Zukunft der EU

Wirtschafts- & Währungsunion: Konkrete Schritte Richtung Vollendung

(Julia Maria Eichler, Juristische Referentin)

Am 21.Oktober 2015 hat die Europäische Kommission erste konkrete Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion vorgestellt. Der Fahrplan für diese Vertiefung war federführend von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in dem sog. „fünf Präsidentenbericht“ aufgestellt worden (EKD-Europa-Informationen Nr. 149). Für die erste Phase, die am 1. Juli 2015 begann, ist eine „Vertiefung durch Handeln“ vorgesehen. Auf vorhandene Maßnahmen soll aufgebaut werden und bestehende Verträge bestmöglich genutzt werden.

Das nun veröffentlichte Paket beinhaltet Ankündigungen und Vorschläge in vier Bereichen:

Die Außenvertretung der Eurozone soll einheitlicher gestaltet werden. Der von der Kommission nun vorgelegte Fahrplan sieht vor, dass die Euro-Gruppe zukünftig nur mit einer Stimme etwa im Internationalen Währungsfond durch den Präsidenten der Euro-Gruppe vertreten werden soll. Dadurch soll ein stärkerer und kohärenterer Beitrag des Euro-Währungsgebietes zur globalen Wirtschaftsstabilität geleistet werden.

Die Bankenunion soll vollendet werden. Hierzu bedarf es vor allem der Schaffung eines europäischen Einlagensicherungssystems. Für die ersten Schritte dahin soll bis zum Jahresende ein Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt werden. Darüber hinaus bedarf es auch weiterer Maßnahmen zum Abbau von Risiken im Bankensystem. Die Kommission wird z.B. ein besonderes Augenmerk auf die vollständige und zügige Umsetzung der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und der Einlagensicherungsrichtlinie durch die Mitgliedsstaaten legen.

Die Kommission verfolgt auch beim Europäischen Semester einen neuen Ansatz. Bereits in diesem Jahr änderte die Kommission den Zeitplan des Europäischen Semesters. So wurden die Länderberichte bereits im Februar veröffentlicht, um mehr Raum für Diskussionen zur Verfügung zu stellen. Zukünftig soll die das gesamte Währungsgebiet umfassende Komponente im Europäischen Semester gestärkt werden und der Fokus nicht mehr nahezu ausschließlich auf die einzelnen Länder gelegt werden. Deshalb plant die Europäische Kommission, die Diskussionen und Empfehlungen zum Euro-Währungsgebiet den Diskussionen über die einzelnen Länder vorausgehen zu lassen. So sollen „europäische“ Herausforderungen bei den länderspezifischen Maßnahmen berücksichtigt werden können. Auch soll ein stärkerer Fokus auf Beschäftigung und Soziales gerichtet werden. Ein Mittel hierfür sei die stärkere Einbindung der Sozialpartner, etwa in die Ausarbeitung der nationalen Reformprogramme. Darüber hinaus plant die Kommission, eine europäische Säule sozialer Rechte zu entwickeln. Auch Benchmarks und vergleichende Untersuchungen zwischen Politik- und Themenbereichen sollen für mehr Konvergenz im Euro-Gebiet sorgen.

Um die wirtschaftspolitische Steuerung zu verbessern, empfiehlt die Kommission den Mitgliedsstaaten, nationale Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit einzurichten, die die Entwicklungen und Maßnahmen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit verfolgen sollen. Die Resultate dieser Beobachtungen sollen jährlich veröffentlicht werden. Die Ausschüsse könnten dabei in ihrer Struktur den Besonderheiten der Mitgliedsstaaten angepasst werden, müssen aber bestimmte Mindestbedingungen erfüllen und dürfen die Rolle der Sozialpartner nicht unterminieren. Zudem hat die Kommission beschlossen, einen Europäischen Fiskalausschuss als unabhängiges Gremium bei der Kommission anzusiedeln. Er soll aus fünf renommierten Experten bestehen und die Umsetzung des haushaltspolitischen Rahmens der EU bewerten; Empfehlungen dazu abgeben, welcher haushaltspolitische Kurs für den Euro-Raum insgesamt angemessen ist; mit den nationalen Räten für Finanzpolitik der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und auf Ersuchen des Präsidenten Ad-hoc-Stellungnahmen abgeben. Die vorgeschlagenen Ausschüsse sollen bis Mitte 2016 tätig werden.

