Was lange währt - Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) steht

(Katrin Hatzinger)

Während über die Neufassung der Dublin-II-Verordnung und die Aufnahmebedingungsrichtlinie bereits Ende 2012 eine politische Einigung erzielt worden ist (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 141), gab es in den Verhandlungen um die überarbeiteten Versionen der Eurodac-Verordnung und insbesondere der Asylverfahrensrichtlinie Anfang des Jahres weiterhin strittige Punkte. Der irischen Ratspräsidentschaft ist es am 27. März 2013 gelungen, einen Durchbruch zu erzielen. Das Gesamtpaket muss nun noch formell vom Ministerrat und dem Plenum des Europäischen Parlaments angenommen werden.

Bis zuletzt war bei den Verhandlungen um die Asylverfahrensrichtlinie strittig, wie der Schutz von unbegleiteten Minderjährigen und Folteropfern zu regeln sei. Die Kommission hatte vorgeschlagen, bei der Anwendung von beschleunigten Verfahren und Verfahren an den Grenzen für diese Gruppen Ausnahmen vorzusehen. Auch solle für diese Gruppen die Klage gegen den ablehnenden Bescheid aufschiebende Wirkung haben. Im Europäischen Parlament gab es hingegen keine einheitliche Haltung zur Position der Kommission. Gleiches galt für die Mitgliedstaaten, die den Vorschlägen der Kommission sehr kritisch gegenüberstanden und Ausnahmen ablehnten, um Missbrauch keinen Vorschub zu leisten.

Auch Deutschland zählte zu diesen Mitgliedstaaten. Aus kirchlicher Sicht ist die Ausnahmeregelung menschen- und flüchtlingsrechtlich geboten. Die beiden großen Kirchen haben sich im März 2013 deshalb gegenüber dem Bundesinnenministerium für eine Ausnahmeregelung für unbegleitete Minderjährige und Folteropfer in der Asylverfahrensrichtlinie ausgesprochen. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass die Auswirkungen derartiger Ausnahmeregeln auf die Rechtslage in Deutschland minimal wären, da laut Statistik des Bundesinnenministeriums (BMI) in den vergangenen Jahren nur in einem Bruchteil der Fälle die Entscheidung innerhalb von zwei Tagen gefällt wurde. In der ersten Hälfte des Jahres 2012 betraf dies bei 343 Antragstellern z.B. nur 29 Personen. In der deutschen Praxis wird nach Angaben des BMI schon heute bei besonders schutzbedürftigen Personen von einer Ablehnung wegen der offensichtlichen Unbegründetheit abgesehen und ihnen, selbst bei einer ablehnenden Entscheidung, die Einreise gestattet. Dementsprechend würde eine Ausnahmeregelung für diesen Personenkreis keine großen Veränderungen nach sich ziehen, in anderen EU-Mitgliedstaaten aber den erforderlichen Schutz von schutzbedürftigen Gruppen sicherstellen. Zudem würde der Empfehlung des Ausschusses gegen Folter der Vereinten Nationen vom 25. November 2011 an die Bundesregierung entsprochen werden, der geraten hatte, unbegleitete Minderjährige vom Flughafenverfahren auszunehmen (Empfehlung 27a).

Der genaue Wortlaut der Einigung lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Innenkommissarin Malmström lobte jedoch die Einigung und betonte, dass das Gemeinsame Asylsystem zu einem gerechteren und schnelleren Asylverfahren mit einer besseren Qualität der Entscheidungen führen würde. Zudem würde dafür Sorge getragen, dass Menschen, die in der Angst vor Verfolgung leben würden, nicht in Gefahr zurückgeführt würden und würdevolle und angemessene Bedingungen für diejenigen bereitgestellt werden, die Asyl beantragen und diejenigen, deren Antrag bewilligt worden ist. Außerdem würden die Mitgliedstaaten mit den notwenigen Instrumenten ausgestattet, um Missbrauch aufzuklären und vorzubeugen.
 
Der Kommission ist an einer kohärenten Anwendung der Asylregeln in der EU gelegen. Dementsprechend finden zu den einzelnen überarbeiteten Asylrechtsinstrumenten regelmäßig Treffen von Expertengruppen aus den Mitgliedstaaten statt. Ein erstes Treffen hat sich im Januar 2013 bereits mit Fragen zur Umsetzung der neuen Qualifikationsrichtlinie befasst. Im Vorfeld waren die Mitgliedstaaten angeschrieben und um konkrete Fragen zur Umsetzung gebeten worden. Am Ende des Prozesses will die Kommission jeweils Frage/Antwort-Papiere erstellen, die dann auch von den Gerichten zur Interpretation herangezogen werden sollten.

Mit der Einigung über das GEAS bleiben jedoch weiterhin Schutzlücken bestehen und von einem gemeinsamen Asylsystem mit gleichen Schutzstandards, Verfahren und Aufnahmebedingungen ist die EU weiterhin entfernt, wie Fälle aus Griechenland, Ungarn oder Malta belegen. Auch der Frühwarnmechanismus, der die Mängel der Dublin Verordnung beheben soll, muss sich erst bewähren.
Es bleibt zu hoffen, dass die Mitgliedstaaten im Interesse der betroffenen Menschen bereit sein werden, Verantwortung zur Umsetzung der neuen Asylrechtsregeln wahrzunehmen, und die Kommission künftig strenger als bisher die europarechtskonforme Umsetzung der Mindeststandards einfordern und Zuwiderhandeln ahnden wird.



erweiterte Suche