Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Bahn frei für Ashton: EU-Parlament billigt Kompromiss zum EAD

(Patrick Roger Schnabel)

Am 8. Juli 2010 hat das Europäische Parlament (EP) den „Kompromiss von Madrid“ angenommen, mit dem sich die Vertreter des Parlaments mit der Hohen Beauftragten, Baroness Ashton, sowie den Vertretern von Rat und Kommission auf ein Mandat für den im Vertrag von Lissabon vorgesehenen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) verständigt hatten. Der Kompromiss beendet ein monatelanges Ringen um mehr parlamentarische Kontrolle des neuen diplomatischen Corps der Union (vgl. Europa-Informationen Nr. 133).

 

Am 26. Juli 2010 stimmten auch die Außenminister der EU-Staaten dem Kompromiss zu, so dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden könnte, den EAD bis zum Dezember aus der Taufe zu heben. Allerdings muss das EP zuvor auch noch dem Personalstatut zustimmen, denn vorher können die Schlüsselpositionen des neuen Dienstes nicht besetzt werden.

 

Der Kompromiss beinhaltet Änderungen an dem Ratsbeschluss zur Einrichtung des EAD, aber auch zwei „politische Erklärungen“ der Hohen Beauftragten, deren juristischer Wert als bloße „Deklaration“ zweifelhaft ist. Eine – technische – Erklärung bezieht sich auf die Grundstrukturen des Dienstes, eine auf die Anhörungs-, Kontroll- und Beteiligungsrechte des EP. Dem Parlament war es vor allem darum gegangen, nicht nur die finanzielle, sondern auch die politische Kontrolle zu haben. Das war insofern strittig, als der Dienst auch für nicht vergemeinschaftete Politikbereiche wie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zuständig ist. Das Parlament bestand jedoch darauf, dass die angestrebte „Außenpolitik aus einem Guss“ dann auch vollständig der Gemeinschaftsmethode unterstellt werden müsse.

 

Der Ratsbeschluss sieht nun vor, dass der Haushalt des Dienstes in zwei getrennte Budgets geteilt wird: Das operationelle wird dem Haushalt der KOM eingegliedert, das administrative wird separat aufgestellt, aber unterfällt ebenso der Haushaltskontrolle des EP. Die größeren Missionen der EU (z.B. Afghanistan, Kosovo) sollen erstmals eigene Haushaltslinien erhalten, um eine größere Transparenz zu gewährleisten.

 

Die 6000 bis 7000 Diplomaten und Beamten sind alle allein der Union und ihren Zielen verpflichtet, wenn sie ihren Dienst ausüben. Um den Vorrang des Gemeinschaftlichen zu unterstreichen, sollen aber mindestens 60% der Mitarbeiter von der Union gestellt werden und nur mindestens 30% aus den Auswärtigen Diensten der Mitgliedstaaten abgeordnet werden.

 

Zu den Erfolgen der Parlamentarier gehört, dass sich die Hohe Beauftragte bei Terminen im EP nicht durch das Generalsekretariat – also Beamte – vertreten lassen kann, sondern nur durch ihre Vertreter in der Kommission (die Kommissare für Erweiterung, Entwicklung und Humanitäre Hilfe) bzw. durch den Außenminister des Landes, das gerade die rotierende Ratspräsidentschaft innehat. Auch geht auf das EP zurück, dass Menschenrechte, Krisenmanagement und Friedensbildung in der Struktur angemessen berücksichtigt werden sollen. Schließlich ist das EP über wichtige strategische Entscheidungen vorab zu informieren.

