„Fracking“ bleibt umstritten - Kommission strebt Angleichung der Rahmenbedingungen an

(Benjamin Sadler)

Die unkonventionelle Erdgasförderung in Form von „Hydraulic Fracturing“ („Fracking“) ist in Europa als mögliche Alternative zu bisherigen Fördermethoden fossiler Brennstoffe im Gespräch. In der Zivilgesellschaft, aber auch von Seiten verschiedener Regierungen gibt es allerdings erhebliche Zweifel an der Umweltverträglichkeit und den tatsächlich möglichen Förderquoten. Die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU gehen sehr unterschiedlich mit „Fracking“ um. Während in Deutschland der Koalitionsvertrag ein Moratorium bei gleichzeitiger Fortsetzung der Erforschung verspricht, werden in anderen Mitgliedstaaten Probebohrungen durchgeführt. Insbesondere das Vereinigte Königreich forciert das neue Abbauverfahren. In Frankreich, Bulgarien und Teilen Nordspaniens hingegen ist „Fracking“ verboten. Die Europäische Kommission strebt nun eine Angleichung der Regulierungen an.

„Fracking“ ist keine völlig neue und unbekannte Technologie. Seit den 1940er Jahren wird sie erforscht und im Bergbau angewendet. Doch erst seit die konventionellen Erdgasvorkommen zur Neige gehen, wird es als Fördermethode für Gas in Betracht gezogen. Aufgrund der gestiegenen Gaspreise rechnet es sich erst jetzt, diese teurere Methode anzuwenden.

Beim „Fracking“ wird zuerst eine vertikale Bohrung in Schiefergestein vorgenommen. In diesem ist Erdgas eingeschlossen, man spricht daher von Schiefergas. Im nächsten Schritt wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien eingepumpt, wodurch unzählige Risse im Schiefer entstehen. Der Sand lagert sich in den Rissen ab und verhindert, dass sie sich wieder schließen. Die Flüssigkeit wird wieder abgepumpt und mit ihr Erdgas zu Tage gefördert, wobei einige Chemikalien in der Erde zurückbleiben. Das abgepumpte Spülwasser ist erheblich kontaminiert und wird entweder nach Aufbereitung wiederverwendet oder unaufbereitet in das Bohrloch eingepumpt und unter der Erde abgelagert.

Umweltschützer kritisieren an diesem Verfahren die dauerhafte Kontaminierung des Bodens durch das chemisch belastete Wasser. Die langfristigen Auswirkungen sind nicht abzusehen. Bereits jetzt sind in den USA jedoch Grundwasserquellen durch nahegelegenes „Fracking“ soweit beeinträchtigt, dass bei Proben bedenkliche Mengen Methan, Ethan und Propan festgestellt wurden. Genauso wenig absehbar sind seismische Folgen. „Fracking“ funktioniert durch die künstliche Erzeugung von Kleinsterdbeben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die freigesetzten Spannungen auch zu größeren Erdbeben kommen kann, auch wenn dies bis heute noch nie vorgekommen ist.

Die Fürsprecher der unkonventionellen Abbaumethode betonen stets, dass der Gaspreis in Europa zu hoch sei und die damit einhergehenden Energiekosten die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas gefährdeten, insbesondere in der energiehungrigen Schwerindustrie. Es wird auf die Erfolge in den USA verwiesen, wobei jedoch einige Besonderheiten Europas ignoriert werden. So bietet sich „Fracking“ nur in dünn besiedelten Gegenden an und der Preis hängt maßgeblich davon ab, wie tief das Schiefergas sitzt. In Europa dürfte in einigen Ländern, vor allem in Deutschland und in den Niederlanden, die hohe Bevölkerungsdichte ein Hemmnis sein. In Frankreich und Polen gibt es zwar dünn besiedelte Regionen, die in Frage kämen. Doch die tiefe Lage des Schiefergesteins macht die Ausbeutung kostenintensiv und in Polen kommt eine mangelhafte Infrastruktur dazu. Die dadurch nötigen Investitionen verteuern die Produktion zusätzlich. Zudem sind die Umweltschutzstandards innerhalb der EU wesentlich strenger als in den betreffenden Bundesstaaten der USA.

