Diskussion über verstärkte Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien

(Martin Kasperek)

Beim Ratstreffen der Innenminister am 7. und 8. März 2013 in Brüssel wurde unter anderem über den noch ausstehenden Vollbeitritt von Rumänien und Bulgarien, seit 2007 Mitgliedsstaaten der EU, zum Schengenraum diskutiert. Ein Ergebnis wurde jedoch nicht gefunden, das Thema soll Ende des Jahres wieder auf der Tagesordnung der Minister stehen.

Widerstand gegen den Schengen-Beitritt kam vor allem von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Als Gründe führt er einerseits an, dass die Justiz und der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität in den beiden Ländern noch immer nicht entsprechend europäischer Standards funktionierten. Dies bestätigen bisher auch die Fortschrittsberichte, die die EU-Kommission im Rahmen des "Kooperations- und Kontrollverfahrens" halbjährlich vorlegt.

Andererseits - und dies sorgte in den Medien für das größte Aufsehen - wies Friedrich seine Amtskollegen bei dem Treffen in Brüssel auf den Anstieg der sogenannten "Armutseinwanderung" aus Rumänien und Bulgarien hin, über die deutsche Städte klagen. In seinem Positionspapier vom 22. Januar 2013 schreibt der Deutsche Städtetag, dass ein bestimmter Teil der Zuwanderer aus diesen Ländern aus äußert prekären Lebensverhältnissen komme. So sei die Wohnsituation dieser Menschen schlecht, ihnen fehle oft der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt und sie hätten keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Von dieser Situation sei vor allem die Minderheit der Roma betroffen.

Seit dem EU-Beitritt 2007 sei die Anzahl der Einwanderer aus den beiden Ländern in Deutschland stark angestiegen, was speziell die Städte vor große finanzielle, aber auch gesellschaftspolitische Herausforderungen stelle. Der Städtetag sieht gar die "soziale Balance" und den "sozialen Frieden" in den Städten "in höchstem Maße gefährdet". Es sei oft der Fall, dass die Zuwanderer in Deutschland in Stadtvierteln lebten, die sowieso schon soziale Brennpunkte seien, dass diese Menschen keine Arbeit fänden und sogar Opfer von Schleppern würden oder in die Kriminalität abrutschten.

Der Städtetag fordert den Bund und die EU auf, die Kommunen finanziell und strukturell stärker zu unterstützen. Es wird befürchtet, dass sich das Problem der "Armutseinwanderung" noch verstärkt, wenn ab 2014 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien gilt.

Das Positionspapier des Städtetags geriet jedoch auch in Kritik: Es werden Zahlen des Statistischen Bundesamts verwendet, nach denen 2007 noch 64.158 Menschen aus Rumänien und Bulgarien in die Bundesrepublik eingewandert seien, 2011 jedoch schon 147.091. Das Rheinland-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung wies jedoch darauf hin, dass von den Zuwanderern aus den beiden Ländern 80 Prozent erwerbstätig seien. Der Migrationsbericht der Bundesregierung von 2011 zeigt auch, dass in die Statistik viele Saisonarbeiter eingerechnet sind, die wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Die tatsächliche "Armutseinwanderung" ist demzufolge also weniger stark  und eine pauschale Aussage, dass alle Einwanderer aus diesen Ländern "Armutseinwanderer" seien, nicht richtig.

Es existieren bereits verschiedene europäische Förderprogramme, die einen speziellen Fokus auf die Situation von "Armutsflüchtlingen" oder die bessere Integration von Roma legen. In diesem Zusammenhang bietet vor allem der Europäische Sozialfonds (ESF) Fördermöglichkeiten. Doch die Fördergelder wurden speziell in Rumänien und Bulgarien in der Vergangenheit oft nicht abgerufen. Für die nächste Förderperiode ab 2014 soll jedoch die Komplexität des ESF auf unterer Ebene reduziert werden, so dass Gelder für Projekte für "Armutsflüchtlinge" leichter beantragt werden können.

Es erscheint gefährlich, wenn in der deutschen Debatte das so grundlegende Recht auf Freizügigkeit in der EU in Frage gestellt wird. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass qualifizierte Arbeitskräfte oder auch Studenten aus Rumänien und Bulgarien von einem Zuzug nach Deutschland abgeschreckt werden.

Die Debatte um den Schengen-Beitritt der beiden Länder ist auf jeden Fall von der Frage der "Armutsflüchtlinge" zu trennen.



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