 

Im Einzelnen sieht der Beschluss Folgendes vor:

 

Beim EAD handelt es sich um eine funktional selbständige Einrichtung der EU, die der Hohen Beauftragten untersteht. Er unterstützt sie in der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Außen- und Sicherheitspolitik, als Permanente Vorsitzende des Außenministerrates und als Vizepräsidentin der EU-Kommission. Ziel des EAD ist es dabei, Konsistenz zwischen den verschiedenen Feldern der Außenbeziehungen und den anderen EU-Politiken herzustellen. Er soll die außenpolitischen Ziele und Vorstellungen umsetzen, wie sie in den Verträgen und Vereinbarungen festgelegt sind. Dazu konsultiert die Hohe Beauftragte das Parlament auch zu den Grundlinien der GASP. Den Parlamentariern wird angemessener Zugang  zu vertraulichen Dokumenten ermöglicht. Bei den Mitarbeitenden wird auf eine angemessene geographische und geschlechterbezogene Verteilung geachtet, auch mit Blick auf die Repräsentation aller Mitgliedstaaten.

 

EAD und Kommission konsultieren sich in allen Fragen außer solchen, die durch ihre alleinige Zugehörigkeit zur GSVP nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fallen. Der Dienst gliedert sich in Generaldirektionen, die sowohl regionale als auch thematische Abteilungen umfassen. Sie koordinieren sich mit den jeweiligen Fachreferaten in Kommission und Rat. Die Abteilungen für Krisenmanagement und Planung, die Abteilung für zivile Planung und Durchführung, sowie der Europäische Militärstab und das „situation centre“ unterstehen direkt der Hohen Beauftragten.

 

Der EAD besteht aus der zentralen Verwaltung in Brüssel und den Delegationen in Drittstaaten und bei Internationalen Organisationen. Die Delegationen – quasi als EU-Botschaften – werden von der Hohen Beauftragten in Einvernehmen mit Rat und Kommission eröffnet oder geschlossen.

Die Hohe Beauftragte soll die EU-Außenpolitik koordinieren – und dabei die bestehenden Instrumente berücksichtigen:

§  das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit

§  den Europäische Entwicklungsfonds

§  das Finanzierungsinstrument zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten

§  das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument

§  das Finanzierungsinstrument für die Zusammenarbeit mit industrialisierten Ländern und Gebieten sowie mit anderen Ländern und Gebieten mit hohem Einkommen

§  das Instrument für Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit

§  das Stabilitätsinstrument.

Dabei sollen finanzielle Rahmenvorgaben für jede Region sowie Strategien und Programme für Länder und Regionen erstellt werden. Die Koordination der Instrumente erfolgt, je nach Zugehörigkeit zu einem Politikbereich, in unterschiedlicher Zuordnung zu den Diensten der Union: Das Instrument für die Entwicklungszusammenarbeit und der Entwicklungsfonds werden von EAD und Kommission zusammen geplant, wobei der Entwicklungskommissar die Federführung hat und die Kommission sie verabschiedet. Gleiches gilt für die thematischen Instrumente (bis die für Förderung von Demokratie und Menschenrechten, für nukleare Sicherheit und das Stabilitätsinstrument). Entsprechend ist das Verfahren für die Nachbarschaftspolitik, in dem der Nachbarschaftskommissar die Federführung hat. Bei der GSVP, dem Stabilitätsinstrument, dem Instrument für die Zusammenarbeit mit den Industrieländern, der Öffentlichkeitsarbeit und bei Wahlbeobachtungsmissionen trägt allein die Hohe Beauftragte die politische Verantwortung, die Kommission ist nur für die finanziellen Aspekte zuständig.

 

Mit dem „Kompromiss von Madrid“ ist es gelungen, eine Balance zwischen gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Interessen in der Außenpolitik zu erzielen,  der der Gemeinschaftsmethode mehr Gewicht gibt, als die Regierungen es ursprünglich beabsichtigt hatten. Das verdankt sich dem Einsatz des Europäischen Parlaments, das seine durch den Lissabon-Vertrag gestärkte Position nutzte, den Staaten „mehr Europa“ in diesem sensiblen Gebiet abzuringen. Aus kirchlicher Sicht ist daneben begrüßenswert, dass Menschenrechte, Krisenmanagement und Friedensbildung auf dem Papier mehr Gewicht erhalten haben – spannend wird nun die Umsetzung.

 

Den Ratsbeschluss zum EAD finden Sie unter: http://register.consilium.europa.eu



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