Hunger auf mehr. Vorschlag für ein neues Hilfsprogramm

(Christoph Schnabel)

Ende 2013 wird das europäische Programm zur Abgabe von Nahrungsmitteln eingestellt. Das Programm wurde 1987 eingerichtet, um landwirtschaftliche Überschüsse sinnvoll zu nutzen, die sonst vielleicht vernichtet worden wären. Insbesondere karitativen Einrichtungen wurden Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt, um sie an Bedürftige weiterzureichen. Im Laufe der Jahre wurde das Programm zu einer wichtigen Angebotsquelle für Organisationen, die direkt mit den am stärksten benachteiligten Menschen der Gesellschaft arbeiten und sie mit Nahrungsmitteln versorgen. Als Folge zahlreicher Reformen der gemeinsamen Agrarpolitik und dem erwarteten Abbau der Überproduktionen in der Agrarwirtschaft fällt die ursprüngliche Grundlage des Nahrungsmittelhilfeprogramms weg. Für das Jahr 2013 sind nochmals 500 Millionen Euro für die Nahrungsmittelhilfe vorgesehen. Die Kommission geht davon aus, dass 18 Millionen bedürftige Personen damit eine Unterstützung erhalten können. "Wir glauben, dass dies für die EU eine wichtige politische Maßnahme ist, insbesondere in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten", betonte der zuständige Kommissar für Soziales, László Andor.

Am 23. Oktober 2012 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Fortführung des Programms für die Jahre 2014 bis 2020 präsentiert. Der neue "Europäische Hilfsfonds für die stärksten von Armut betroffenen Personen" zielt auf die Reduzierung von "schlimmsten und sozial folgenschwersten Formen von Armut, Nahrungsmangel, aber auch Obdachlosigkeit und materieller Armut bei Kindern" ab. 2,5 Milliarden Euro sind für einen siebenjährigen Zeitraum vorgesehen und sollen in den 28 Mitgliedstaaten zum Einsatz kommen. Die Kommission geht dabei von einer Zahl von 116 Millionen armutsgefährdeter Personen in Europa aus, wovon 40 Millionen unter materieller Deprivation leiden, vier Millionen Menschen wohnungslos sind und sechs Millionen Kinder ohne ausreichende Grundnahrungsmittel und Kleidung aufwachsen. Mit dem vorgeschlagenen Hilfsfonds soll dementsprechend eine drohende Lücke bei Instrumenten der Armutsbekämpfung geschlossen werden.

Dabei sind sowohl die Zahlen der armutsgefährdeten Personen als auch der darauf ausgerichtet Hilfsfonds umstritten. Elisabeth Schroedter (Grüne), Vizepräsidentin des Beschäftigungsausschusses im Europäischen Parlament, warnte vor Parallelstrukturen zu bestehenden Förderinstrumenten: "Ich bin nicht begeistert von dem Vorgehen der Kommission, parallel zum Europäischen Sozialfonds (ESF) einen Extra-Fonds für die Armutsbekämpfung zu schaffen". Dabei verweist Schroedter besonders auf die Möglichkeiten der gegenwärtigen Ausgestaltung des Europäischen Sozialfonds, welcher ebenso 2014 bis 2020 seine Wirkung entfalten soll. " Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es für die am stärksten von Armut betroffenen Personen die beste Lösung ist, mit einem erweiterten Förderumfang und speziell auf ihre Bedürfnisse gerichtete Maßnahmen im Rahmen des ESF unterstützt zu werden", kommentierte Schroedter die Vorschläge der Kommission.

Der Ausgang der Verhandlungen über den Hilfsfonds ist noch offen. So sind Fragen der verwaltungstechnischen Umsetzung ebenso wenig geklärt wie die tatsächliche armutsreduzierende Wirkung der Maßnahme als auch die Finanzierung. Diese ist ebenso wie der Europäische Sozialfonds eng an die stark umstrittene mehrjährige Haushaltsplanung der Union geknüpft, wo eine abschließende Einigung 2012 nicht mehr erwartet wird.

Die Wirkung dieses Hilfsprogramms wird von den Wohlfahrtsverbänden ebenfalls kritisch bewertet. Eine Unterstützung von Bedürftigen mit Nahrungsmitteln kann einen negativen Effekt der Abhängigkeit hervorrufen und steht dem Versuch entgegen, mit Hilfe zur Selbsthilfe eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation von Bedürftigen zu ermöglichen.

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