Bundesverfassungsgericht ebnet den Weg für Europäischen Stabilitätsmechanismus und Fiskalpakt

(Christopher Hörster)

Das Bundesverfassungsgericht hat am 12. September 2012 die Eilanträge, die gegen den Beitritt Deutschlands zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und zum Fiskalpakt anhängig waren, unter Auflagen abgewiesen. Der Weg für Deutschland, den beiden Vertragswerken beizutreten, ist somit endgültig frei.

Die Antragsteller hatten bezüglich des ESM argumentiert, dass die übernommenen Haftungen zum einen der Höhe nach nicht feststünden und zum anderen die Haushaltsautonomie des Bundestages unterlaufen könnten. Sollte nämlich der Garantiefall eintreten, der Bundeshaushalt also mit allen gegebenen Garantien tatsächlich belastet werden, sei der Handlungsspielraum des Bundestages grundgesetzwidrig eingeschränkt. Der Fiskalpakt, so argumentierten die Antragsteller, sehe weitreichende Kompetenzen der Europäischen Kommission über die nationalen Haushalte vor. Die Haushaltsautonomie des Bundestags würde so ausgehöhlt, was mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Schließlich stelle der Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) eine verbotene Staatsfinanzierung dar und berge erhebliche finanzielle Risiken auch für die Bundesrepublik Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht wies die Anträge dem Grunde nach zwar ab, erteilte aber für eine Beteiligung Deutschlands am ESM genaue Auflagen. So müsse die Haftung Deutschlands im Rahmen des ESM in jedem Fall auf 190 Milliarden Euro beschränkt bleiben. Eine Erhöhung dieses Betrages dürfe ohne Zustimmung des deutschen Vertreters im ESM nicht erfolgen. Diese zentrale Auflage war nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts notwendig, weil der ESM-Vertrag bezüglich der Haftungsobergrenze für einzelne Staaten nicht eindeutig sei. Darüber hinaus legten die Richter fest, dass die Geheimhaltungspflichten im Rahmen des ESM-Vertrages eine effektive und zeitnahe Unter-richtung des Bundestages über alle relevanten Vorgänge nicht behindern dürfen. Das Informationsrecht des Parlaments müsse gewährleistet bleiben. Diese durch das Gericht erteilten Auflagen wurden inzwischen durch eine gemeinsame Erklärung der ESM-Staaten sichergestellt.

Zum Fiskalpakt führten die Richter aus, dass die Haushaltshoheit des Bundestags auch ohne Auflagen gewahrt bleibe. Zum einen sehe, wie auch bereits das französische Verfassungsgericht festgestellt habe, der Fiskalpakt keine Durchgriffsrechte europäischer Organe auf die nationalen Haushalte vor. Insbesondere habe der Europäische Gerichtshof lediglich die Kompetenz, die Einführung einer Schuldenbremse im nationalen Recht zu überprüfen, nicht aber die Einhaltung dieser Verschuldungsgrenzen zu kontrollieren. Zum anderen deckten sich die haushaltspezifischen Vorschriften des Fiskalpakts weitgehend mit den schon jetzt im Grundgesetz sowie in den Europäischen Verträgen vorgesehenen Regeln zur Haushaltsdisziplin. Auf die bezüglich der EZB vorgebrachten Punkte gingen die Richter zwar ein, verwiesen aber bezüglich einer abschließenden Wertung auf die Entscheidung in der Hauptsache.

Nach dem mit viel Spannung erwarteten Urteil aus Karlsruhe war die Erleichterung in ganz Europa spürbar groß. Auch wenn die Richter den Beitritt Deutschlands grundsätzlich genehmigten, lohnt doch ein genauerer Blick in die einzelnen Passagen des Urteils. So erklärten die Richter, dass auch unter Wirtschaftsfachleuten äußerst umstritten sei, ob die weitreichenden Haftungsrisiken, die Deutschland durch ESM, EFSF, EFSM, bilaterale Kredite sowie Aktivitäten der EZB einginge, die richtige Antwort auf die Krise darstellten. Nur weil diese Entscheidung nicht "evident fehlerhaft" sei, dürfe das Bundesverfassungsgericht nicht seine Einschätzung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen. Auch die Ausführungen zur Rolle der EZB lassen deutliche Kritik erkennen. So sei ein Erwerb von Staatsanleihen durch die EZB, der auf eine von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Mitgliedstaaten ziele, rechtswidrig. Viele Kritiker sehen aber in dem augenblicklichen Aufkaufprogramm der EZB genau diese Art der Staatsfinanzierung. Auch findet das Bundesverfassungsgericht deutliche Worte zu der auftauchenden Idee, den ESM mit einer Bankenlizenz auszustatten, um diesem so eigenständigen Zugang zu Krediten der EZB zu ermöglichen. Ein solches Vorgehen sei "mit Unionsrecht nicht vereinbar".

Die Intention des Bundesverfassungsgerichts, sich der politischen Entscheidung zur finanziellen Hilfe nicht zu widersetzen, erscheint nachvollziehbar. Immerhin stimmten zwei Drittel sowohl des Bundesrates als auch des Bundestags für ESM und Fiskalpakt. Die Auslegung der jetzigen Hilfen als grundgesetzkonform war dennoch ein Balanceakt, wie vor allem die Auflagen zeigen. Gut möglich, dass bei einer weiteren Ausweitung der Haftung die Richter die Entscheidung an die Bürger zurückgeben. Dann wäre eine Volksabstimmung notwendig.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts finden Sie unter:



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