Am Armutsbekämpfungsziel festhalten! Kirchen und ihre Werke zur Halbzeitbilanz der Europa-2020-Strategie

(Katrin Hatzinger)

Am 21. Oktober 2014 haben Caritas, Diakonie Deutschland, das Kommissariat der Deutschen Bischöfe und das EKD-Büro eine gemeinsame Stellungnahme zur Konsultation der EU-Kommission über die Halbzeitbewertung der Europa-2020-Strategie vorgelegt (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 145).

Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland und ihre Werke, Caritas und Diakonie, hatten sich 2010 im Rahmen der damaligen Konsultation zur Strategie „Europa 2020" u. a. dafür ausgesprochen, die soziale Dimension der Strategie sichtbar zu stärken. Aus kirchlich-diakonischer Sicht sei es deshalb zu begrüßen, dass drei der fünf Kernziele der Strategie einen starken sozialen Bezug aufweisen. Von der Aufnahme des ambitionierten Ziels, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen oder bedrohten Menschen bis 2020 um mindestens 20 Millionen zu senken, erhoffe man sich eine positive Signalwirkung auf nationale Politiken zur Armutsbekämpfung. Erfreulich sei grundsätzlich, dass sich die EU erstmals eine konkrete Zielvorgabe zum Thema Armutsbekämpfung gesetzt habe. Positiv zu bewerten seien auch die „20-20-20"-Ziele im Bereich Klima- und Energiepolitik. Diese Vorgaben unterstreichen den festen Willen der Europäischen Union zur Bekämpfung des Klimawandels. Gerade mit ihren sozial- und umweltpolitischen Zielen setze die Europa-2020-Strategie also ein wichtiges Signal für ein soziales, nachhaltiges und solidarisches Europa in der Welt. Deshalb sei es auch wichtig, sie fortzuführen.

Hinsichtlich der Zwischenergebnisse der Strategie zeige sich ein zwiespältiges Bild. Zum einen werde die angestrebte Erhöhung der Energieeffizienz um 20 Prozent im Jahr 2020 aller Voraussicht nach verfehlt werden, zum anderen sei das 2010 beschlossene Armutsbekämpfungsziel bis 2020 nicht zu erreichen. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Mitgliedsstaaten bei der Vorlage der Nationalen Reformprogramme (NRP) besonderen Wert auf ambitionierte Armutsbekämpfungsziele legen würden. Auch deshalb sei es wichtig, die Zivilgesellschaft intensiver in die Umsetzung der Strategie einzubeziehen, das gelte im Übrigen auch für die Einbeziehung von den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden in Deutschland. Um Austausch und Abstimmung zu verbessern, sollte die EU-Kommission gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten und der Zivilgesellschaft Leitlinien für eine Einbeziehung der Interessenträger auf nationaler Ebene erarbeiten. Problematisch seien auch die geringe Beteiligung und das geringe Interesse an der Strategie „Europa 2020" wie an dem gesamten Prozess des Europäischen Semesters (ES) auf nationaler Ebene, z. B. im Deutschen Bundestag. Ein Beteiligungsdefizit bestehe auch auf der EU-Ebene, wo das Europaparlament nur beratend Stellung nehmen könne.

Für die zweite Phase der Strategie 2015-2020 fordern die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände, das Armutsziel – als Beitrag zu einem integrativen Wachstum – stärker in den Fokus zu rücken als bislang geschehen. Zwar stelle die Einbettung der Strategie „Europa 2020" in das Europäische Semester einen wesentlichen Fortschritt dar, weil so die sozialen und ökologischen Ziele der Strategie eng mit der wirtschaftlichen Koordinierung und den Zielen der Sanierung der öffentlichen Haushalte der Mitgliedsstaaten verbunden würden, aber die Ziele der Strategie sollten eine wichtigere Rolle spielen als bisher. Auch bleibe eine gemeinsame Definition von Armut in der EU eine Herausforderung. Die Mitgliedsstaaten hatten sich stattdessen auf einen „Korb" von drei alternativen Armutsgefährdungsindikatoren geeinigt. Dadurch, dass jeder dieser Alternativindikatoren allein nur selektive Ausschnitte der Armutsgefährdungssituation der Menschen in einem Mitgliedsstaat widerspiegeln würde, sei die Darstellung unbefriedigend und irreführend. So sei es unzureichend, dass sich Deutschland allein auf die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit fokussiere.

Darüber hinaus kritisiert die Stellungnahme, dass das Potenzial der 2020-Ziele zur Klima- und Energiepolitik nicht hinreichend abgerufen werde. Um das zu verbessern, sei es erforderlich, das Ziel der Erhöhung der Energieeffizienz rechtsverbindlich zu machen.

Mitte April 2015 beabsichtig die Kommission, eine Mitteilung zur Halbzeitbilanz unter Einbeziehung der Konsultationsbeiträge vorzulegen. Von der Kommission war zu erfahren, dass die Strategie um einige Aspekte ergänzt, ihre Grundausrichtung jedoch aufrechterhalten werde.



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