Das Interesse am „Fracking“ kommt vor allem aus der Industrie, folgt also einer wirtschaftlichen Sichtweise. Rückendeckung kommt aber auch von Teilen der Politik. Die Abhängigkeit von Erdgasimporten beunruhigt vor allem im Hinblick auf Russland. Das Land findet zu einem neuen politischen Selbstbewusstsein zurück und hat einen beachtlichen Joker in der Hand, importiert doch allein Deutschland fast 40 Prozent des Erdgases aus sibirischen Quellen.

Am 3. Oktober 2013 hat die Europäische Kommission ihren endgültigen Bericht über die öffentliche Konsultation zu unkonventionellen fossilen Brennstoffen (z.B. Schiefergas) veröffentlicht. An dieser Konsultation hatte sich auch das EKD-Büro Brüssel beteiligt (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 142). Aus dem Bericht über die Konsultation geht vor allem hervor, dass es einen großen Bedarf an weiteren Informationen bezüglich der unkonventionellen Gasförderung und große Unterschiede in der Bewertung der Methode gibt. Umweltkommissar Janez Potočnik betonte unlängst in einer Rede, der unterschiedliche Umgang mit „Fracking“ innerhalb der EU führe zu einer Verunsicherung der Industrie und hemme Investitionen. Gleichzeitig gebe es eine große Skepsis innerhalb der Bevölkerung gegenüber dieser Fördermethode.

Die Energieversorgung und die Zusammensetzung des Energie-Mix liegen in den Händen der Mitgliedsstaaten. Die EU kann also „Fracking“ nicht verbieten oder ein Moratorium verhängen. Über den Umweg des Umweltschutzes kann die EU jedoch regulatorisch eingreifen und plant mit einer Richtlinie, die Rahmenbedingungen für das „Fracking“ anzugleichen. Aufgrund der Wahlen zum Europäischen Parlament und dem Antritt einer neuen Kommission wäre jedoch vermutlich nicht vor 2015 mit dem Abschluss eines möglichen Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen.

Das Europäische Parlament hat am 9. Oktober 2013 vorgeschlagen, im Rahmen der Änderung der Umweltverträglichkeitsrichtlinie auch für geplante „Fracking“-Projekte eine Umweltverträglichkeitsstudie einzuführen. Bisher sind sie auf Grund der in der Regel unter 500.000 m³ pro Tag liegenden Fördermenge davon ausgenommen, außer die nationale Gesetzgebung regelt etwas anderes.

Die Landessynoden der evangelischen Kirchen von Westfalen, im Rheinland, Mitteldeutschlands und Kurhessen-Waldecks lehnen „Fracking“ einhellig ab. Die Resolution „Bewahrung der Schöpfung - keine Genehmigung für unkonventionelle Erdgasförderung“ des 33. Evangelischen Kirchentags in Dresden richtete sich an die Bundesregierung und die zuständigen Behörden für Erdgasförderung. Es wird darin ein konsequenter Umstieg auf 100 Prozent regenerative Energien gefordert, der ohne neue Kohlekraftwerke und insbesondere ohne „Fracking“ auskommt.

Die Exploration von heimischen fossilen Energiequellen kann zwar die Abhängigkeit von anderen Staaten senken, verlagert das grundlegende Problem der Ressourcenausbeutung aber nur. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die Vorkommen in Deutschland den Bedarf nur für zehn Jahre decken können. Das langfristige Ziel der Energieunabhängigkeit, der Reduzierung von Kohlenstoffdioxid, kurzum der Energiewende, sollte in den Fokus rücken. Erneuerbare Energien sind schon jetzt eine realistische Alternative. Wind, Wasser und Sonne stehen dauerhaft zur Verfügung und sind somit nachhaltige Energiequellen.

Nähere Informationen  zu unkonventionellen fossilen Brennstoffen finden Sie unter:



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