Entwicklungspolitik

Konsultationsphase zu einer neuen Partnerschaft zwischen der EU und den AKP-Staaten

(Amélie Seifert, Praktikantin)

Am 6. Oktober 2015 hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zur Partnerschaft zwischen der EU und den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten) eingeleitet. Da das derzeit gültige EUAKP- Abkommen von Cotonou aus dem Jahr 2000 im Jahr 2020 auslaufen wird, soll eine Bestandsaufnahme des derzeitigen Partnerschaftsabkommen Klarheit bringen, inwieweit das Abkommen noch zukunftstauglich ist und als Plattform zur Förderung der gemeinsamen Interessen dienen kann. Überprüft werden sollen daher die Prämissen, auf denen die Partnerschaft beruht sowie der Anwendungsbereich, die Instrumente und die Mechanismen der Partnerschaft.

Das Cotonou-Abkommen regelt die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten, die bereits seit 1963 bestehen. Die vorrangigen Ziele des Abkommens von Cotonou sind die Verringerung und langfristige Beseitigung der Armut sowie die schrittweise durchgeführte Eingliederung der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft, im Einklang mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung. Diese Ziele sollen durch eine umfassende wirtschaftliche, handelspolitische und finanzielle Zusammenarbeit mit den Partnerländern erreicht werden.

Bis zum 31. Dezember 2015 können sich Bürger, Unternehmen, Behörden und Organisationen zu den mehr als 40 Fragen äußern. Themengebiete wie Entwicklungszusammenarbeit, Handel, Demokratie, Frieden, Sicherheit, Terrorismusbekämpfung und Mobilität stehen auf der Agenda. Die Ergebnisse der Konsultation werden in die für das Jahr 2016 von der Kommission geplante Analyse einfließen, die einem neuen Vorschlag für die Partnerschaft vorausgehen soll.

Die öffentliche Konsultation in englischer Sprache finden Sie unter: http://ekd.be/EU-ACP-new_partnership

„…damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen“

Am 20. Oktober 2015 hat das EKD-Büro Brüssel zur Diskussion über die Studie der Kammer der EKD zur nachhaltigen Entwicklung zum Thema „Entwicklung neu denken?! - Orientierung für die Entwicklungszusammenarbeit aus evangelischer Perspektive“ eingeladen.

Oberkirchenrätin Katrin Hatzinger, Leiterin des EKD-Büros Brüssel, hob in ihrer Begrüßung die Erforderlichkeit der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs) der Agenda-2030 hervor. Mit der Verabschiedung der nachhaltigen Entwicklungsziele durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 25. September 2015 in New York habe sich die internationale Gemeinschaft für viele überraschend auf eine Agenda zur Armutsbekämpfung und für nachhaltige Entwicklung einigen können.

Aufbauend auf den Millenniumsentwicklungszielen (Millennium Development Goals – MDGs) enthält die Agenda-2030 17 ehrgeizige Ziele für nachhaltige Entwicklung mit 169 Unterzielen. Während die MDGs vor allem auf die Verringerung der Armut in den Entwicklungsländern ausgerichtet waren, soll das neue Zielsystem ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen vereinen und damit auf einer breiteren Grundlage nachhaltiger Entwicklung weltweit basieren. Die Agenda-2030 gilt für alle Entwicklungs- und Industrieländer gleichermaßen. Dies stellt eine Neuerung zu den MDGs dar, denn diese verpflichteten bis auf ein Ziel nur die Entwicklungsländer.

In diesen Kontext füge sich, so Frau OKR‘in Katrin Hatzinger, die aktuelle Studie der Kammer für nachhaltige Entwicklung des Rates der EKD ein. Diese präsentiere eien evangelische Perspektive auf die Frage, unter welchen Bedingungen ein gutes Leben für alle Menschen unter Wahrung der Grenzen der natürlichen Lebensgrundlagen möglich sei. Zudem erläutere sie die Maßstäbe, die den Leser auf dem Weg zu einem neuen Verständnis zu einer global gerechten und zukunftsfähigen Entwicklung leiten können.

Die Auslandsbischöfin der EKD, Petra Bosse-Huber, führte in die Studie der Kammer für nachhaltige Entwicklung ein. Die Studie solle einen Beitrag zur ökumenischen Diskussion über gutes Leben leisten. Gott wolle, dass alle Menschen genug zum Leben haben. Dies sei eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit und könne nur durch ein post-fossiles und klimafreundliches Demokratie- und Wohlstandsverständnis erreicht werden. Die Grenzen unseres Wachstumsmodells seien erreicht, doch nur einige wenige Länder seien privilegiert. Schon 1972 habe dies die Studie „The Limits to Growth“ im Auftrag von Club of Rome thematisiert. Die Debatte um gutes Leben für alle werde seit einigen Jahren in vielen christlichen Kirchen, Gruppen und Bewegungen global geführt. Es sei inakzeptabel, dass Menschen auf Kosten anderer leben, daher sei Verzicht notwendig. Mit der Verabschiedung der SDGs seien wichtige politische Weichen gestellt worden, allerdings fehle es an der Verbindlichkeit für die Staaten und präzisen Formulierungen. Die Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft seien vielfältig. Internationale Kooperation erfordere Vertrauen, Kommunikation und die Einhaltung gemeinsamer Regeln. Im Vordergrund der internationalen Kooperation und Verständigung stehen die Friedenssicherung und die Wahrung der Menschenrechte als Mindeststandards staatlichen Handels. Die Studie solle ernst genommen werden, um die Chancen zu nutzen und die ehrgeizigen und universellen SDGs umzusetzen.

