Kleines Land - große Herausforderungen: Luxemburg übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

(Katrin Hatzinger)

Am 1. Juli 2015 hat Luxemburg bereits zum zwölften Mal in seiner Geschichte den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Das kleine Land bringt also viel Erfahrung mit und die ist gefragt, angesichts der großen Herausforderungen, vor denen Europa steht. Die Prioritäten des luxemburgischen Ratsvorsitzes für die zweite Jahreshälfte 2015 lassen sich in sieben Punkten zusammenfassen:

  • Investitionen für mehr Wachstum und Beschäftigung freisetzen
  • Die soziale Dimension Europas vertiefen
  • Die Migration bewältigen, Freiheiten, Recht und Sicherheit miteinander verbinden
  • Die Dynamik des Binnenmarkts wiederbeleben durch Digitalisierung
  • Die europäische Wettbewerbsfähigkeit an einem globalen und transparenten Rahmen ausrichten
  • Das Prinzip der Nachhaltigkeit fördern
  • Die Präsenz der Europäischen Union in der Welt stärken

Aus kirchlicher Sicht sind besonders folgende Punkte der Agenda interessant: So hat sich der luxemburgische Ratsvorsitz vorgenommen, „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt“ zu fördern, sowie die Gerechtigkeit und den Sozialschutz, wie in den Verträgen dargelegt. Auch soll die soziale Dimension in der „Governance“ der Union und insbesondere in der Eurozone verbessert werden. Beabsichtigt ist ferner, sich auf den Bericht der fünf Präsidenten über die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zu stützen (siehe nachfolgender Artikel), um auf dieser Basis an der Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten. Die vier Säulen des Aufbaus der WWU (Haushalt, Wirtschaft, Bankwesen und Politik) sollen besser aufeinander abgestimmt werden, um eine Rückkehr zu Wachstum und Beschäftigung mit Solidarität und Haushaltsdisziplin zu begünstigen. Ein weiteres Ziel ist, eine stärkere politische Beteiligung von Jugendlichen zu erreichen.

Angesichts des Sterbens im Mittelmeer will der Ratsvorsitz weiterhin „entschlossen und kontinuierlich“ Maßnahmen auf der EU-Ebene voranbringen. Für den 14. September 2015 ist zudem in Brüssel ein außerordentlicher Gipfel der EU-Justiz-und Innenminister geplant, um „eine Bestandsaufnahme über den bestehenden Druck vor Ort und über die laufenden politischen Maßnahmen zu machen sowie über die nächsten Schritte zur Stärkung der europäischen Reaktion zu beraten.“ (siehe Leitartikel) Der luxemburgische Ratsvorsitz beabsichtigt ferner einen Dialog unter den Mitgliedstaaten in Gang zu setzen, um die Rechtsstaatlichkeit zu fördern und zu bewahren, was wohl auch auf die besorgniserregenden politischen Debatten in Ungarn zurückzuführen ist.

Darüber hinaus werden die Luxemburger den Beitrittsprozess der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) fortsetzen (EKD-Europa-Informationen Nr. 148). Bis Ende des Jahres soll außerdem die Reform des europäischen Datenschutzrechts abgeschlossen sein. Die zuletzt festgefahrenen Verhandlungen im Rat zur horizontalen Gleichbehandlungsrichtlinie sollen vorangetrieben werden. 

Angesichts der langjährigen Praxis als Steueroase ist es zumindest bemerkenswert, dass sich gerade Luxemburg darüber hinaus auf die Fahnen schreibt, den Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung in einen globalen Rahmen zu setzen. Die Debatte um die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) soll befördert und größtmögliche Transparenz gewährleistet werden. Auch die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind dem Vorsitz ein Anliegen. Für die internationale Klimakonferenz im Dezember in Paris soll „als Ergebnis der internationalen Verhandlungen (...) die Annahme eines neuen ehrgeizigen und zur globalen Beteiligung verpflichtenden Abkommens stehen, mit dem die Klimaerwärmung unter 2 °C gehalten werden kann.“ Der luxemburgische Ratsvorsitz will sich im Vorfeld zudem für die Annahme eines ehrgeizigen Verhandlungsmandats einsetzen und dazu beitragen, dass die Stimme der EU Gehör findet. Die Überarbeitung der Europa-2020-Strategie (EKD-Europa-Informationen Nr. 147) soll außerdem dazu genutzt werden, die „Ökologisierung des Europäischen Semesters“ fortzusetzen, damit Fragen der Nachhaltigkeit besser in das System wirtschaftspolitischer „Governance“ einbezogen werden können. Schließlich steht angesichts der veränderten weltpolitischen Lage die Ausarbeitung einer neuen außenpolitischen Strategie auf der Agenda. Nicht eben wenig für die kommenden knapp vier Monate.

Das Programm der Präsidentschaft finden Sie unter:
http://ekd.be/eu2015lu



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