Asyl & Migration

Intelligente Grenzen: Altes System – neue Dynamik

(Julia Maria Eichler)

Vom 29. Juli bis zum 29. Oktober 2015 hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zu dem Gesetzespaket „Intelligente Grenzen“ durchgeführt. Das Paket war bereits 2013 von der Europäischen Kommission veröffentlich worden und sieht im Einzelnen für Drittstaatsangehörige die Einführung eines Einreise-/Ausreisesystems (Entry/Exit-System) sowie eines Registrierungsprogramms für Reisende vor (EKD-Europa-Informationen Nr. 144 und 148). Nachdem das Paket weder im Europäischen Parlament noch im Ministerrat auf Zustimmung traf, kündigte die Kommission an, 2016 einen neuen und verbesserten Gesetzesvorschlag vorzulegen.

Dessen Vorbereitung diente die öffentliche Konsultation, aus deren Ausrichtung deutlich wurde, dass die allgemeine Zielrichtung des Paketes bestehen bleiben wird. Angestrebt werden die Verbesserung des Managements der externen Grenzen, die Bekämpfung der irregulären Migration und das Erlangen von Informationen über Personen, die länger als für die zulässige Dauer des Aufenthalts im Schengenraum bleiben. Die Konsultation konzentrierte sich daher auf die bisher bekannten strittigen Punkte und fragte etwa nach der Nutzung von biometrischen Daten, der Dauer der Datenspeicherung, dem Zugang von Strafverfolgungsbehörden und der Abschaffung von Passstempeln.

Das EKD-Büro nahm an der Konsultation teil und sprach sich gegen die massenhafte Speicherung von Daten und gegen die Nutzung von biometrischen Daten aus. Bei jeder Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten müsse der Grundsatz der Zweckbindung von Daten beachtet werden. Daten, die zur Erfassung und Dokumentation der Ein- und Ausreise eines Drittstaatsangehörigen erhoben würden, dürften nicht zweckentfremdet werden. Insbesondere müsse der Zugang von Strafverfolgungsbehörden ausgeschlossen werden. Das Büro wies auch darauf hin, dass ein Entry/Exit-System eine mögliche legale Einreise für Flüchtlinge durch einen zusätzlichen finanziellen und administrativen Aufwand erschweren würde. Von Anfang an sei der Nutzen des Vorschlages unklar gewesen. Insbesondere in Anbetracht der massenhaften anlasslosen Datenerhebung sei zudem die Verhältnismäßigkeit fraglich. Vor allem da ähnliche Systeme mit dem Schengen-Informationssystem und dem Visa-Informationssystem bereits existierten, deren Funktion bisher nicht evaluiert worden sei.

Folgt man der Konsultation, so scheint sich das neue Gesetzespaket inhaltlich kaum von dem alten zu unterscheiden. Doch in einer Debatte im Europäischen Parlament am 28. Oktober 2015 offenbarte sich, dass die Kommission mit einer neuen Perspektive auf das Gesetzespaket schaut.

Der Versuch des Kommissars für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulus, den Abgeordneten des Parlaments den verbesserten Gesetzesvorschlag schmackhaft zu machen, wurde noch von der Mehrheit im Parlament abgelehnt. Ska Keller (Bündnis90/Die Grünen) nannte den Einsatz des „Smart Borders“-Systems in der Flüchtlingskrise einen „schlechten Witz“. Vielmehr sei dies nur ein „weiterer Baustein in der Festung Europa“. Die Millionen, die für das System benötigt werden, würden der Überwachungsindustrie zugutekommen, nicht den Flüchtlingen.

Eine neue Dynamik erhielt die Diskussion über „Smart Borders“ durch die Mitgliedsstaaten. Hatten diese schon immer den Zugang zu der Datenbank für Strafverfolgungsbehörden gefordert, wurde zwischenzeitlich ein Vorschlag der französischen Delegation bekannt. Danach solle Smart Borders nicht nur für Drittstaatsangehörig genutzt werden, sondern darüber hinaus auf alle Reisende – auch Unionsbürger – ausgeweitet werden. Dieser Vorschlag erhält durch die November-Anschläge in Paris Aufwind. In seinen Schlussfolgerungen vom 20. November 2015 fordert der Justiz- und Innenministerrat die Kommission auf, „bei der Überarbeitung ihrer Vorschläge für intelligente Grenzen einen Vorschlag für eine gezielte Änderung des Schengener Grenzkodex“ vorzulegen, „der die systematische Kontrolle von Unionsbürgern an den Außengrenzen des Schengen-Raums anhand der einschlägigen Datenbanken, einschließlich der Überprüfung biometrischer Daten, vorsieht“.

Ob der neue Vorschlag nun Drittstaatler und/oder Unionsbürger erfassen wird und ob der Vorschlag allein der Bekämpfung irregulärer Migration oder der Terrorismusbekämpfung dienen soll, bleibt bislang offen. Klar ist aber schon jetzt, dass die Anschläge von Paris jede Art von sicherheitspolitische Maßnahmen befördern werden.

Die Schlussfolgerungen des Rates finden Sie unter: http://ekd.be/Rat-Terrorismusbekämpfung



erweiterte Suche