Enttäuschung vorprogrammiert? Sicherheits- und Verteidigungs­gipfel im Dezember 2013

(Susanne Herkommer)

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden sich am 19. und 20. Dezember 2013 erstmals seit fünf Jahren wieder intensiv mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik (GSVP) der EU befassen. Der Verteidigungsgipfel wird sich auf drei Ziele konzentrieren: Erhöhung der Wirk­samkeit, öffentlichen Wahrnehmung und Wirkung der GSVP, Intensivierung der Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten sowie Stärkung der europäischen Verteidi­gungsindustrie. Die Staats- und Regierungs­chefs wollen nach einer Bestandsaufnahme Leitlinien für das weitere Vorgehen ausge­ben. Wie diese konkret aussehen könnten, ist jedoch noch unklar, wird doch den Mit­gliedsstaaten oftmals mangelnde europäi­sche Ambition in diesem Politikbereich nachgesagt.

Die Hohe Vertreterin der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik und Leiterin der Eu­ropäischen Verteidigungsagentur (EDA) Catherine Ashton schlägt in ihrem Bericht vom 15. Oktober 2013 eine Reihe von Maß­nahmen zur Stärkung der GSVP im militäri­schen und zivilen Bereich vor. In ihrer Rede auf der EDA-Jahreskonferenz im März 2013 forderte sie „politischen Willen von ganz oben“ ein. Auch in Zeiten von Budgetkür­zungen müsse die EU militärisch handlungs­fähig bleiben. Dies könne nur durch stärkere Kooperation untereinander geschehen. Prio­ritäre Bereiche seien insbesondere Luftbe­tankung, Drohnen, Satellitenkommunika­tion und Cyber-Verteidigung. Um auf inter­nationaler Bühne als glaubwürdiger Akteur wahrgenommen zu werden, brauche es mehr als „soft power“. Frau Ashton will jedoch auch den zivilen Arm der GSVP gestärkt sehen. Handlungsbedarf bestehe insbeson­dere bei der Bereitstellung von spezialisier­tem Personal durch die Mitgliedsstaaten für die zivilen Missionen.

Das Europäische Parlament fordert im Vor­feld des Gipfels, die EU müsse endlich ihre internationale Sicherheitsverantwortung wahrnehmen. Dafür seien grundlegende Entscheidungen zur Stärkung der GSVP erforderlich. Auch die europäische Verteidi­gungsindustrie müsse stärker unterstützt werden. Ein Europäisches Weißbuch solle konkrete EU-Maßnahmen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich vorschlagen.
Die deutschen Koalitionäre (siehe voranstehender Artikel) nehmen in ihrem Vertrag explizit Bezug auf den Gipfel und kündigen daran anknüpfende „politische Initiativen zur Stärkung und Vertiefung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik“ an. Die EU brauche „mehr denn je eine strategische Diskussion darüber, was sie mit vorrangig zivilen Mitteln oder gegebenenfalls auch militärischen Einsätzen erreichen kann und will“. Daher fordert der Koalitionsvertrag für die Zukunft ein jährliches Treffen der Staats- und Regierungschefs zu Themen der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Aus kirchlicher Sicht muss der Friedensge­danke, der das Fundament der EU darstellt und für den sie den Friedensnobelpreis 2012 erhalten hat, insbesondere auch die GSVP bestimmen. Der Bevollmächtigte des Rates der EKD, Prälat Dutzmann, betonte in seiner Ansprache auf dem ökumenischen Jahres­empfang in Brüssel am 25. November 2013: „Es muss auch in Zukunft dabei bleiben, dass die Mehrheit der Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidi­gungspolitik ziviler Art sind.“ Der zivile Ein­satz für den Frieden solle stets Vorrang vor dem militärischen Eingreifen genießen. Ein Bekenntnis des Europäischen Rats zur wei­teren Stärkung der zivilen Fähigkeiten der EU sowie zur stärkeren Fokussierung auf Konfliktprävention und Umgang mit Nach­konfliktsituationen wäre daher zu begrüßen, damit die EU ihrer Verantwortung für den Frieden auch in Zukunft gerecht werden könne.

Der Gipfel wird auch die Bündelung und gemeinsamen Nutzung von Verteidigungsgütern und -fähigkeiten diskutieren. Im November 2012 haben sich die Verteidigungsminister bereits auf einen freiwilligen Verhaltenskodex zum sogenannten „Pooling & Sharing“ geeinigt, der auf die durchgängige Berücksichtigung des Gedankens in den nationalen Planungs- und Entscheidungsprozessen abzielt. Der Gipfel könnte nun, politischen Willen vorausgesetzt, konkrete gemeinsame Projekte beschließen. Diese würden nicht nur Einsparmöglichkeiten und einen Effizienzgewinn bringen, sondern auch einen Vertrauensbeweis der Mitgliedsstaaten untereinander bedeuten.

Große Fortschritte sind auf dem Gipfel aber vermutlich nicht zu er­warten. Dafür gelten Sicherheits- und Ver­teidigungsaufgaben immer noch zu sehr als Kern nationaler Souveränität. Auch die Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) rechnen nicht mit dem großen Wurf und sehen die Gefahr, dass sich der Gipfel in bürokratischen Details verliert. Es ist also voraussichtlich nicht mit viel mehr als dem Anstoß eines Prozesses hin zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit diesem Politikfeld auf EU-Ebene zu rechnen. Auch das wäre jedoch schon ein Fortschritt für die europäische Dimension der noch sehr national gedachten Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Informationen über den Gipfel finden Sie unter:



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