ISDS 4.0 ? Kommission legt Vorschlag zur Investitionsgerichtsbarkeit vor

(Julia Maria Eichler)

Am 12. November 2015 hat die Europäische Kommission ihren Textvorschlag zur Reform des Investor- Staat-Streitbeilegungsmechanismus (ISDS) im Rahmen der Verhandlungen über das Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) an die USA übermittelt. Die Verhandlung über den ISDS waren nach der starken öffentlichen Kritik im Januar 2014 zunächst ausgesetzt worden. Die zuständige Handelskommissarin Cecilia Malström stellte daraufhin bereits im März 2015 erste Reformvorschläge vor, die das Recht der Staaten auf Regulierung, die Vermeidung von Interessenkonflikte bei Schiedsrichtern, Schaffung einer Berufungsinstanz und das Verhältnis zum nationalen Rechtsweg umfassten. Einen ersten konkreten Vorschlag hatte die Europäische Kommission zwar bereits am 16. September 2015 veröffentlicht, aber nach Beratungen mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten noch einmal nachgebessert.

Der Textvorschlag der EU-Kommission unterteilt sich in einen Abschnitt zum Investitionsschutz und einen zur Investitionsgerichtsbarkeit. Im Übrigen werden aber die bereits genannten vier Reformbereiche aufgegriffen.

So enthält der EU-Vorschlag das Recht des Staates, dem Gemeinwohl dienende Vorschriften zu erlassen, auch wenn durch die Änderung die Gewinnerwartungen des Investors beeinträchtigt werden könnten. Als legitime politische Ziele werden etwa die öffentliche Gesundheit, der Verbraucherschutz und der Schutz von kultureller Vielfalt genannt. Darüber hinaus sind für Investoren Garantien vorgesehen, deren Verletzung die Investoren vor der neuen Investitionsgerichtsbarkeit (ICS) geltend machen können, so etwa die allgemeine Garantie einer gerechten und billigen Behandlung.

Das bisherige ISDS-System soll durch eine neue Investitionsgerichtsbarkeit ersetzt werden, bestehend aus einem Gericht erster Instanz mit 15 öffentlich bestellten Richtern (Investitionsgericht) und einem Berufungsgericht mit sechs öffentlich bestellten Mitgliedern. Die Richter erster Instanz sollen, ebenso wie die Mitglieder des Berufungsgerichts, von der EU und den USA ernannt werden und dabei zu gleichen Teilen aus der EU, den USA und Drittländern kommen. Sie sollen eine hohe fachliche und juristische Qualifikation aufweisen. Um die Befangenheit der Richter auszuschließen, soll die Verteilung der Fälle untereinander nach dem Zufallsprinzip erfolgen. Verfahren von kleinen und mittleren Unternehmen oder Verfahren mit geringem Streitwert sollen darüber hinaus vor einem Einzelrichter verhandelt werden können. Neu ist, dass die Möglichkeit der Mediation eingeführt werden soll.

Weder die Richter noch Mitglieder des Berufungsgerichts dürfen im Zusammenhang mit Investitionsstreitigkeiten nach dem Willen der EU-Kommission als Rechtsberater tätig sein. Die Berufungsgründe sollen auf Fälle beschränkt werden, in denen sich das Investitionsgericht in der Interpretation oder Anwendung des in TTIP anwendbaren Rechts irrt, bei offensichtlichen Fehlern in der Würdigung von Tatsachen oder verfahrensrechtliche Gründe.

Die Auslegung einzelstaatlichen Rechts durch das Investitionsgericht soll für nationale Gerichte keine Bindungswirkung entfalten. Das Investitionsgericht soll der Auslegung nationaler Bestimmungen durch die nationalen Gerichte folgen und erhält keine Zuständigkeit über die Rechtsmäßigkeit einer Maßnahme unter dem jeweiligen nationalen Recht zu bestimmen. Die Verfahren sollen innerhalb von zwei Jahren – beide Instanzen inbegriffen – abgeschlossen werden. Der nationale Rechtsweg steht den Investoren weiterhin offen. Bevor jedoch eine Klage beim Investitionsgericht eingereicht werden kann, müsste eine vor einem nationalen Gericht anhängige Klage zurückgezogen werden. Daneben ist auch ein Interventionsrecht für natürliche und juristische Personen vorgesehen, wenn diese ein direktes Interesse nachweisen können.

Vor allem durch die neugeschaffene Berufungsinstanz und die Berufungsgründe wird die Rechtssicherheit, aber auch die Kontrolle der Schiedsrichter gestärkt. Auch dass die Auswahl der Richter und Mitglieder nicht länger durch die Investoren beeinflusst werden kann, ist positiv zu bewerten. Die grundsätzliche Kritik an den ausschließlich für Investoren vorgesehenen Klagerechten kann die Reform nicht beseitigen. Zudem ist weiterhin vorgesehen, dass in seltenen Ausnahmefällen politische Maßnahmen, die im Allgemeinwohlinteresse erfolgen, eine indirekte Enteignung darstellen können mit der Folge, dass ausländische Investoren Schadenersatz gelten machen können.

Umgekehrt werden den Investoren keine entsprechenden durchsetzbaren Pflichten auferlegt, etwa zur Beachtung von Menschen-, Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten sowie Gesundheits- und Umweltschutzstandards. In TTIP soll zwar ein neues Nachhaltigkeitskapitel aufgenommen werden, dieses sieht aber bisher keine verbindlichen Verpflichtungen für Investoren vor. Die Kommission wird nun die Verhandlungen mit den USA aufnehmen. Parallel sollen die Arbeiten an der Einrichtung eines ständigen internationalen Investitionsgerichthofs begonnen werden.

Den Vorschlag finden Sie in Englisch unter: http://ekd.be/TTIP-Investmentprotection



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