Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative „Einer von uns“ zurückgewiesen

(Anne M. Müller)

Am 28. Mai 2014 hat die Europäische Kommission entschieden, keinen Gesetzgebungsvorschlag als Antwort auf die Europäische Bürgerinitiative (EBI) One Of Us – Einer von uns vorzulegen.

 

Die zentrale Forderung der Initiative war es, dass die EU keine Forschung unterstützen dürfe, die die Vernichtung menschlichen Embryos voraussetzt, und auch keine Entwicklungshilfeprojekte mit EU-Geldern fördern dürfe, die direkt oder indirekt Schwangerschaftsabbrüche in ihre Arbeit einbeziehen. Daraus ergaben sich für die Initiative konkret drei Vorschläge zu Gesetzesänderungen (Haushaltsordnung, Horizont-2020-Verordnung, Verordnung über das Instrument für die Entwicklungszusammenarbeit). Über 1,7 Millionen gültige Unterschriften wurden insgesamt in allen EU-Ländern von der Initiative zusammengetragen, wobei in 18 Staaten mehr als die erforderliche Anzahl an Unterschriften zusammen gekommen ist (besonders in Italien, Spanien, Deutschland, Polen und Rumänien). Erforderlich für eine EBI sind eine Million Unterschriften in sieben Mitgliedstaaten. Die Initiative verzeichnet ihre fast zwei Millionen Unterschriften als großen Erfolg und als Beweis für die breite Unterstützung aus der Bevölkerung für ihr Anliegen.

 

Hedwig von Beverförde, die nationale Koordinatorin von Einer von uns für Deutschland, wirft der EU vor, dass sie sich nicht an ihr eigenes Recht halte. Bei diesem Vorwurf bezieht sich die Initiative auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2011 in der Rechtssache C-34/10, Stammzellenforscher Oliver Brüstle gegen Greenpeace (siehe Europa-Informationen Nr. 138). Damals wurde verboten, dass Patente auf Verfahren vergeben werden, bei denen menschliche embryonale Stammzellen verwendet werden. Begründet wurde dies damit, dass das menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginne und man auf Leben keine Patente vergeben könne. Jedoch geht es bei dem Urteil dezidiert um Patentrecht.

 

Die EU-Kommission ist nicht dazu verpflichtet mit einem Legislativvorschlag auf eine erfolgreiche EBI zu reagieren, auch nicht, wenn das Europäische Parlament (EP) oder der Europäische Rat sich dem Anliegen der Initiative anschließen. Sie ist lediglich zu einer sorgfältigen Prüfung des Anliegens und zu einer nachvollziehbaren juristischen und/oder politischen Begründung verpflichtet. Am 9. und 10. April 2014 empfing die Kommission daher Vertreter der Initiative in Brüssel und es fand eine öffentliche Anhörung mit Vertretern der Kommission sowie mit Abgeordneten des EP statt, bei der es zwischenzeitlich sehr turbulent wurde.

 

Die Kommission begründet ihre Entscheidung gegenüber der Initiative vor allem damit, dass sich die gesetzgebenden EU-Organe, also die Mitgliedstaaten und das EP erst im Dezember 2013 und März 2014 ausführlich mit der Materie Forschungs- und Entwicklungspolitik beschäftigt hatten und in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren in vollständiger Übereinstimmung mit Artikel 182 AEUV Beschlüsse getroffen wurden. Deshalb seien keine weiteren legislativen Schritte notwendig. Inhaltlich werden von der Kommission folgende Sachverhalte dargelegt:

  1. Alle Ausgaben der EU müssen nach Artikel 87 der Haushaltsordnung mit den EU-Verträgen und der Charta der Grundrechte im Einklang stehen. Damit gewährleiste bereits dieser Artikel der Haushaltsordnung, dass die Menschenwürde auch bei Ausgaben für Forschungs- und Entwicklungspolitik gewahrt bleibe. Eine Änderung der Haushaltsordnung sei demnach nicht notwendig.
  2. Im Rahmen der Forschungsförderung von Horizont-2020 werde ein dreifach gesichertes System angewandt, um die humane embryonale Stammzellenforschung zu regulieren. Eine dieser Vorschriften schließe explizit aus, dass EU-Mittel zur Gewinnung neuer Stammzellenlinien oder für Forschungen verwendet werden, bei denen Embryos zerstört werden müssen. Auch hier würden weder EU-Verträge noch die Grundrechte-Charta verletzt.
  3. Um dem internationalen Milleniumsentwicklungsziel der Vereinten Nationen zur Senkung der Müttersterblichkeitsrate sowie eines allgemeinen Zugangs zu Leistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit gerecht zu werden, stelle die EU ihre finanzielle Unterstützung den Partnerländern zur Verfügung und respektiere dabei die herrschenden Gesetzesvorgaben, vorausgesetzt, diese stünden mit den vereinbarten Menschenrechtsgrundsätzen im Einklang. Unter Umständen könnten dabei Projekte oder Maßnahmen gefördert werden, die Schwangerschaftsabbrüche zur Rettung des Lebens der Mutter umfassen. Die Kommission befürworte keine Mittelzuweisungen nur für bestimmte Art von Gesundheitsdiensten, denn dies würde eine umfassende und wirksame Unterstützung für die Gesundheitspolitik eines Landes schwieriger machen und damit die Bekämpfung von Müttersterblichkeit sowie den Zugang zu Leistungen der reproduktiven Gesundheit erschweren.

Die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) bedauerte die Entscheidung der Kommission. Unter anderem aufgrund ethischer und rechtlicher Argumente müsse die Kommission laut COMECE legislativ tätig werden und der Forderung der Initiative nachkommen. Für den Vorstand der EBI steht die Entscheidung der Kommission in deutlichem Gegensatz zu dem Prinzip der partizipativen Demokratie, wie es im Vertrag von Lissabon festgeschrieben ist, und würde angeblich den Euroskeptikern in die Hände spielen. Das letzte Wort sei in dieser Sache noch nicht gesprochen.

 

Im Hinblick auf die Frage nach einer ethisch-theologischen Bewertung von Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen bekräftigen Kirchen weiterhin ihren Standpunkt aus der Erklärung „Gott ist ein Freund des Lebens" (1989): Gezielte Eingriffe an menschlichen Embryonen, „die ihre Schädigung oder Vernichtung in Kauf nehmen, sind nicht zu verantworten – und seien die Forschungsziele noch so hochrangig. […] Die Würde des menschlichen Lebens verbietet es, dass es bloß als Material und Mittel zu anderen Zwecken genutzt und – erst recht – gar nur erzeugt wird."



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