Jugend, Bildung und Kultur

Jugend in Europa: Dritter Europäischer Jugendbericht gibt Auskunft

(Doris Klingenhagen, Referentin für Jugend- und

Die Europäische Kommission hat am 16. September 2015 den dritten EU-Jugendbericht als „joint report“ von EU-Rat und EU-Kommission veröffentlicht. Zum gemeinsamen Bericht wurde er schließlich ganz offiziell durch die Annahme im EUJugendministerrat am 23. November 2015. Auf der Grundlage des Berichts schlagen EU-Jugendministerrat und EU-Kommission gemeinsam für die Jahre 2016 bis 2018 drei Themenschwerpunkte vor:
1. Die Verbesserung der sozialen Integration aller jungen Menschen, vor allem von NEETs (weder in Arbeit noch in Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahmen) und jungen Menschen mit Migrationshintergrund einschließlich der jungen Menschen, die als Geflüchtete neu nach Europa kommen,
2. Die Verstärkung der Partizipation aller jungen Menschen an demokratischen Entscheidungen und im öffentlichen Leben, besonders der von marginalisierten jungen Menschen,
3. Die Erleichterung der Integration in den Arbeitsmarkt für alle jungen Menschen, besonders von langzeitarbeitslosen jungen Menschen und Jugendlichen im Übergang.

Der Bericht zur Situation der 90 Millionen jungen Menschen in der EU skizziert ein umfassendes Bild. Seit 2013, dem Zeitpunkt des letzten Berichts, gibt es zunächst Positives zu berichten. So wuchs die Rate der jungen Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen zwischen 15 und 29 Jahren von 33,8 Prozent auf 37,9 Prozent an. 82 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen beteiligen sich in sozialen Online-Netzwerken, viele engagieren sich in neuen politischen Partizipationsformen, 50 Prozent sind Mitglied in einer Organisation und 25 Prozent sind ehrenamtlich aktiv.

Für andere allerdings haben sich die Auswirkungen der ökonomischen Krise noch verschärft. Jugendliche mit Migrationshintergrund, mit geringer Bildung oder gesundheitlichen Problemen bergen eine höhere Wahrscheinlichkeit, zur Gruppe der 13,7 Mio. NEETs zu zählen. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind von Arbeitslosigkeit zu fast 50 Prozent mehr betroffen als andere junge Menschen. Dies hat Auswirkungen auf das soziale und politische Leben. Denn diese Jugendlichen finden es schwierig, ihren politischen Willen zu artikulieren. Und je weniger gebildet sie sind, desto weniger gehen sie wählen oder beteiligen sich an freiwilligen Aktivitäten. So beschreibt der Bericht eine große Schere, die sich durch die Krisensituation weiter geöffnet hat. Die Verhältnisse teilen die jungen Menschen zwischen 15 bis 29 Jahren in die Gruppe derjenigen, die studieren, sicher sein können , einen Job zu finden, und die sich im sozialen, politischen oder kulturellen Leben engagieren, sowie diejenigen, die kaum Hoffnung auf ein erfüllendes Leben haben und denen Ausgrenzung und Marginalisierung droht. Nicht ein einziger Politikbereich, sondern nur mehrere gemeinsam können diese Situation verbessern, appelliert die EU-Kommission. Deshalb schlägt sie einen Bogen von arbeitsmarkt- über bildungs- hin zu jugendpolitischen Maßnahmen. Die EU und die Mitgliedstaaten müssten die EU-Jugendgarantie und den Europäischen Sozialfonds nutzen, um Beschäftigung und Wachstum zu fördern und damit auch qualifizierte Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen. Bildungs- und Ausbildungspolitik sollen helfen, das Potenzial der Jugendlichen zu fördern und damit deren sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Der Jugendpolitik falle die Aufgabe zu, „den richtigen Mix“ von Fähigkeiten zu erlangen, der für das Leben und die Arbeit vorbereite. Bei diesem Mix sollen auch gesellschaftliche – europäische – Werte mitgedacht werden, die nach längerer Zeit der Konzentration auf die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen wieder ausdrückliche Erwähnung finden. Unter dem Eindruck der Anschläge von Paris wird betont, dass junge Menschen auf der Basis demokratischer Werte, in integrativen und pluralistischen Gesellschaften, Toleranz, Diversität und gegenseitigem Respekt erfahren und lernen müssen, um Radikalisierung und Gewalt zu verhindern.

Ein Teil des Jugendberichts beschäftigt sich mit der bisherigen Umsetzung der EU-Jugendstrategie. Die Jugendarbeit genießt in der EU hohe Priorität. 80 Prozent der Mitgliedstaaten fördern Jugendarbeit und Jugendzentren, 27 Mitgliedstaaten setzen den Strukturierten Dialog um. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass gleichzeitig Mittel gekürzt und Jugendliche in prekären Lebenssituationen nur unzureichend erreicht werden. Die Berichte der Mitgliedstaaten zeigen, dass die EUJugendstrategie eine solide Basis der jugendpolitischen Kooperation in der EU darstellt. Der Bericht schließt mit der Aussage, dass es eine „ultimative, dringende Notwendigkeit gebe, die Bemühungen zu verstärken“, und ein „umfassender Ansatz“ nötig sei, um die Lebenslagen der jungen Menschen in der EU zu verbessern.

Den dritten Jugendbericht nahm das Europäische Jugendforum zum Anlass, 38 seiner Mitglieder (nationale Jugendringe und internationale Jugendorganisationen) nach ihrer Wahrnehmung der Situation von jungen Menschen zu befragen. Die Ergebnisse fanden Eingang in den Schattenbericht „shadow report on youth policy – a youth perspective“, der am 29. Oktober 2015 in Brüssel veröffentlicht worden ist. Übereinstimmend mit der EU-Kommission Folsowie dem EU-Jugendministerrat wird auch hier deutlich, dass Jugendpolitik in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebenslagen junger Menschen geleistet hat. Dennoch seien junge Menschen weiterhin am meisten von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Jugendpolitik müsse deshalb stärker die Themen und Bereiche in den Mittelpunkt rücken, die verhindern, dass Jugendliche keine Beachtung finden und ihr Potential nicht voll entfalten können. Ergänzend betont der Schattenbericht, dass 40 Prozent der nationalen Jugendringe die Qualität von Praktika in ihrem Land sehr niedrig bewerten. Zudem wurde festgestellt, dass Schulen und Universitäten den non-formalen Bildungssektor weitgehend ignorieren. Eine gute Kooperation zwischen den Sektoren wird flächendeckend vermisst. Der Bericht mahnt an, dass Jugendpolitik rhetorisch sorgsamer im Umgang mit bestimmten Zielgruppen (z.B. junge Menschen mit Migrationshintergrund) sein sollte, um nicht ganze Gruppen zu stigmatisieren und andere auszuschließen. Ebenso sollte die Bedeutung von Jugendorganisationen als Brückenbauer zwischen jugendlicher Realität und Politik mehr wertgeschätzt werden.

Der gemeinsame Bericht ist zu finden unter: http://ekd.be/EU-Youth-report_2015

Das Ministerratsdokument unter: http://ekd.be/Bericht-Jugendarbeit2015

Der Schattenbericht des Europäischen Jugendforums unter: http://ekd.be/EYF-shadow_report



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