Führende Europäische Religionsvertreter und EU-Spitzenpolitiker diskutieren die Zukunft Europas

(Katrin Hatzinger)

Manuel Barroso kamen am 10. Juni 2014 zum 10. Mal europäische geistliche Würdenträger und hochrangige Vertreter der Europäischen Union in Brüssel zusammen. Thema des Treffens war die Zukunft der Europäischen Union und der Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Neben Präsident Barroso waren u. a. der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy und der Vize-Präsident des Europäischen Parlamentes, László Surján, bei dem Austausch zugegen.

 

In einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer eingangs der Opfer des Anschlages auf das Jüdische Museum in Brüssel Ende Mai 2014, der vier Todesopfer gefordert hatte. An dem Austausch nahmen 19 Vertreter des Christentums, des Judentums und des Islams sowie in Europa ansässiger Religionsgemeinschaften wie etwa der Mormonen teil. Für die Deutsche Bischofskonferenz war ihr Vorsitzender und Präsident der COMECE, Reinhard Kardinal Marx, anwesend. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, rief dazu auf, das Ergebnis der Europawahlen ernst zu nehmen und der offensichtlichen Entfremdung eines Teils der Bürgerinnen und Bürger von der Europäischen Union zu begegnen. „Nicht durch undifferenziertes Europapathos oder eine Strategie der Pauschalierung und Ausgrenzung als Europagegner. Nein, durch Ansprache und Auseinandersetzung mit den realen Ängsten und Befürchtungen der Menschen", betonte Schneider. „Auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften stehen in der Verantwortung, Europa als Heimat, als geistliches Zuhause erlebbar zu machen."

 

Hinsichtlich der Debatte um ein neues Narrativ für Europa bemerkte der Ratsvorsitzende: „Ich frage, ob denn das ‚alte‘ Leitmotiv einer EU als Friedensprojekt, als Garant für Wohlfahrt und Gerechtigkeit wirklich ausgedient hat?"

Vorrangig stehe die Politik in der Verantwortung, die Menschen zu überzeugen. „Daneben dürfen aber auch wir alle nicht nachlassen, die Bürgerinnen und Bürgern zu ermutigen, sich – durchaus auch kritisch – mit der EU auseinanderzusetzen und Europa zu ihrer Sache zu machen." Im Vorfeld der Europawahlen habe es dazu auch in zahlreichen Kirchengemeinden und Landeskirchen in Deutschland eine Vielzahl von Veranstaltungen und Wahlaufrufe gegeben. „Solches Engagement macht Mut für die Zukunft Europas." Aktuell böten sich eine Reihe von Anlässen, die Demokratie auf EU-Ebene zu stärken und die Wertegemeinschaft wieder mit Leben zu füllen, so Schneider. So müsse bei der Bestimmung des Präsidenten der Europäischen Kommission der Wählerwille respektiert werden. Die EU müsse aber zum Beispiel auch bei der Energie- und Umweltpolitik ihren Ehrgeiz beibehalten und mutig vorangehen. Ebenso sollten die Anstrengungen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa fortgeführt und verstärkt werden. Hier ergänzte er sich gut mit Kardinal Marx, der hervorhob, dass die Akzeptanz der EU in der Bevölkerung steigen würde, wenn sie mehr konkrete Lösungsvorschläge für dringende Probleme brächte.

 

Erstmals wurde bei dem Treffen auch eine gemeinsame Erklärung von den EU-Spitzenpolitikern und den Religionsführer zum weltweiten Schutz der Religionsfreiheit und zur unverzüglichen Freilassung der sudanesischen Christin, Mariam Jahia Ibrahim Ishak, verabschiedet. Sie wurde im Sudan wegen der Abkehr vom Islam zum Tode und wegen ihrer Ehe mit einem Christen zu 100 Peitschenhieben verurteilt und saß deshalb bis zu ihrer Freilassung Ende Juni in Haft.

 

Die jährlichen hochrangigen Dialogtreffen senden ein wichtiges Signal an die Öffentlichkeit und haben sich als anregende Austauschplattform bewährt. Es ist zu hoffen, dass der neue Kommissionspräsident den Dialog in diesem Format weiterpflegen, wenn nicht sogar intensivieren wird.



erweiterte Suche