Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

(Ulrike Truderung)

Verhandlungen zu Fördergeldern nach 2020 haben begonnen

Die Debatte über die Verwendung des Förderhaushalts der Europäischen Union nach 2020 hat bereits jetzt volle Fahrt aufgenommen.

Den sichtbarsten Startschuss für die laufenden Verhandlungen zum EU-Haushalt und der Förderung nach 2020 gab die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Haushalt und Personal, Kristalina Georgiewa, auf der von ihr ins Leben gerufenen Konferenz „EU Budget Focused on Results“ am 22. September 2015 in Brüssel, auf der hochrangige Vertreter aus Politik und Wissenschaft über die zukünftige Ausrichtung der europäischen Fördermittel diskutierten. Beteiligt waren u.a. der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Dabei zeichnet sich eine Weiterführung der derzeitigen Trends in der europäischen Förderpolitik ab: Noch stärker soll in Zukunft die Vergabe von Fördermitteln auf die Resultatmaximierung abzielen, noch mehr Ergebnisse sollen aus jedem ausgegebenen Euro erzielt werden. Darüber hinaus steht eine Evaluierung der in der aktuellen Förderperiode neu eingeführten thematischen Ziele der europäischen Kohäsionspolitik an. Insbesondere sind drei Entwicklungen zu erkennen, die als maßgeblich für die weiteren Verhandlungen zu europäischen Fördermitteln nach 2020 zu werten sind: Eine stärkere Flexibilität der Fonds, eine bessere Messbarkeit von Resultaten und Effekten innerhalb der geförderten Projekte sowie eine Weiterentwicklung der thematischen Ausrichtung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds).

Mehr Flexibilität innerhalb der Struktur- und Investitionsfonds

Nachdem die nationalen und regionalen Förderprogramme festgelegt worden sind – dies war in der Regel Ende 2014 bzw. im ersten Halbjahr dieses Jahres geschehen – sind Änderungen in der Mittelverteilung oder in den Förderinhalten zunächst nicht mehr vorgesehen und nur eingeschränkt möglich. Vor dem Hintergrund aktueller Erfahrungen, insbesondere der Flüchtlingskrise, ist jedoch von Beobachtern immer wieder zu hören, dass das derzeitige Korsett der ESI-Fonds zu starr sei:

Es ist zu erwarten, dass es für die Verwaltungsbehörden der Struktur- und Investitionsfonds in Zukunft einfacher sein wird, auch nach Genehmigung der Operationellen Programme Gelder zwischen den Programmen zu verschieben, falls sich die Rahmenbedingungen ändern. Ob diese größere Flexibilität noch in der aktuellen oder erst in der kommenden Förderperiode eingeführt werden soll, ist bislang unklar.

Aus kirchlicher Sicht hätte eine solche größere Flexibilität Vor- und Nachteile: In einer Notsituation wie der aktuellen Flüchtlingskrise könnten mit einer solchen Regelung schneller und unkomplizierter Gelder zur Verfügung gestellt werden, die auch kirchlichen Projekten zugutekommen könnten. In einem Themenfeld von hohem kirchlichem Interesse, wie der Flüchtlingshilfe und der Migrations- und Integrationspolitik, wäre dies zu begrüßen. Andererseits bedeutet eine vereinfachte Umstrukturierung von Geldern auch eine verringerte Planungssicherheit für Projektträger: Sollte zukünftig aufgrund einer aktuellen Krisenlage oder eines aktuellen politischen Schwerpunktes die Entscheidung fallen, mehr Gelder als ursprünglich geplant in für Kirchen nicht relevante Themenfelder zu verschieben (beispielsweise Ausbau von Stromtrassen, Verkehrspolitik etc.), würde dieses Geld in anderen Programmen, die für Kirchen relevanter sind, abgezogen werden (beispielsweise im sozialen Bereich). Ein aus kirchlicher Sicht positiv ausgehandeltes Operationelles Programm würde daher nicht unbedingt bedeuten, dass die verfügbaren Gelder tatsächlich auch so ausgegeben werden.

Fokus auf Resultate

Der Erfolg (oder Misserfolg) von europäischen Förderprogrammen wird derzeit noch vorrangig über die sogenannte Fehlerquote bewertet. Diese Fehlerquote beschreibt den prozentuellen Anteil der europäischen Fördergelder, der inkorrekt, d.h. nicht gemäß den vorgeschriebenen Regeln, ausgegeben wurde. Dabei bedeutet ein „Fehler“ nicht zwangsläufig, dass Gelder verschwendet wurden; auch Formfehler, wie beispielsweise nicht ausreichend dokumentierte Einkäufe in einem geförderten Projekt, fallen unter diese Kategorie.

Darüber, wie erfolgreich eine Maßnahme gewesen ist, sagt diese Fehlerquote natürlich nicht immer viel aus. Bereits in der laufenden Förderperiode 2014-2020 wird daher ein weit stärkeres Gewicht als zuvor auf die Formulierung und Erfüllung von Indikatoren gelegt, die greifbare Belege darüber liefern sollen, ob die im Projekt gesetzten Ziele auch tatsächlich erreicht werden. Dieser Trend, so zeichnet sich ab, soll auch nach 2020 weiter fortgesetzt werden. Der Erfolg von europäischen Förderprogrammen und den von ihnen geförderten Projekten soll noch mehr als derzeit an der erzielten Wirkung gemessen werden.

