Die Zukunft der EU-Handelspolitik

(Johanna Tietze, Julia Maria Eichler)

Die Europäische Kommission plant im Herbst 2015, eine überarbeitete Handelsstrategie zu veröffentlichen, wie die Generaldirektion Handel am 20. März 2015 auf ihrer Homepage bekannt gab. Mit der neuen Strategie soll ein stärkerer Fokus auf dem Nutzen von Handel für alle, der Verpflichtung der Handelspolitik zu den europäischen Werten sowie Transparenz und Verantwortung gelegt werden.

Der Vertrag von Lissabon legt die Ziele der Europäischen Handelspolitik fest: Schaffung von Wachstum und Jobs in Europa, die globale Entwicklungsförderung und die Stärkung der Beziehungen zu wichtigen Handelspartnern basierend auf den europäischen Werten. Deren Verwirklichung hänge aber maßgeblich vom globalen Handelsumfeld ab, so die Handelskommissarin. Und dieses habe sich in den letzten fünf Jahren dramatisch geändert. Sowohl die europäische als auch die Weltwirtschaft habe sich gewandelt. Zukünftig werde 90 % des weltweiten Wirtschaftswachstums in Ländern außerhalb der EU stattfinden. Gleichzeitig komme dem Handel eine immer größere Bedeutung im Hinblick auf die Wirtschaftsleistung und Beschäftigung in der EU zu. Einer von sieben Arbeitsplätzen hänge heute in Europa vom Export ab. Gleichzeitig verbinden globale Wertschöpfungsketten die einzelnen Wirtschaften immer enger. Der globale Handel von Produkten und Dienstleistungen macht heute 32 % des weltweiten Bruttoinlandsproduktes aus. Hinzukomme das veränderte politische Umfeld, das auch durch die intensiven Debatten über das Freihandelsabkommen mit den USA geprägt sei. Man habe seine Lektion gelernt, wenn es um Transparenz gehe und die Notwendigkeit Verhandlungen zu erklären. Aber auch darüber hinaus gehe es dem Verbraucher heute nicht mehr nur um günstige Preise. Vielmehr seien auch faire Produktions- und Arbeitsbedingungen für ihn von Bedeutung. Aufgrund dieser veränderten Ausgangsbedingungen bedürfe es einer neuen Handelsstrategie für die nächsten fünf Jahre.

Die Kommission, die sich im ersten Halbjahr mit Interessenvertretern, Abgeordneten, Mitgliedstaaten und Experten ausgetauscht hat, hat bisher drei potentielle Handlungsfelder für sich entdeckt. Die Handelspolitik müsse effektiv werden. Neue Handelshindernisse müssten beseitigt werden. Dies gelte vor allem für den weltweiten digitalen Markt, der für Verbraucher und Unternehmen leichter zugänglich werden müsse. Kleine und mittlere Unternehmen müssten mehr gefördert und Handelsabkommen müssten besser umgesetzt werden, damit die Vorteile auch die Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen erreichten. Gleichzeitig müsse Handelspolitik auch inklusiver und offener für alle Beteiligten werden.

Die neue Strategie soll Handelspolitik verantwortungsvoller machen. Die Menschen müssten sicher sein können, dass die Handelspolitik die europäischen Werte zu Hause, aber auch im Ausland fördere. Deshalb brauche es mehr Transparenz. Die EU-Vorschriften zu Sicherheit, Arbeitnehmerrechten, Gesundheits- und Verbraucherschutz, die alle Ausdruck des Respektes für die Menschenwürde und die Umwelt seien, müssen geachtet und geschützt werden und dürfen durch Handel nicht beeinträchtigt werden. Im Bereich der nachhaltige Entwicklung und Integrität, insbesondere wenn es um die Bekämpfung von Korruption gehe, sollte Europa eine Führungsrolle einnehmen. Handel sollte den Ärmsten der Welt neue wirtschaftliche Möglichkeiten bieten. Die Strategie könne dazu beitragen etwa durch die Förderungen von verantwortungsvollen Wertschöpfungsketten und einer breiten Fair Trade-Bewegung.

Das dritte Ziel sei, die Verhandlungsagenda auf den aktuellen Stand zu bringen. Ein geografischer Fokus wird dabei auf der Region Asien-Pazifik, insbesondere China, Afrika und Lateinamerika liegen. Darüber hinaus sollen diesen Herbst noch Verhandlungen mit Tunesien und Marokko beginnen. In einer Welt, in der es immer mehr bilaterale Abkommen gibt, bleibe die EU ein Verteidiger des Multilateralismus. Ziel müsse die Rückkehr zu hochambitionierten Verhandlungen innerhalb der WTO sein. Die Herausforderungen der nächsten Jahre sieht die Kommission darin, die bilateralen Systeme, die gerade verhandelt werden, zu vereinfachen und offenere Abkommen zu schaffen, damit andere Länder den Abkommen beitreten können.

Mit der neuen Handelsstrategie soll sichergestellt werden, dass die europäische Handelspolitik möglichst vielen Menschen in der EU und der gesamten Welt zugutekommt und dass die EU sich in Sachen Arbeitnehmerrechte, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung noch stärker engagieren. In Zeiten der kontroversen Debatte um CETA und TTIP bleibt abzuwarten, ob die Handelsstrategie dann hält, was die Kommission jetzt verspricht.



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