„Europas Waffen für die Welt? – Rüstungsexporte im Spannungsfeld von Wirtschafts- und Außenpolitik“ – Podiumsdiskussion und Vorstellung des Friedensgutachtens 2013

(Martin Kasperek)

Am 18. Juni 2013 wurde im EKD-Büro Brüssel das Friedensgutachten 2013 vorgestellt, das von vier großen deutschen Instituten für Friedens- und Konfliktforschung herausgegeben wird und dieses Jahr den Titel „Neue Kriege, neue Rüstung, neue Rüstungsmärkte“ trägt. Die Vorstellung und Moderation der anschließenden Podiumsdiskussion erfolgte durch Dr. Marc von Boemcken vom Bonn International Center for Conversion (BICC), das das Gutachten mitherausgibt. Bei der Veranstaltung in Brüssel wurde der Schwerpunkt der Betrachtung auf die europäische Dimension der Rüstungspolitik und die Rolle der Industrie gelegt.

Michael Brzoska, Professor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und einer der Autoren des Gutachtens, stellte in seinem einleitenden Impulsvortrag verschiedene Perspektiven für die europäische Rüstungspolitik vor: Die europäische Rüstungsindustrie sei im Vergleich zur amerikanischen weniger wettbewerbsfähig, dies auch wegen der geringeren Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Eine stärkere Förderung, speziell für Technologien, die auch im zivilen Bereich nutzbar sind, sei aber sehr teuer. Auch die Schaffung eines europäischen Rüstungsmarkts sei schwierig, dieser ständen starke nationale Interessen entgegen. In der Sicherheitswirtschaft, die von der Rüstungswirtschaft als wichtiger Zukunftsmarkt gesehen werde, hätten viele europäische Rüstungsunternehmen in den letzten Jahren zwar Erfolge gehabt – dies könne jedoch die Schwäche der europäischen Rüstungspolitik nicht kompensieren. Die von Prof. Brzoska bevorzugte Entwicklung der europäischen Rüstungsindustrie bestände in einer weiteren Konsolidierung, und zwar auf ein Niveau, das dem Bedarf der europäischen Streitkräfte entspreche, so dass man nicht weiter vom Export abhängig sei. Um die damit verbundene Schwächung der Unternehmen abzufedern, müssten Maßnahmen der Diversifizierung und der Konversion ergriffen werde.

Jan Grebe vom Bonn International Center for Conversion, der gleichzeitig Vorsitzender der Fachgruppe Rüstungsexporte der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) ist, äußerte sich anschließend zu deutschen und europäischen Rüstungsexporten. Auch wenn der europäische Markt für die europäische Rüstungsindustrie immer noch am wichtigsten sei, seien viele europäische Länder abhängig von Exporten in Drittstaaten, in denen die Militärhaushalte stiegen, wie in Südamerika oder im Nahen Osten. Die Entscheidungen über Rüstungsexporte liegen in der EU bei den einzelnen Staaten. Der Gemeinsame Standpunkt von 2008 enthält zwar einen Verhaltenskodex, der die Staaten bei ihren Exporten anleiten soll, dieser werde jedoch von den Staaten höchst unterschiedlich interpretiert und umgesetzt. Es gebe kein gemeinsames Verständnis über kritische Exportländer. Die Konsultationsmechanismen innerhalb der EU seien mangelhaft, man verständige sich derzeit lediglich über abgelehnte Transporte. Herr Grebe forderte dementsprechend mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten in der EU. Rüstungsexporte und ihr Nutzen müssten zudem nicht nur außen- und sicherheitspolitisch, sondern auch entwicklungs- und friedenspolitisch begründet werden.

Die grüne Europaabgeordnete Dr. Franziska Brantner, die Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten sowie außenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist, setzte sich dafür ein, dass Rüstungskapazitäten zurückgeführt werden. Der Rüstungsmarkt in der EU müsse geöffnet werden wie andere Märkte auch, denn die momentanen bilateralen Rüstungskooperationen hätten sich als wirtschaftlich nicht sinnvoll erwiesen. Frau Dr. Brantner schlug vor, für Rüstungsexporte gemeinsame schwarze und weiße Listen von Ländern zu erstellen. Außerdem müssten mit Unterstützung durch den Europäischen Auswärtigen Dienst Konsultationen durchgeführt werden, wenn Länder aus Europa importierte Rüstungsgüter weiterverkaufen. Da die Forschungsförderung im neuen Programm „Horizon 2020“ stark gekürzt worden sei, sieht Frau Dr. Brantner wenig Chancen für eine Erhöhung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Rüstungsindustrie.

In der anschließenden Podiumsdiskussion zwischen Prof. Brzoska, Herrn Grebe, Frau Dr. Brantner und Brigadegeneral Bernd Schulte Berge (Leiter des Arbeitsbereichs Militärpolitik der Ständigen Vertretung) ging es darum, ob und wie die Rüstungspolitik auch in das geplante transatlantische Freihandelsabkommen integriert werden könne. Angesprochen wurde auch die aktuelle Debatte um deutsche Waffenexporte, zum Beispiel nach Indonesien. Hierzu äußerte Herr Grebe den Wunsch nach einer stärkeren Einbindung des Deutschen Bundestages und nannte Beispiele der parlamentarischen Kontrolle aus anderen Ländern. So habe die Regierung in Großbritannien auf Druck des Parlaments den Abgeordneten und der Öffentlichkeit Einblick in Entscheidungsprozesse von Rüstungsexporten gewährt und ihre Kriterien transparent gemacht. Ein solches Vorgehen könne in andere Länder übertragen werden.

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