In der sich anschließenden Diskussion, die von der freien Journalistin und Medientrainerin Monika Hoegen moderiert wurde, lag der Fokus auf der Bedeutung der SDGs und der Relevanz kirchlichen Handelns bei deren Umsetzung. Klaus Rudischauser, Stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung in der EU-Kommission, sprach zunächst von der bewegenden Atmosphäre, die in New York bei der Verabschiedung der SDGs geherrscht habe. Es sei beeindruckend gewesen, dass sich alle Staatsund Regierungschefs auf solch eine umfassende Agenda hätten einigen können. Er bemängelte allerdings, dass die Zivilgesellschaft und die Bürger in die Vorbereitung der SDGs zu wenig involviert gewesen seien, obwohl gerade sie für die Umsetzung der Ziele verantwortlich seien. Daher habe die Studie der Kammer für nachhaltige Entwicklung einen Mehrwert. Sie breche die Umsetzung der SDGs auf den Einzelnen herunter. Innerhalb der Kommission müsse nun an einem Plan zur Umsetzung gearbeitet werden. Dafür sei es notwendig, dass alle Generaldirektionen zusammenarbeiten, um eine hohe Politikkohärenz zu erreichen. Die SDGs müssten zum Beispiel in die Europa 2020-Strategie, die Beschäftigungs- und Wachstumsstrategie der Europäischen Union, eingearbeitet werden, um größere Fortschritte hinsichtlich der 17 Ziele zu erreichen.

Arne Lietz, Mitglied im Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments für die SPD, wies auf die Bedeutung der Indikatoren für eine erfolgreiche Messung der Umsetzung der SDGs hin. Sie werden derzeit ausgearbeitet und sollen im März 2016 vorgestellt werden. Es sei jetzt jedes einzelne Land gefragt, die SDGs umzusetzen. Deutschland habe sich bereit erklärt, sich als eines der ersten Länder bezüglich der Einhaltung der SDGs überprüfen zu lassen. Allerdings seien nun auch die Politiker gefragt, um die SDGs und ihre Umsetzung bei den Bürgerinnen und Bürgern und der Zivilgesellschaft bekannt zu machen. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre ein besserer und höherer Austausch zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten. Auch die Kirchen könnten einen Beitrag leisten. Der Abgeordnete forderte die Kirchen auf, die SDGs mindestens einmal im Jahr im Kirchengemeinderat auf die Agenda zu setzen und sie für jede Gemeinde auf Erfüllung hin zu überprüfen. Thilo Hoppe, Vorsitzender der Kammer für nachhaltige Entwicklung der EKD und entwicklungspolitischer Beauftragter von Brot für die Welt, war wie Herr Rudischauser live in New York bei der Verabschiedung der SDGs dabei. Für ihn sei es ein „diplomatischer Unfall“, dass die teils sehr ambitionierten Ziele international akzeptiert worden seien. Ein maßgebliches Problem bei den Indikatoren sei, dass diese nicht öffentlich diskutiert würden. Es bestünde die Gefahr, dass durch die falsche Auswahl der Indikatoren die ambitionierten Entwicklungsziele unterminiert werden würden. Man müsse sich auch in Deutschland klar werden, dass durch die Umsetzung der SDGs Zielkonflikte entstehen. So könne man etwa die Förderung der Kleinbauern in Afrika und die Förderung von Milchexporten nicht miteinander vereinen. Auch die Kirche müsse ihr Handeln überprüfen, etwa wenn es um die Textilbeschaffung für Kirchenräume gehe. Die Textilindustrie vor allem in Asien verstoße gegen die SDGs und die Menschenrechte, daher solle eine faire Beschaffung von Textilien auch in der Kirche Einzug halten. Er erhoffe sich, dass der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung des Deutschen Bundestages in Deutschland aufgewertet werde, da dieser dazu dienen könne, die Zielerreichung besser zu kontrollieren.

Viel Aufmerksamkeit erhielt die Frage nach einer Ethik des Genug und einem neuen Wachstumsbegriff sowie dem damit einhergehenden Systemwechsel. Klaus Rudischauser betonte, dass es nicht lediglich ein Wirtschaftsmodell gebe, das zur Umsetzung der SDGs fähig sei. Nicht jedes Land könne dieselben Maßnahmen durchführen, um die SDGs zu erreichen. Jedes Land müsse seine Schwerpunkte bei der Umsetzung anders legen. Dem widersprach Thilo Hoppe, der betonte, dass alle Länder alle Ziele erreichen müssten und nicht nur Schwerpunkte ihrer Wahl setzen dürften. Für Arne Lietz war es insbesondere wichtig, dass die Menschenrechte, die in den SDGs unzureichend abgebildet seien, weiterentwickelt würden. Klaus Rudischauser betonte abschließend, dass sich die EU-Kommission für eine gerechtere Besteuerung von multinationalen Konzernen einsetzen wolle.

Die Studie der Kammer für nachhaltige Entwicklung finden Sie unter: http://ekd.be/EKD-Texte-122

Die Ziele für nachhaltige Entwicklung in englischer Sprache finden Sie unter: http://ekd.be/UN-substainable_development



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