Ebenfalls Mitte 2016 soll eine Expertengruppe eingesetzt werden, die die rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Vorbedingungen für die im „Bericht der fünf Präsidenten“ angekündigten längerfristigen Vorschläge prüfen soll. Die Kommission plant im nächsten Jahr darüber hinaus, eine umfassende Konsultation über die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion durchzuführen.

Eine weitere Priorität der Kommission in diesem Rahmen ist die Kapitalmarktunion. Bereits am 30. September 2015 hat die Kommission einen Aktionsplan veröffentlicht, um die Investitionsschwäche, die in Europa nach der Wirtschafts- und Finanzkrise weiterhin andauert, zu überwinden, in dem vor allem Finanzierungsquellen diversifiziert werden. Die Kapitalmarktunion soll der Schaffung von mehr Anlagemöglichkeiten dienen. Durch eine verbesserte Kanalisierung von Kapital und Investitionen sollen alle 28 Mitgliedsstaaten profitieren. Eine größere Finanzierungsquellenvielfalt und mehr langfristige Investitionen würden das Finanzsystem stärken und krisenfester machen. Außerdem könne mit der Kapitalmarktunion auch eine stärkere Finanzintegration und damit eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden. Konkret schlägt die Europäische Kommission einen Rechtsrahmen für Verbriefungen als handelbare Wertpapiere vor, der u.a. eine Verordnung zu Verbriefungen einschließt. Diese enthält Sorgfaltspflichten, Selbstbehaltsvorschriften und Transparenzpflichten sowie Kriterien für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen.

Jeweils bis zum 6. Januar 2016 führt die Kommission öffentliche Konsultationen im Rahmen des Aktionsplanes durch. Die erste Konsultation konzentriert sich auf die Verordnung über Europäische Risikokapitalfonds und die Verordnung über europäische Fonds für soziales Unternehmertum. Die Konsultation fragt danach, ob es Änderungsbedarf an den Fonds gibt, die es privaten Sparern einfacher machen, in nicht börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen zu investieren, um deren Nutzung zu fördern. Die zweite Konsultation führt die Kommission zu einem europaweiten Rahmen für gedeckte Schuldverschreibungen durch. Die dritte hat die Gesamtwirkung der Finanzmarktgesetzgebung zum Gegenstand. Die Kommission möchte die Aus- und Wechselwirkungen, Inkohärenzen und unnötige regulatorische Belastungen der geltenden Finanzmarktvorschriften untersuchen.

Die erste Kritik für diese Pläne ließ nicht lange auf sich warten. So verwies der Europaabgeordnete Sven Giegold (Bündnis90/Die Grünen) darauf, dass die Kapitalmarktunion zwar „ein Fortschritt für Europas Wirtschaft „sei. Sie dürfe aber nicht zu einer „Deregulierungswelle an den Finanzmärkten missbraucht werden“. Vielmehr seien „gemeinsame Regeln bei Kapitalmarktaufsicht, Steuern, Vertrags- und Bilanzierungsrecht nötig“. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble steht vor allem dem Europäischen Einlagensicherungssystem kritisch gegenüber, da er befürchtet, dass das deutsche Bankensicherungssystem spürbar geschwächt
werden könnte.

Die Mitteilung der Europäischen Kommission zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion finden Sie unter:
http://ekd.be/emu-steps_de

Den Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Kapitalmarktunion finden Sie unter:
http://ekd.be/action-plan-Kapitalmarkt



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