Verein“ unterschieden wissen: „Ich suche in Kirche etwas, was ich woanders nicht finden kann!“, so ein Teilnehmer. Nachdem viele sich zunächst die „geballte Ladung von Angeboten bei Ehrenamtsbörsen“ gaben, haben sie später den Reichtum an Möglichkeiten vor Ort schätzen gelernt.

2. Männer für Kirche/Gemeinde zu gewinnen, ist ein deprimierendes Unterfangen, bei dem man sich nicht entmutigen lassen darf.

Wer sich auf die Zielgruppe „Männer“ einlässt, braucht einen langen Atem sowie einen realistischen Blick: Selbst die beste Öffentlichkeitsarbeit, das beste Angebot wird nicht die Massen locken, die sich Kirche/Gemeinde wünscht. „Viele Männer wollen schlicht nicht erreicht werden.“ Diese Grenze ernst zu nehmen, ist ein wichtiger Schritt, sich für die folgenden Anstrengungen und Veränderungen nicht entmutigen zu lassen. Auch gilt es, sich in dieser Arbeit „nicht jeden Schuh anzuziehen“, der von außen herangetragen wird: Kirche/Gemeinde „ist besser als ihr Ruf unter Männern“. So läuft es auf viel „kleinteilige Arbeit an der Basis“ heraus: Die Kommunikation zu verbessern, Angebote neu auszurichten, auf die Kreativität von (engagierten) Männern zu vertrauen.

3. Männer brauchen Gelegenheiten und Zeit wieder an Kirche/Gemeinde anzudocken und reinzufinden.

Viele Teilnehmer berichten von einer großen Entfremdung gegenüber Kirche/Gemeinde, die durch das Berufsleben entstand. „Ich hatte mit Kirche schlicht nichts mehr am Hut“, berichtet einer. Ein anderer: „Ich kannte da keinen.“ Diejenigen, die nicht von sich aus den Schritt auf die Kirche/Gemeinde machten, erzählen, dass sie entweder persönlich angesprochen oder angerufen und zur Mitarbeit eingeladen wurden. Wichtig war ihnen, dass sie zunächst noch „eine gewisse Distanz“ wahren und „langsam rein wachsen“ konnten. Vor allem der Übergang in den Ruhestand bietet Kirche/Gemeinde eine günstige Gelegenheit, mit Männern (wieder) in Kontakt zu kommen. Dabei sind die meisten Männer nicht auf der Suche nach Ämtern, sondern nach sozial-­‐diakonischem Engagement. Dass Kirche/Gemeinde schnell den Eindruck vermittelt, es handle sich dabei um „Fulltime Jobs“, ist meist kontraproduktiv. Man lässt sich gerne auf etwas Verbindliches ein, doch darf das „Gefühl der eigenen Freiheit nicht verloren gehen“.

4. Männer als Zielgruppe ernst nehmen, heißt Mut haben, bestehendes zu hinterfragen und zu verändern.

Oft bleibt es bei dem Bedauern, dass nur so wenige Männer an Veranstaltungen oder Gruppen in Kirche/Gemeinde teilnehmen. Gleichzeitig scheint es aber nur selten echte Versuche zu geben, Männer ins Visier zu nehmen. Es braucht mehr als der bestehenden Arbeit einen „männlicheren Anstrich“ zu geben. Männer als Zielgruppe ernster nehmen, bedeutet, die eigenen Angebote zu hinterfragen. Frauen dominieren nicht nur zahlenmäßig, sondern prägen auch Themen, Atmosphäre und Gestaltung von Veranstaltungen. Es lohnt eine kritische Auseinandersetzung, ob sich unterschiedliche Formate (Themenfrühstücke, Kaffee-­‐ und Gesprächsrunden) nicht doch aus Sicht von Männern sehr ähneln. Sicherlich mögen es Männer, sich an einen schön gedeckten Tisch zu setzen und bedient zu werden, sie bringen sich aber gerne auch mit ein und gestalten mit. Diese Mitgestaltung kann aber bedeuten, dass nicht immer alles „so hübsch und liebevoll“ vorbereitet ist: „Warum keine Tupperware auf die Tische stellen?“, „Warum keine Tiefkühlpizza?“, „Warum kein Kulturprogramm, das die Champions League in den Mittelpunkt stellt?“ Bei allen Stereotypen, die hier mitschwingen, gibt es doch einen Kern, der Beachtung verdient: Männer gestalten Gemeinschaft anders. Sie bereiten sich kurzfristiger darauf vor, sie haben andere Kommunikationsmuster, sie setzen andere Akzente und Themen, sie gehen mit Nähe anders um. Gibt/Lässt Kirche/Gemeinde dem genügend Raum?

