Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 133

Verhandlungen zum umstrittenen SWIFT-Abkommen starten aufs Neue

(Harald Krauth)

Am 23. April 2010 haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf dem Treffen der europäischen Innen- und Justizminister in Brüssel einstimmig auf ein Mandat für die Verhandlungen mit den USA über das umstrittene Bankdatenabkommen SWIFT geeinigt. Damit ist der Weg frei für neue Gespräche mit den USA, um US-Terrorfahnder künftig wieder den Zugriff auf Daten von europäischen Bankkunden zu erleichtern.

Betroffen sind europäische Bank-Überweisungsdaten, die der belgische Dienstleister SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) verwaltet. SWIFT wickelt täglich rund 15 Millionen Transaktionen zwischen mehr als 8300 Banken weltweit ab. Die USA nutzen die europäischen Überweisungsdaten zur Terrorfahndung bereits seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Angaben wie Name, Betrag und Empfänger werden an Ermittler in den USA weitergeleitet. Das Interimsabkommen war notwendig geworden, da seit Beginn 2010 die Daten nur noch auf Servern in den Niederlanden und der Schweiz abrufbar sind und nicht mehr in den USA.

Die EU-Innenminister hatten Ende November 2009 ein SWIFT-Interimsabkommen beschlossen, das den Austausch von Bankdaten zwischen den USA und der EU regelt. Das Interimsabkommen trat nach einer Entscheidung des EU-Ministerrates am 1. Februar 2010 in Kraft. Das Europäische Parlament, das auf Grund des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Lissabon-Vertrages seine Zustimmung zu dem Abkommen geben muss, lehnte das Interimsabkommen mit großer Mehrheit wegen Datenschutzbedenken am 11. Februar 2010 ab. Die Abgeordneten haben damit erstmals von ihrem Mitentscheidungsrecht beim Abschluss internationaler Verträge auch im Bereich innerer Sicherheit Gebrauch gemacht. Die Berichterstatterin des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EP (LIBE) Jeanine Hennis-Plasschaert (ALDE, NL) bemängelte im Vorfeld der Abstimmung, dass das von den SWIFT-Daten gefütterte „Terrorist Finance Tracking Program“ (TFTP) der USA nicht mit europäischen Grundfreiheiten vereinbar sei.

Die EU-Kommission hat daraufhin dem Rat am 24. März 2010 einen Mandatsentwurf für Verhandlungen mit der US-Regierung vorgelegt. Der Entwurf wurde nicht veröffentlicht, die EU-Kommission nannte jedoch Eckpunkte. Er soll demnach darauf abzielen, mit den USA weitreichende Garantien für den Schutz personenbezogener Daten auszuhandeln. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte, Datenanfragen müssten im Vorfeld von den Justizbehörden genehmigt werden und betroffene EU-Bürger sollten Zugang zu Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln erhalten. Das Mandat fordere Garantien, dass die Daten ausschließlich für die Terrorismusbekämpfung verwendet werden. An Drittstaaten dürften lediglich Hinweise, aber nicht größere Datenmengen übermittelt werden. Ferner soll die Menge personenbezogener Daten, die den US-Behörden übermittelt wird, nach Möglichkeit beschränkt werden. Der Vorschlag sieht zudem vor, dass Datenanfragen im Vorfeld von den Justizbehörden genehmigt werden müssen. Das Mandat sieht eine allgemeine Datenspeicherfrist von höchstens fünf Jahren vor. Im Falle eines Verstoßes gegen die Datenschutzgarantien soll die EU das Abkommen beenden können. Darüber hinaus sei festgelegt, dass die EU-Kommission das EP in allen Phasen der Verhandlungen umfassend informiert. Kommt das Abkommen zustande, soll das EP über den Umfang der Datenweitergabe und daraus resultierende Erfolge bei der Antiterror-Fahndung informiert werden.

Am 7. April 2010 hat der LIBE-Ausschuss den vorgelegten Mandatsentwurf diskutiert. Viele EU-Parlamentarier kritisierten den Entwurf als wenig ambitioniert. Als problematisch wurde erachtet, dass die EU-Kommission die sog. „Rechtshilfeschiene“ zu wählen scheine, d.h. als Rechtsgrundlage auf etwaige bestehende Rechtshilfeabkommen zurückgreifen wolle. Dies sei keine geeignete Grundlage für das Abkommen, da Rechtshilfe dem Strafverfahren und nicht der nachträgliche Auswertung von gespeicherten Daten diene. Weiterer Kritikpunkt war die im Mandatsentwurf vorgesehene Übertragung von Massendaten großer Personengruppen („bulk data“). Der deutsche Abgeordnete Jan Philipp Albrecht (Grüne) gab zu bedenken, dass auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung beachtet und dessen Vorgaben den USA in den Verhandlungen vermittelt werden müsse. In der jetzigen Form habe er Zweifel, dass die „hohen Hürden“ das Bundesverfassungsgerichts für den Zugriff auf Daten ausreichend beachtet worden sein. Weitere Fragen, die zu klären seien, seien die zeitliche Begrenzung des Abkommens und eine möglichst kurze, keinesfalls längere Speicherfist als fünf Jahre.

Berichterstatterin Hennis-Plasschaert hat auf Grundlage der Aussprache im Ausschuss einen Entwurf eines Entschließungsantrags zum Verhandlungsmandat ausgearbeitet. Der Rat wurde aufgefordert, keine Entscheidung zu treffen, bevor das EP über den Entwurf abgestimmt habe.

Mit der Einigung auf das Mandat setzten sich die EU-Innenminister jedoch über die Forderung des EU-Parlaments, die Abstimmung aufzuschieben, hinweg. Das Mandat muss noch formell verabschiedet werden. Der Beschluss gilt aber als Formsache. Innenkommissarin Cecilia Malmström begrüßte den Beschluss und kündigte erste Gespräche mit den USA für Anfang Mai an.

Am 5. Mai 2010 hat das EU-Parlament auf einer Plenarsitzung den von Frau Hennis-Plasschaert ausgearbeiteten Entschließungsantrag angenommen, in dem die Kritik an dem Mandat erneuert wird. Das Parlament bekräftigt, dass es keine Übertragung von Massendaten, die danach von den US-Behörden durchsucht werden, akzeptieren wird, sondern eine strenge Eingrenzung der Daten verlangt. „Es muss genau festgelegt werden, welche Daten überhaupt übermittelt werden dürfen und ob und wie die amerikanischen Behörden sie bearbeiten dürfen“ erklärten Ernst Strasser und Manfred Weber (beide EVP), die als Unterhändler des Parlaments an den Verhandlungen mit den US-Behörden beteiligt sind. Das Parlament erwartet auch, dass das Prinzip der Gegenseitigkeit es der EU auch erlauben müsste, auf in den USA gespeicherte Daten zuzugreifen. Europäischen Bürgern müsse zudem im Fall des Datenmissbrauchs die gleichen Rechte zugestanden werden wie Amerikanern (der durch den „US Privacy Act“ geregelte Rechtsweg kann derzeit nur von US-Bürgern oder in den USA permanent Aufenthaltsberechtigten genutzt werden). Der innenpolitische Sprecher der FDP im EP, Alexander Alvaro, geht davon aus, dass das Parlament diesmal intensiver in die Beratungen einbezogen wird. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments zum endgültigen Abkommenstext sei kein Selbstläufer, warnte Alvaro.

Der Entschließungsantrag kann eingesehen wer-den unter:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=MOTION&reference=B7-2010-0243&language=DE 



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