CETA überspringt alle Hürden - endgültig?

Julia Bernstein (Praktikantin)

Am 15. Februar 2017 hat das Europäische Parlament nach einer hitzigen Aussprache seine Zustimmung zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada (CETA) mit 408 zu 254 Stimmen gegeben. Das CETA-Abkommen wurde seit 2009 verhandelt. Bereits am 30. Oktober 2016 hatten die Europäische Union und Kanada das Abkommen (s. EKD-Europainformationen Nr. 153) unterzeichnet.


Der Abstimmung war eine hitzige und sehr emotionale Debatte vorausgegangen, die mit Begrifflichkeiten wie „Protektionismus“, „Sonderprivilegierung“, „alternativen Fakten“ und „Paralleljustiz“ gespickt war. Die zuständige Handelskommissarin, Cecilia Malmström, verteidigte das Abkommen als einen institutionellen Rahmen für den Austausch mit Kanada, der vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) helfen werde, die für 80% des Exports verantwortlich seien. Außerdem beinhalte CETA nichts, was dem Recht der EU, im öffentlichen Interesse tätig zu werden, widersprechen würde. Nur die EU und die Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten selbst, könnten Lebensmittelstandards und andere EU-Anforderungen absenken. Trotzdem standen sich im Plenum in Straßburg zwei polarisierende Ansichten gegenüber.


Vertreter der Fraktionen der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), der Fraktion Europa der Nationen und Freiheit (ENF), der Konföderalen Fraktion der Vereinigten europäischen Linken, der nordischen Grünen (GUE-NGL), Fraktion der Grünen/ freie europäische Allianz(Grünen/EFA) und der Fraktion „Europa der Freiheit und direkten Demokratie“ (EFDD), welche die EU-skeptischen und rechtspopulistischen Parteien umfasst und unter anderem Vertreter des Front National und der AfD hat, lehnten das CETA Abkommen grundsätzlich ab. CETA sei schlechter als das zwischenzeitlich eingefrorene Transatlantische Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und würde die Rechtsstaatlichkeit gefährden. Es sei eine Diktatur der großen multinationalen Konzerne und ein Zeichen der Entmündigung der Mitgliedsstaaten. Damit waren sich hier die Linken und die Rechtspopulisten ausnahmsweise mal einig. Mehrmals wurden die vorangegangenen geheimen Verhandlungen kritisiert. Laut aktueller Studien würde dieses Abkommen zu einem Verlust von 204.000 Arbeitsplätzen führen, behauptet Tiziana Beghin der italienischen EU-kritischen „Fünf-Sterne-Bewegung“(EFDD). Zudem würden Landwirte und KMU einem unverhältnismäßigen Konkurrenzkampf mit den nordamerikanischen Firmen ausgesetzt. Die Abgeordnete Ska Keller (Grünen/EFA) bemängelte, dass bei CETA Liberalismus vor Umweltschutz stünde und ein Interessensungleichgewicht zwischen dem Schutz von Investoren und Schutz von Arbeitnehmern vorläge.


Demgegenüber standen Vertreter der europäischen Volkspartei/Christdemokraten (EVP), der europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) und, in sich sehr uneinig, auch Vertreter der progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), die von dem modernsten und ambitioniertesten Abkommen, das es je gegeben habe, sprachen. Mit wem könne die EU zukünftig noch Abkommen abschließen, wenn nicht mit Kanada, einer fortschrittlichen Volkswirtschaft, welche dieselben Werte teile und mit welcher seit Jahren eine strategische Verbundenheit bestünde, fragten viele Abgeordnete dieser Fraktionen. Der für CETA zuständige Berichterstatter Artis Pabriks (EVP) sagte, dass das CETA-Abkommen ein goldener Standard für zukünftige Abkommen sei. Das neue Verfahren der Schiedsgerichte sei transparent und dem Einflussbereich der Mitgliedsstaaten nicht entzogen. Es ginge darum, die Zukunft zu gestalten und nicht Ängste zu schüren, wie es Frau Le Pen täte, so Othmar Karas (EVP).


CETA sei nicht perfekt, würde aber weder europäische Werte noch Gesetze in Frage stellen, bekräftigte Sorin Moisa (S&D). Der Europaabgeordnete Bernd Lange (S&D) ergänzte, dass die Sorgen der Bürger aufgenommen und Verbesserungen in CETA erkämpft worden sein. So seien z.B. private Schiedsgerichte herausgestrichen worden, was auch bei anderen bereits bestehenden Abkommen geschehen müsse. Die Daseinsvorsorge sei gesichert, die Rekommunalisierung unbeeinflusst, und internationale Arbeitnehmerrechte durchsetzbar gestaltet worden.


Um dauerhaft in Kraft zu treten, muss das CETA-Abkommen noch von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, das heißt das Abkommen muss noch durch 27 nationale Entscheidungsprozesse, die jeweils für sich schon viel Zeit in Anspruch nehmen. Bis das CETA-Abkommen also endgültig alle Hürden überspringt wird es noch sehr lange dauern. Ein Großteil der Regelungen des Abkommens, welche in dem Kompetenzbereich der EU liegen, kann aber nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments vorläufig anwendbar werden, sobald das kanadische Parlament auch seine Zustimmung erteilt hat.



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