Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Kindesadoption durch homosexuelle Paare

(Christopher Hörster)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sieht in dem Verbot der so genannten "Stiefkindadoption" in Österreich eine verbotene Diskriminierung zulasten homosexueller Paare. Mit Urteil vom 19. Februar 2013 gab der Gerichtshof damit zwei Frauen recht, die vor allen nationalen Gerichten unterlegen waren.

Die beiden homosexuellen Frauen leben, zusammen mit dem leiblichen, außerehelichen Kind einer der beiden Frauen, seit über zehn Jahren in einem gemeinsamen Haushalt. Im Jahr 2005 beantragte die Partnerin der Mutter schließlich die Adoption des Kindes, allerdings unter Beibehaltung der rechtlichen Beziehung des Kindes mit seiner leiblichen Mutter. Der Adoptionsantrag wurde abgelehnt und die Entscheidung von den österreichischen Gerichten bestätigt, da die "Stiefkindadoption" durch homosexuelle Paare nach geltendem österreichischem Recht verboten ist.

Der EGMR stellt zunächst klar, dass auch homosexuelle Paare von dem durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährten Schutz der Familie (Art. 8) erfasst sind. Darüber hinaus befänden sich die beiden Frauen in einer mit einem heterosexuellen, unverheirateten Paar vergleichbaren Situation. Da für ein solches heterosexuelles Paar die Stiefkindadoption nach österreichischem Recht aber möglich sei, läge eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vor. Zwar sei, so die Richter, der Schutz der traditionellen Ehe ein legitimes Ziel, welches Ungleichbehandlungen rechtfertigen könne. Jedoch sei nicht hinreichend dargelegt worden, weswegen die Diskriminierung im vorliegenden Fall für dieses Ziel notwendig gewesen sei.

Auch wenn der EGMR in dem konkreten Urteil zugunsten des homosexuellen Paares entschied, lässt sich aus dem Urteil kein Postulat für eine generelle Gleichstellung homosexueller Paare herauslesen. Vielmehr betonte das Gericht mehrfach die Besonderheiten des Einzelfalls, wie beispielsweis den Umstand, dass bereits seit über einem Jahrzehnt de facto eine Familie bestand. Darüber hinaus sei von den österreichischen Gerichten nie geprüft worden, ob die Verweigerung der Adoption dem Kindeswohl diene. Insgesamt bemängelte das Straßburger Gericht, wie so oft, den ungenügenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Einzelfall.



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