Symposium "Reformation und Toleranz - ein Paar par force?" am 7. März 2013

(Dr. Anna Donata Quaas)

Am 7. März 2013 fand im Haus der EKD in Brüssel zum aktuellen Themenjahr der Reformationsdekade ein Symposium zum Thema "Reformation und Toleranz - ein Paar par force?" statt.
"Reformation und Toleranz - ein Paar par force?", dieser Titel wurde gewählt, da die Begriffe "Reformation und Toleranz" auf den ersten Blick kaum zusammen passen. Besonders der "linke Flügel" der Reformation wurde Opfer heftiger Angriffe und Verfolgungen. Am Beginn der Abendveranstaltung stand daher ein selbstkritischer Rückblick auf die Schattenseiten der Reformationsgeschichte. Als Referent zu diesem Thema konnte Herr Dr. Walter Fleischmann-Bisten, Leiter des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim, gewonnen werden.

In der Gegenwart gehört die Religionsfreiheit zu den Menschenrechten. Trotzdem ist ihre Ausgestaltung umstritten. Davon wusste Pfarrer Holger Nollmann aus eigener Erfahrung zu berichten. Pfarrer Holger Nollmann war neun Jahre lang, von 2002 bis 2011, Pfarrer der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Istanbul. Seit 2011 ist Holger Nollmann Pfarrer in Bochum-Stahlhausen und Projektbeauftragter für das interkulturelle und interreligiöse Stadtteilbegegnungszentrum Friedenskirche.
Als Ausblick ging Professor Dr. Reinhold Bernhardt (Lehrstuhl für Systematische Theologie/Dogmatik an der Universität Basel und Experte auf dem Gebiet der "Theologie der Religionen") der Frage nach, wie sich in der gegenwärtigen reformatorischen Theologie interreligiöse Toleranz begründen lässt und in welchem Verhältnis interreligiöse Toleranz und Mission stehen.

Am Symposium nahmen rund 70 Gäste teil. Dazu gehörten Mitglieder der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, Gemeindemitglieder der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde, evangelische und katholische Kirchenvertreter sowie Angehörige der Landesvertretungen, politischen Stiftungen und des Goethe-Instituts.
In einer Podiumsdiskussion wurden die verschiedenen Perspektiven (historischer Rückblick, Blick in die Gegenwart und Ausblick) miteinander ins Gespräch gebracht.

Bei der Behandlung des Themas "Toleranz" setzten die drei Referenten unterschiedliche Schwerpunkte: Herrn Dr. Fleischmann-Bisten warb vor allem darum, sich mit der eigenen Toleranz- und Intoleranzgeschichte auseinanderzusetzen. In Aufnahme des Goethe-Zitats "Dulden heißt Beleidigen" trat er dafür ein, dass Toleranz auf Anerkennung des anderen zielen müsse. Nicht von ungefähr seien gerade Opfer von Intoleranz - etwa Quäker, Baptisten und Methodisten - diejenigen gewesen, die für religiöse Anerkennung gestritten und einen wichtigen Beitrag zur Etablierung der Religionsfreiheit als Menschenrecht geleistet hätten.
Herrn Nollmann lag daran, zu zeigen, dass eine tolerante Haltung zur eigenen Horizonterweiterung führt.
Herr Professor Bernhardt, dem interreligiöse Toleranz ein Herzensanliegen und Lebensthema ist, warnte aber gleichzeitig vor einer Verharmlosung der Toleranz und vor Blauäugigkeit. Er votierte für eine stufenweise Steigerung des Toleranzverständnisses, von der "Duldungstoleranz" über die "Respekttoleranz" bis hin zur "Anerkennungstoleranz".
Gegenüber intoleranten Gruppen im Christentum, Islam, Judentum und auch in den - vermeintlich so toleranten - östlichen Religionen könne es manchmal nur Duldungstoleranz geben oder gar Intoleranz: In Geschichte und Gegenwart komme es immer wieder zu religiöse Erscheinungen, die man nicht anerkennen und zuweilen auch nicht respektieren könne. Wo immer es aber möglich sei, solle die Grundhaltung im Umgang mit anderen Religionen von Respekttoleranz oder sogar von Anerkennungstoleranz geprägt sein.

Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen in der Türkei wurde Holger Nollmann vom Publikum gefragt, ob aus seiner Sicht ein möglicher Beitritt der Türkei zur EU zu mehr Freiheit und Religionsfreiheit im Lande führen würde.
Nach Nollmanns Beobachtung hat die Aussicht auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen vor allem in den Jahren 2003 und 2004 dazu geführt, dass das Thema "Religionsfreiheit" bei politischen Besuchen in der Türkei auf der Agenda der zu behandelnden Themen nach oben gerückt ist.
Weiter erklärte er: "Zu den größten Befürwortern des EU-Beitritts der Türkei gehören seit jeher die führenden Geistlichen der Kirchen der Türkei, nicht zuletzt deshalb, weil sie genau wissen, dass nur die Dynamik der Beitrittsverhandlungen dazu führen wird, dass es auch im Bereich des Rechts zu einer Verbesserung der Situation der christlichen Minderheiten kommt." Für unabdingbar hält Holger Nollmann auch einen Mentalitätswandel der Bevölkerung. Ob es tatsächlich zu einem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union kommen wird, ist für Nollmann eine offene Frage. "Die Dynamik des Prozesses an sich" hält er aber für "sehr förderlich für die Verbesserung der Situation in der Türkei".

Alle Vorträge des Symposiums sind als epd-Dokumentation Nr. 12 (Erscheinungsdatum 19.03.2013) nachzulesen.

Weitere Informationen finden Sie unter:



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