Auf dem Weg zu einem Bund der Nationalstaaten - Barrosos Rede zur Lage der EU

(Johannes Noltenius)

Am 12. September 2012 hielt der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, vor dem Europäischen Parlament in Straßburg seine jährliche Rede zur Lage der Union.

Analyse der Lage in der EU

Die EU befinde sich gegenwärtig in einer ökonomischen, sozialen, politischen und Vertrauenskrise, welche auf unverantwortliche Praktiken im Finanzsektor, nicht mehr tragbare Staatsverschuldung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit in einigen Mitgliedstaaten zurückzuführen sei. Obwohl man in den vergangenen Jahren viel gegen diese Krise unternommen habe, sei es nicht gelungen, das Vertrauen von Bürgern, internationalen Partnern und Märkten zu gewinnen, so Barroso. Dies liege daran, dass innerhalb der EU nationale Interessen zu hoch gestellt würden und nicht immer gut kooperiert werde.

Eine grundlegende Modernisierung Europas

Daher forderte der Kommissionspräsident eine neue Denkweise für Europa. Man müsse zu der Einsicht gelangen, dass es gemeinsame europäische Interessen gebe, und wahre Verantwortung und Solidarität füreinander empfinden. Nur als Union könne man international wirksam auftreten und europäische Werte vertreten.

Laut Barroso sei es notwendig, Europa grundlegend zu modernisieren. Hierzu dürfe man keine Zweifel an der Unumkehrbarkeit des Euro und der Bereitschaft zu Reformen aufkommen lassen. Es bedürfe einer engen und echten Wirtschafts- und Währungsunion auf Grundlage einer politischen Union.

Wirtschaftsunion

In Bezug auf die Wirtschaft sei nachhaltiges Wachstum erforderlich. Auf nationaler Ebene bedürfe es hierfür Strukturreformen und der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Europa müsse seine Energieabhängigkeit verringern, vorhandene Ressourcen effizienter nutzen und ehrgeiziger in Bereichen wie Bildung, Forschung, Innovation und Wissenschaft sein. Gleichzeitig müsse man attraktiv für Investoren sein und wirtschaftliche Initiative innerhalb der EU fördern.

Es bedürfe effektiver Sozialschutzsysteme und es müsse gegen die Arbeitslosigkeit und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit vorgegangen werden. Es seien gerechtere und bessere Steuersysteme notwendig und Steuerbetrug und Steuerhinterziehung müssten stärker bekämpft werden. Insbesondere werde sich die Kommission weiterhin für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einsetzen.

Die dringlichste Aufgabe sei es. die Stabilität des Euroraumes zu sichern. Hierbei könne und werde die unabhängige EZB keine Staatsfinanzierung betreiben. Es sei allerdings legitim, wenn sie Staatsanleihen am Sekundärmarkt kaufen würde. Es bedürfe einer Banken- und Fiskalunion. Ein wichtiger Schritt in Richtung einer Bankenunion sei die von der Kommission vorgeschlagene europäische Bankenaufsicht für alle Banken des Euro-Währungsgebietes. Im Rahmen einer Fiskalunion sei eine intensivere wirtschaftspolitische Koordinierung notwendig.

Politische Union

Eine politische Union sei notwendig, um die Wirtschafts- und Währungsunion glaubwürdig und tragfähig zu machen. Sie müsse auf eine europäische Demokratie mit einem starken Europäischen Parlament gestützt sein. Man müsse aufhören, zu versuchen, europäische Probleme mit nationalen Lösungen zu bewältigen. Hierfür sei eine stärkere Zusammenarbeit zwischen europäischen und nationalen Parteien erforderlich und es müsse eine europaweite politische Debatte entstehen.

Die EU müsse für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Solidarität einstehen. Man müsse weiterhin eine führende Rolle in Entwicklungs- und humanitärer Hilfe übernehmen, offene Volkswirtschaften fördern, den Klimawandel bekämpfen und mit militärischen Mitteln zur Stabilisierung der Lage in Krisengebieten beitragen können.

Änderung der EU-Verträge

Barroso forderte, dass die EU den Weg zu einem Bund der Nationalstaaten gehen müsse. Hierbei solle kein Superstaat, sondern eine demokratische Staatenföderation geschaffen werden. Im Zeitalter der Globalisierung bedeute geteilte Souveränität mehr Macht und nicht weniger. Am Ende des Weges sei ein neuer Vertrag notwendig, für welchen die Kommission bis zur Europawahl 2014 konkrete Ideen vorlegen werde und über welchen in Europa eine breit angelegte Debatte geführt werden solle. Eine enge und echte Wirtschafts- und Währungsunion könne auf Grundlage der geltenden Verträge begonnen, aber nur mit einer Änderung der Verträge vollendet werden.

Die komplette Rede finden Sie unter:



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