5. Männer wollen keine "Männergruppen", aber sie bleiben gerne auch mal unter sich.

Paradox oder Männerlogik? Die Mehrheit der Teilnehmer will keine Veranstaltungen oder Gruppen besuchen, für die mit dem Wort „Männer“ explizit geworben wird. „Wir haben doch nichts gegen Frauen!“, heißt es da. Oder: „Das klingt dann gleich so nach Befindlichkeitsrunde!“ Gleichzeitig finden es alle gut, wenn „man mal unter sich bleiben könnte“. „Männer brauchen eine Plattform, um ihre Wünsche darzustellen und andere Männer mit zu nehmen“, formuliert es ein Teilnehmer. Einige erzählen von guten Erfahrungen, die sie in reinen Männerrunden machten. Nicht nur die Atmosphäre ist eine andere, sondern auch die Gesprächskultur und Beziehungsaufnahme unterscheidet sich. Dies ist auch in dem Workshop selbst spürbar, der ohne Frauen stattfindet.

Wichtig ist für solche „Männerrunden“, dass sie „solidarisch organisiert“ sind. Gerne sollen darin nicht nur „alte Lütt“, sondern alle Generationen vertreten sein. Es braucht eine „unverbindliche Verbindlichkeit“. Schön ist es, nicht nur ein Thema zu bearbeiten, sondern ganz konkret etwas zu machen: kochen, essen, handwerkeln, wandern, Fußballschauen. Das gemeinsame Tun eröffnet dabei die Gelegenheit, ernste Themen und Fragen „quasi nebenher zu besprechen“.

Bedenken hat man, dass „das Kantige im Mannsein sein darf“ und zugleich eine „gefühlvolle Gesprächsatmosphäre“ entsteht. Gute Beziehungen sind wichtig, dennoch sucht man erstmal keine neuen Freundschaften. Auch wenn das Beziehungsstiftende als „sehr weiblich geprägt“ beschrieben wird, so wird doch herausgestellt: „Kirche/Gemeinde lebt über Beziehungen.“ Hier liegt eine Besonderheit und zugleich die „Furcht vor Enge“.

Für Kirche/Gemeinde haben solche Runden einen besonderen Wert: Sie können einen Kern für die Arbeit mit Männern bilden. In ihnen kann die eigene Arbeit hinterfragt und neue Ideen ausgeklügelt werden. Sie kann helfen, Männer für andere Veranstaltungen und Mithilfe ansprechbar machen. Und schließlich kann sie zum Werbeträger werden, der mithilft, das Bild von der Frauenkirche/gemeinde aufzubrechen.

6. Männer reagieren auf persönliche Ansprache und handfeste Öffentlichkeitsarbeit.

Viele Teilnehmer erzählen, dass sie aufgrund von persönlicher Ansprache wieder in Kirche/Gemeinde „reingerutscht“ sind. Sie empfanden es nicht als aufdringlich, dass kirchliche Mitarbeiter nachgefragt haben, ob sie nicht ganz konkret mithelfen könnten. Dabei wird geschätzt, wenn es „nicht nur um Kirchens geht“, sondern darum im Stadtteil und der Nachbarschaft, Menschen zu unterstützen. Viele, die heute sehr in der Besuchsdienstarbeit engagiert sind, konnten sich diese Aufgabe zunächst nicht vorstellen und brauchten den Impuls von außerhalb.

