„Die EU-Politik ist auf die Ratschläge der Kirche angewiesen“

(Katrin Hatzinger)

25 Jahre EKD-Büro Brüssel

Im September 1990 war es so weit: Der Kaufvertrag über das Gebäude in 1000 Brüssel auf dem Boulevard Charlemagne, Nummer 28 wurde unterzeichnet. Anlass genug, das 25-jährige Bestehen des EKD-Büros im Rahmen eines Sommerfests am 14. Juli 2015 in Brüssel mit Weggefährten, Partnern aus der europäischen Ökumene und Freundinnen und Freunden des Büros aus dem politischen Umfeld zu feiern und für das gute Miteinander über die Jahre Dank zu sagen. Da die vormaligen Leiterinnen und Leiter des Büros entweder urlaubsbedingt unabkömmlich oder aufgrund ihrer neuen Wirkungsstätten (Georgien bzw. Aserbeidschan) nicht ohne großen Aufwand anreisen konnten, standen an dem Abend neben beschwingtem Jazz und Begegnungen im Haus der EKD weniger nostalgische Rückblicke in die Vergangenheit als vielmehr Grußworte aus der Welt der EU-Politik, der europäischen Ökumene und aus der deutschen Kirchenlandschaft auf dem Programm.

Das Aufgabenspektrum des Büros und seine Ausstattung haben sich im Laufe der Jahre mit der Ausweitung der Kompetenzen der EU und der Relevanz der europäischen Entscheidungen verändert, von einem ein-Mann-Frühwarnsystem zu einer evangelischen Repräsentanz bei der EU in der Rue Joseph II, 166 mit neun festen Mitarbeitenden.

Stand in den Anfängen die Wahrung der institutionellen Interessen der EKD im Vordergrund, sind mit den weiteren Integrationsschritten und nicht zuletzt mit der ökumenischen Errungenschaft des berühmten Kirchenartikels Nummer 17 im Vertrag von Lissabon 2009 weitere Aufgabenfelder hinzugekommen. Insbesondere mischen wir uns als Dialogpartner der EU-Politik „um Gottes willen“ politisch ein, wenn Fragen von Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung betroffen sind. Dazu gehört der Einsatz für eine humane und solidarische Flüchtlingspolitik in Europa mit hohen Standards und fairen Verfahren. Daneben bieten wir zahlreiche Serviceleistungen an, Unterstützung bei der Akquise von EU-Fördermitteln etwa, Informationsdienste, Zuarbeit an EKD-Gremien, die Erstellung von Besucherprogrammen und die Konzeption und Durchführung von Veranstaltungen.

Im Angesicht der anhaltenden Wirtschaftskrise und der unsicheren geopolitischen Lage in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ist die Idee der europäischen Integration in die Defensive geraten. Europa verliert an Strahlkraft, europäisches Denken und Fühlen erodiert. Plötzlich erscheint der europäische Einigungsprozess nicht mehr irreversibel. Nationalismen werden allenthalben wieder salonfähig.
Eine Quintessenz aus meinen 12 Jahren in Brüssel ist, dass Europas Vielfalt zwar anstrengend und gelegentlich nervig ist, dass sie aber vor allem bereichert und dass die Begegnung mit und die Reibung an dem Anderen lähmender Selbstgenügsamkeit vorbeugt... und diese Erfahrung kann auch den Kirchen gelegentlich nicht schaden.

In den letzten Jahren ist es uns deshalb zunehmend ein Anliegen geworden, mit unserer Arbeit den Europagedanken zu befördern und Europa als Querschnittsthema zu etablieren, über Synodenbeschlüsse, Besuchsprogramme, die Kooperation mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag, durch Veranstaltungen und Stellungnahmen. Im ökumenischen Schulterschluss wollen wir deutlich machen, dass Europa Sache der Kirchen ist. Ein Zurück zum Nationalstaat ist nicht die Zukunft Europas, die wir uns wünschen, sondern in guter reformatorischer Tradition ein Zurück zu Christus.

So wie die beiden großen Kirchen das Reformationsjubiläum 2017 als gemeinsames Christusfest feiern und die Verbundenheit über Konfessionsgrenzen hinweg deutlich machen wollen, sollte auch in Europa die Botschaft lauten, dass Einheit in Vielfalt gelingen kann.

Als EKD-Vertretung wollen wir hier im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beitragen, die Kluft zwischen Europa und den Bürgerinnen und Bürgern zu überwinden und die Stärke des gemeinsamen Handelns in „versöhnter Verschiedenheit“ deutlich machen. Dieses ehrgeizige Unterfangen wäre nicht denkbar ohne ein gutes ökumenisches Miteinander und die fruchtbare Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen von Nichtregierungsorganisationen, politischen Stiftungen, Ländervertretungen und Gewerkschaften und nicht durch zuletzt die Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen selbst.

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger sprach sein Grußwort von der Warte des engagierten evangelischen Christen aus und dankte der Dienststelle für ihr langjähriges und vielfältiges Engagement. Die Politik sei auf die Ratschläge der Kirchen angewiesen. Die EU-Kommission sei an „klaren programmatischen Aussagen und Forderungen, aber auch an Problemlösungen seitens der Kirchen und Religionsgemeinschaften interessiert“, gerade in der Frage der Asylpolitik. Er betonte die konstruktive Haltung der evangelischen Kirche in der politischen Debatte und ihren Beitrag zur Stärkung des europäischen Zusammenhalts. Der evangelischen Kirche sei eine antieuropäische Einstellung per se fremd, da sei er sich gewiss. Schließlich warb er darum, mehr kirchliche Gruppen nach Brüssel einzuladen, um die EU aus eigener Anschauung zu erleben: „Ich kann nur darum bitten: Bringen Sie noch öfter als bisher Ratsvorsitzende, Bischöfe, Kirchenmitglieder zu uns.“

Der anglikanische Bischof der Diözese in Europa, Dr. Robert Innes betonte die freundschaftlichen Bande zum EKD-Büro und unterstrich die Bedeutung der Kooperation im Alltag in Brüssel. Darüber hinaus hob er das gute Miteinander zwischen EKD und der Church of England im Rahmen der Meissen-Kommission hervor und das europapolitische Engagement seiner Kirche, nicht zuletzt durch den Präsidenten der Konferenz Europäischer Kirchen, Bischof Christopher Hill.

Dr. Stephan Iro, der stellvertretende Bevollmächtigte des Rates der EKD strukturierte sein Grußwort nach den Kapiteln Geschichte, Verfassung, Werte und ging u. a. auf die Koinzidenz der Büroeröffnung 1990 und die Wiedervereinigung Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ein. Dr. Gabriela Schneider schließlich überbrachte Glückwünsche von katholischer Seite und erläuterte in humorvoller Weise die Verwandschaftsverhältnisse zwischen dem Katholischen Büro in Berlin und der Brüsseler Dienstelle des Bevollmächtigten und befand, dass sich das Büro nun mit 25 Jahren zu „einem ansehnlichen und kraftvollen Teen“ gemausert hätte.



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