Bildungsrelevante Förderung für Kinder mit Migrationshintergrund - Kommission legt Studie vor

(Gisela de Vries)

Am 11. April 2013 stellte die Europäische Kommission eine Studie zum Thema „Bildungsrelevante Unterstützung für neu zugewanderte Schüler mit Migrationshintergrund“ vor. Diese wurde vom „Public Policy and Management Institute“ aus Litauen erstellt. In der Studie wurde die Situation in den 15 Mitgliedstaaten der EU untersucht, die in den letzten Jahren bedeutende Zuwanderungsströme verzeichneten (Österreich, Flämische Gemeinschaft in Belgien, Tschechische Republik, Zypern, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden und Vereinigtes Königreich).

Hintergrund der Studie ist die Strategie für Wachstum und Beschäftigung (Europa-2020-Strategie) der Europäischen Union. Einer ihrer Schwerpunkte betrifft den Bereich Bildung. Dabei haben die Mitgliedstaaten anspruchsvolle Ziele vereinbart, wie zum Beispiel, dass der Anteil der 15-Jährigen mit unzureichenden Fertigkeiten in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften bis 2020 auf unter 15 Prozent und der Anteil der Schul- und Ausbildungsabbrecher auf unter 10 Prozent reduziert werden soll.

Um diese Ziele zu erreichen, sind große Anstrengungen zu unternehmen für alle Schülerinnen und Schüler. Migrantenkinder sind eine wichtige Untergruppe, da ihre Zahl in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. So hatten, um nur einige Zahlen zu nennen, im Schuljahr 2009/2010 17,6 Prozent der in österreichischen Schulen angemeldeten Schülerinnen und Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch. In Griechenland ist der Prozentsatz an Schülern mit Migrationshintergrund von der Vorschule bis hin zur weiterführenden Schule zwischen den Schuljahren 2006/2007 und 2010/2011 von 7,3 Prozent auf 12 Prozent angestiegen.

In der Studie wurde festgestellt, dass die neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund (NAMS) bis auf einige Ausnahmen im Schnitt auf allen Stufen ihres Bildungsweges schlechter abschneiden als einheimische Schüler. Sie haben häufig einen nur begrenzten Zugang zu hochwertiger Bildung, die Wahrscheinlichkeit, dass sie an vorschulischen Bildungsangeboten teilnehmen ist geringer, sie brechen häufiger vor Abschluss der Sekundarstufe die Schulbildung ab, erzielen im Schnitt schlechtere Noten und besuchen hauptsächlich Schulen mit einer sozial benachteiligten Schülerschaft. Viele dieser Schwierigkeiten haben die NAMS mit Kindern aus Einwandererfamilien der zweiten oder dritten Generation gemeinsam. Jedoch wurde festgestellt, dass ihre Ausgangsbedingungen in vielerlei Hinsicht schwieriger sind.

So brachen im Jahr 2010 25,9 Prozent der im Ausland geborenen Schüler ihre Schul- und Ausbildung ab, im Vergleich zu 13 Prozent der einheimischen Schüler. Diese Ergebnisse werden von 17 PISA-Umfragen bestätigt, die geringere Leistung von Migranten der ersten Generation im Vergleich zu einheimischen Schülern festgestellt haben.

Dafür sehen die Durchführenden der Studie verschiedene Ursachen: 1) Durch frühe Leistungserfassung oder das Wohnsitzerfordernis als Bedingung für die Einschulung ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass NAMS Schulen mit schlechterer Ausstattung besuchen als einheimische Schüler. 2) Ebenso ist es notwendig, dass die Kinder mit Migrationshintergrund in der Schule verbleiben und ihre Ausbildung abschließen. Schulabbrecher kommen häufig aus sozio-ökonomischen Schichten, aus benachteiligten und Risiko-Gruppen. Einwanderer sind in diesen Gruppen häufig überrepräsentiert. 3) Schlechtere schulische Leistungen rühren aber auch oft daher, dass die Schülerinnen und Schüler zu Hause eine andere Sprache als die Unterrichtssprache sprechen.

Insgesamt gilt, dass für das schlechte Abschneiden der NAMS der sozio-ökonomische Hintergrund, der Zeitpunkt der Ankunft im Land und die Kenntnisse der Sprache des Aufnahmelands den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung, die schulischen Leistungen und das Erreichen von mindestens der Sekundarstufe II beeinflussen. Ebenfalls von Bedeutung für die Integration von NAMS wird der Grad der Zentralisierung des Bildungssystems und damit einhergehend die Möglichkeit, zielgruppenspezifische Angebote machen zu können, angesehen.

In ihrer Untersuchung der Systeme der 15 Staaten konnten die Forscher vier bildungsrelevante Fördermaßnahmen identifizieren, die die Integration von NAMS in die nationalen Bildungssysteme unterstützen sollen. Dazu zählen die sprachliche und schulische Unterstützung, die Einbindung und Kooperation mit den Eltern sowie interkulturelle Bildung in den Schulen. Diese sind in unterschiedlichen Kombinationen und Ausprägungen in fünf nationalen Fördermodellen umgesetzt.

Dabei schnitt das umfassende Fördermodell, das in Dänemark und Schweden angewendet wird, am besten ab. In diesem sind alle vier Arten der Förderung gut ausgeprägt. Dabei wird eine kontinuierliche Förderung zur Entwicklung von Sprachkenntnissen, Unterstützung von Lehrkräften und zur Hilfe bei dem Übertritt in höhere Bildungseinrichtungen gewährleistet. Dezentralisierte Bildung und hohe Schulautonomie gehen einher mit einem starken Fokus auf Unterstützungsangebote für Eltern und Gemeinden. Ebenso wird interkulturelles Lernen in die Bildung miteinbezogen. Ergänzt werden die schulischen Maßnahmen durch ein positives Umfeld der Schulen und verschiedene interkulturelle Initiativen.

Zum Schluss geben die Wissenschaftler Entscheidungsträgern und Akteuren drei Kernbotschaften auf den Weg:

  1. Für die Integration von NAMS ist ein integrierter Ansatz besonders vielversprechend. Dabei sind die Gesamtstruktur des Bildungssystems und dessen Auswirkungen für die Integration von NAMS wichtiger als gezielte Maßnahmen für die Zielgruppe.
  2. Für eine umfassende Integrationspolitik ist es nicht notwendig, NAMS als spezifische Zielgruppe für Bildung zu identifizieren. Stattdessen profitieren sie besonders von Systemen, die alle leistungsschwachen Schüler, nicht nur die Migranten, erfassen.
  3. Als letzten Punkt empfehlen die Wissenschaftler ein System, in dem Schulen und Kommunen einen angemessenen Grad an Autonomie haben sollten, um den lokalen Bedürfnissen besser gerecht werden zu können. Gleichzeitig fordern sie die Einführung umfassender Evaluations- und Monitoring-Systeme, um feststellen zu können, ob angebotenen Bildungsmaßnahmen die Migrantenkinder erreichen und ihren (Lern-) Bedürfnissen gerecht werden.


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