Interessant war die Auseinandersetzung der Gruppe mit kirchlicher Werbung: Plakate, Flyer, Gemeindebriefe. Sicherlich waren hier Geschmäcker und Ansprüche unterschiedlich, doch lassen sich ein paar allgemeine Aussagen treffen: Negativ aufgefallen sind lange Texte und allzu poetische Formulierung. Eine Einladung soll kurz und prägnant sein. Natürlich erwartet man einen partizipatorischen Charakter bei den Veranstaltungen, aber man muss nicht zu sehr betonen, dass man „ins Gespräch kommen“, „gemeinsam entdecken und fragen“, „miteinander nachdenken“ will. Klare Ansprache und Fragen verringern die Schwellenangst, in eine „eingeschworene Gruppe“ zu kommen, wo „man sich gleich öffnen soll“. Als ansprechend wird Werbung mit Bildern und Fotos erlebt. Sehr genau wahrgenommen, werden auch Farbtöne, die oft sehr „rot“ sind.

7. Männer machen gerne Nägel mit Köpfen.

„Welche Veranstaltung würden Sie sich wünschen?“, wurden die Teilnehmer gefragt und beauftragt, ihre Ideen anzudenken. Herauskamen interessante Impulse: Zum Beispiel eine Veranstaltung zum Thema „Patientenverfügung nur für Männer“. Dabei wollen man nicht „über schwierige Fragen ins Gespräch kommen“, sondern die „Dringlichkeit der Vorsorge“ unterstreichen. Unter dem Titel „Das Sterben in das Leben holen“ sollen Fachleute referieren. Auf einen „geselligen Rahmen“ wird bewusst verzichtet. Eine andere Gruppe möchte Architektur und Baugeschichte von Hamburger Kirchen in den Blick nehmen. Ganz konkrete Fragen sollen dabei zur Sprache kommen: Wie heizt man eigentlich den Michel? Wie legte man das Fundament von St. Kathrinen? Was heißt ökologische Sanierung?

„Vielleicht ließe sich so die Leidenschaft für den Baumarkt mit Kirche verbinden“, so der Wunsch. Andere versuchen sich an Ideen wie Pilger-­‐ oder Handwerksgruppen. Aber auch Veranstaltungen zu Themen wie „Älterwerden“, „Computerei“ und „Kochen“ werden angedacht.

Natürlich ist das Feld zum Thema „Männer und Kirche“ weiter als diese sieben Punkte, in denen vieles nur angerissen bleibt. Wichtig war, die Gedanken des gemeinsamen Workshops festzuhalten und zur Diskussion zu stellen. Gerade in ihrer (teilweisen) Überspitzung wollen sie den Mitarbeitenden in Kirche/Gemeinde auf die Sprünge helfen und anregen, die eigene Arbeit mit Männern einmal auf die Tagesordnung zu setzen. Dabei sollte zunächst weniger auf gute Rezepte und neue Formen geblickt werden, als die eigene Haltung hinterfragt, Ressourcen geklärt und Ideen vor Ort abgeschöpft werden. Vielleicht kann es damit beginnen, den benachbarten Baumarkt zu besuchen und die pilgernden Männer wahrzunehmen.

Hamburg im März 2015

Weitere Informationen zum Themenfeld Frauen(-arbeit) und Männer(-arbeit) in der Evangelischen Kirche finden Sie unter: www.evangelisches-zentrum.de

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© Martin Erhardt, im August 2017

Referent für Bildungsarbeit mit älteren Erwachsenen im Fachbereich Erwachsenenbildung und Familienbildung des Zentrum Bildung der EKHN in Darmstadt, Erbacher Straße 17, 64287 Darmstadt, Fon: 06151 / 6690-186, E-Mail: martin.erhardt.zb@ekhn-net.de, www.zentrumbildung-ekhn.de

Redaktionstermine 2017/2018

1. November 2017

1. Februar 2018

2. Mai 2018

1. August 2018

1. November 2018

Langfassung Nr. 76, 3. Quartal 2017

EAfA-Rundbrief Nr. 76, 3. Quartal 2017, Langfassung

EAfA-Rundbrief

Herausgegeben von der:

Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit in der EKD
Herrenhäuser Str. 12
30419 Hannover
Fon: 0511 2796-205
Fax: 0511 2796-709
Mail: eafa@ekd.de | WWW: www.ekd.de/eafa/

Redaktion: Friedemann Binder

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