Junckers Investitionspaket – Folgt auf den 315-Milliarden-Rausch der 21-Milliarden-Kater?

(Julia Maria Eichler)

Schon im Juli 2014 hatte der heutige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Investitionen in Höhe von 300 Milliarden Euro versprochen, mit denen die noch von der Wirtschafkrise angeschlagene europäische Wirtschaft angekurbelt werden soll und neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Am 26. November 2014 hat die Kommission nun ihren Vorschlag für ein Investitionsprogramm vorgestellt. Aus den 300 Milliarden sind nun sogar 315 Milliarden geworden. Kritischere Stimmen behaupten, allen großen Ankündigungen zum Trotz würden nur 21 Milliarden für Investitionen zur Verfügung gestellt.

Die neue Europäische Kommission ist angetreten, um die europäische Wirtschaft auf einen soliden Wachstumskurs zu bringen. Das neue Investitionsprogramm fügt sich in das Arbeitsprogramm der Kommission für 2015 ein, das sich auf Arbeitsplätze, Wachstum und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft fokussiert. Es soll in den kommenden drei Jahren zu zusätzlichen öffentlichen und privaten Investition in Höhe von 315 Milliarden Euro anregen.

Das Programm ist Teil des Gesamtkonzepts der Europäischen Kommission für die Wirtschafts- und Sozialpolitik, das sich neben den Investitionsimpulsen aus der energischen Wiederaufnahme der Strukturreformen und verantwortungsvoller Haushaltspolitik zusammensetzt. Daher werden unabhängig von dem Investitionsprogramm durch die europäischen Struktur- und Investitionsfonds von 2014 bis 2020 450 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt.

Seit 2007 ist die Investitionstätigkeit in der EU um mehr als 430 Milliarden Euro und damit 15 Prozent geschrumpft. Das europäische Investitionsniveau liegt damit 230-370 Milliarden Euro unter seinem historischen Trend. Deshalb liegt der Fokus der Kommission vorerst auf dem Herzstück des Investitionsprogramms, dem neuen „Europäischen Fonds für strategische Investitionen" (EFSI), der das Vertrauen privater Investoren zurückgewinnen soll, indem er mit öffentlichen Geldern deren Investitionen absichert. Der EFSI wird daher ein anderes Risikoprofil haben als die bisherigen Instrumente.

Der Kommissionspräsident legte darauf Wert, dass die öffentliche Hand keine neuen Schulden aufnimmt. Die Garantien in Höhe von 16 Milliarden Euro kommen aus dem EU-eigenen Haushalt. Die Garantie wird durch acht Milliarden Euro vorhandener EU-Mittel z. B. aus dem Programm „Horizont 2020" aufgestockt. Weitere fünf Milliarden Euro stellt die Europäische Investitionsbank (EIB) zur Verfügung. Die große Wirkung des Investitionsprogrammes hängt von dem Multiplikatoren-Effekt ab. Die Kommission hofft, für jeden Euro aus öffentlichen Mitteln 15 Euro private Investitionen zu generieren. Nicht nur der Multiplikator von 15 wird allerdings in Kommentaren kritisch bewertet, sondern auch der Abzug von Mitteln aus „Horizont 2020" wird skeptisch beäugt. Denn damit werden die Mittel für den Forschungsbereich verringert.

Den Vorzug sollen strategische Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen (insbesondere Breitband- und Energienetze und Verkehrsinfrastruktur), Bildung, Forschung und Innovation sowie die Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz erhalten.

Projekte, die nach Auffassung einer Task Force aus Kommission und EIB einen „echten Mehrwert für die europäische soziale Markwirtschaft" darstellen, sollen gefördert werden. Weder themenbezogen noch geografisch soll es einen festen Verteilungsschlüssel geben. Dadurch soll sichergestellt werden, dass diese zusätzlichen Investitionen auf die Bedürfnisse der Realwirtschaft abgestimmt sind.

Die Projekte werden auf Grundlage einer von den Mitgliedsstaaten eingereichten Liste ausgewählt. Nach der Veröffentlichung der Projektliste können private Investoren die für sie interessanten Projekte auswählen.

Perspektivisch soll als zweite Komponente des Investitionspakets eine „Projekt-Pipeline" und eine „Plattform für Investitionsberatung" eingerichtet werden. Wirtschaftlich tragfähige Projekte würden herausgefiltert und auf einer dynamischen Projektliste den öffentlichen und privaten Investoren mit den relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden.

Als dritte Komponente soll das Investitionsumfeld in Europa durch den Abbau von Investitionshemmnissen in Schlüsselsektoren und die bessere Berechenbarkeit von Regulierung verbessert werden.

Anfang Dezember 2014 sind bereits 2000 Projektvorschläge mit einem Investitionsvolumen von 1,3 Billionen Euro beim „Investitionsausschuss" eingereicht worden. Die deutsche Bundesregierung schickte mehr als 50 Projekte im Umfang von 89 Milliarden Euro nach Brüssel. Vom Beitbandausbau über Offshore-Windparks bis zum Polizeipräsidium – all diese Projekte müssen sich nun der Frage nach ihrem Mehrwert für die europäische soziale Markwirtschaft stellen.

Läuft alles nach dem von der Kommission vorgelegten Zeitplan, könnte Mitte 2015 das erste Geld fließen. Der Europäische Rat billigte auf seinem Treffen am 18. Dezember 2014 die Investitionsoffensive. Die Kommission legte nun am 13. Januar 2015 einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vor, der nun vom Europäischen Parlament und dem Rat angenommen werden muss. Der französische Präsident François Hollande, der die Beteiligung Frankreichs an dem Fonds zusagte, forderte, dass bereits im Januar/Februar 2015 erste Projekte vorfinanziert werden müssten.

Während in den meisten Mitgliedsstaaten weiterhin die Haushaltskonsolidierung im Vordergrund steht, könnte die Aussicht auf eine Investitionswelle Europa aus seinem Wirtschaftswinterschlaf wecken. Geht Junckers Plan auf, könnten 1,3 Millionen neue Jobs geschaffen werden.

Ein Multiplikator von 15 ist gewagt – damit dies gelingt, muss nicht nur die Qualität der Projekte stimmen, sondern es darf auch keine Rücksicht auf politische Befindlichkeiten genommen werden, die schwachen Projekten den Vorzug zugunsten der Parität zwischen den Mitgliedsstaaten gewähren. Sollte die Kommission ihre Ankündigung nicht umsetzen, können auch 315 Milliarden nur ein kurzes Strohfeuer sein.



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