Die Bewertung von Projekten aufgrund ihrer erzielten Wirkung anstelle der recht bürokratischen Prüfung von Fehlern in der Verwendung von Fördergeldern ist grundsätzlich zwar begrüßenswert, da er den Schwerpunkt auf die Projektinhalte verschiebt. Vor dem Hintergrund, dass die verfügbaren Geldern bereits in der aktuellen Förderperiode deutlich zusammengestrichen wurden und sich daran wohl auch kaum nach 2020 etwas ändern dürfte, ergibt sich aus dieser Entwicklung allerdings ein weiterhin verschärfter Wettbewerb um die Fördertöpfe, in dem vorrangig solche Projekte eine Chance haben dürften, die die höchste Wirkungs- und Strahlkraft demonstrieren können. Der Trend geht also weiterhin weg von vielen kleineren, lokal verankerten Projekten hin zu wenigen großen „Vorzeigeprojekten“. Diese Entwicklung ist in vielen Förderprogrammen bereits in der aktuellen Förderperiode zu beobachten und dürfte sich in Zukunft dann noch weiter verstärken.

Thematische Weiterentwicklung der Fonds

Erstmals wurden die Struktur- und Investitionsfonds der Europäischen Union – der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), der Europäische Sozialfonds (ESF), der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), der Europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF) und der Kohäsionsfonds – in der Förderperiode 2014-2020 durch die Verordnung 1303/2013 thematisch auf eine Linie gebracht. Elf thematische Ziele, darunter unter anderem die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU, die Verringerung der CO2-Emissionen, die Erhaltung und der Schutz der Umwelt und des Kulturerbes, die Förderung nachhaltiger und hochwertiger Beschäftigung und die Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung von Armut, gelten in dieser Förderperiode für alle fünf Fonds. All diese elf Ziele sind nochmals in mehrere spezifische Unterziele unterteilt.

In der laufenden Debatte jedoch zeigt sich, dass das Gesamtkonzept der europäischen Struktur- und Investitionsfonds auch mit der thematischen Fokussierung in der aktuellen Förderperiode noch nicht konsolidiert ist. Vielen Beobachtern scheint diese thematische Konzentration im Hinblick auf die Messbarkeit der Wirkung noch nicht weit genug zu gehen. Die elf thematischen Ziele der Struktur- und Investitionsfonds und ihre zahlreichen Unterziele erscheinen offenbar einigen Beobachtern zu breit gefächert, um noch schlagkräftig einen klar formulierten Zweck in der Kohäsionspolitik erfüllen zu können. Marc Robinson, Berater der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Haushalt und öffentliche Ausgaben, stellte bei der oben genannten Konferenz „EU Budget Focused on Results“ gar die Frage, welchen fokussierten Zweck die Europäische Kohäsionspolitik eigentlich überhaupt derzeit habe.

Unklar ist noch, inwiefern die thematische Ziele der Kohäsionspolitik gestrafft werden könnten. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble regte dazu beispielsweise an, dass die Mittel der Kohäsionspolitik zukünftig für die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters genutzt werden könnten.

Interessant sind vor diesem Hintergrund auch Äußerungen der Kommissarin für Regionalpolitik, Corina Cretu, am 28. August 2015 beim 55. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Regionalwissenschaften in Lissabon, in der sie unter anderem die Frage aufwarf, ob es überhaupt sinnvoll sei, dass die europäische Kohäsionspolitik weiter in alle Regionen investiere, oder ob es eine Konzentration auf bestimmte geographische Gebiete geben sollte. Ferner stellte sie in diesem Zusammenhang die Frage, welche Finanzierungsinstrumente am geeignetsten seien, um die Ziele der Kohäsionspolitik zu erreichen – ob dies weiterhin die Projektförderung sei, oder ob auch Darlehen oder andere Instrumente hilfreich sein könnten.

Bessere Resultate für weniger Geld?

Es zeichnet sich ab, dass die Trends, die bereits die Vorbereitung der laufenden Förderperiode geprägt haben, sich auch weiterhin fortsetzen: Aus noch weniger Geld sollen noch mehr Ergebnisse herausgezogen werden. Es steht zu erwarten, dass somit Fördermodelle, die vermeintlich Geld aus Geld erschaffen, in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden – wie beispielsweise der Europäische Fonds für Strategische Investitionen (der „Juncker-Plan“), der Gelder bereitstellt, um die Kreditwürdigkeit von Trägern von strategischen Projekten zu erhöhen und somit private Investitionen anregen soll. Auch steht zu erwarten, dass Leuchtturm- und Demonstrationsprojekte, die innovative Ansätze testen sollen, weiterhin bei der Förderung beliebt sein werden.

Die Fördergelder werden also nach dem aktuellen Diskussionsstand in Zukunft noch strategischer, gleichzeitig aber auch ergebnisorientierter, ausgegeben werden als derzeit. Für kirchliche und diakonische Einrichtungen liegt dabei aber zugleich auch eine Chance. Einrichtungen, die sich strategisch und wirkungsorientiert aufstellen und die europäische Ebene in ihrer operativen Arbeit verankern, erhöhen ihre Chancen darauf, nicht nur höhere Fördersummen einzustreichen, sondern mit ihrer Arbeit eine direkte Leuchtturm-Funktion auf EU-Ebene zu erhalten. Mehr noch als zuvor wird eine erfolgreiche Beantragung von EU-Fördergeldern also eine strategische Ausrichtung der Trägereinrichtungen selbst erfordern.



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