Christliche Organisationen fordern mehr legale Wege in die EU für Schutzsuchende

(Julia Maria Eichler)

Mehrere christlichen Organisationen, darunter der Jesuiten Flüchtlingsdienst, ICMC (International Catholic Migration Commission) und CCME (Churches’ Commission for Migrants in Europe), haben in einem am 19. November 2014 veröffentlichten gemeinsamen Papier zu einem Wandel in der Asylpolitik aufgerufen und dafür eine „Werkzeugkiste" legaler Zuwanderungsmöglichkeiten bereit gestellt. Auch das Büro der EKD war an der Erstellung des Papiers beteiligt.

Dem Bootsunglück vor Lampedusa 2013 folgte die Zusage von Politikern aller Parteirichtungen, Flüchtlingen mehr Möglichkeiten aufzuzeigen, um sicher und legal nach Europa zu gelangen. Hierfür wurde eigens eine „Mittelmeer Task Force" einberufen (EKD-Europa-Informationen Nr. 144). Doch auch ein Jahr später sind keine neuen Zuwanderungsmöglichkeiten in Sicht.

In dem Papier fordern die christlichen Organisationen die EU dazu auf, sich im Umgang mit Flüchtlingen auf ihre Werte zu besinnen. Rechtsstaatlichkeit, Solidarität, die Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Schutz und der Respekt des Familienlebens, Mitgefühl und Gastfreundschaft würden es gebieten, Menschen, die vor Gewalt, Krieg und Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan, Eritrea, Irak, Somalia und Syrien fliehen, Schutz zu gewähren. Weil es keine sicheren Wege nach Europa gebe, würden sich die Flüchtlinge in die Hände von Schmugglern oder bei der Fahrt übers Mittelmeer in Lebensgefahr begeben.

Der vorgeschlagenen „Werkzeugkiste" liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass es zur Lösung der Flüchtlingskrise nicht nur eine einzige Antwort gibt. Das Papier benennt deshalb fünf Möglichkeiten, die für die Schaffung weiterer Zugangsmöglichkeiten von Flüchtlingen genutzt werden könnten.

Neben der Ausweitung von Neuansiedlung- und humanitären Aufnahmeprogrammen sollte der Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie (2003/86/EG) extensiver ausgelegt werden, schon um das Recht auf Familienleben umfassend zu gewährleisten. Mit humanitären Visa, ausgestellt in Botschaften, könnten Flüchtlinge legal nach Europa reisen, um hier einen Asylantrag zu stellen.

Einen Anknüpfungspunkt könnte der Visa-Kodex bieten, der bereits jetzt die Möglichkeit von humanitären Visa mit begrenzter territorialer Gültigkeit vorsieht. Eine Studie des LIBE-Ausschusses des Europäischen Parlaments unterstützt die Idee, die bereits vorhandenen Anknüpfungspunkte des Visa-Kodex zu nutzen, um sie zu einem effektiven Schutz auszubauen.

In Brasilien wird dieses Modell bereits für Flüchtlinge aus Syrien genutzt. In den Nachbarstaaten Syriens stellen die brasilianischen Botschaften für Flüchtlinge aus Syrien besondere humanitäre Visa aus, die eine Einreise nach Brasilien ermöglichen, um dort einen Asylantrag zu stellen.

Auch die zeitweilige Aufhebung des Visazwanges sollte in Betracht gezogen werden. Sollte dies zu einem erheblichen Anstieg von Asylersuchen führen, könnte die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz (2001/55/EG) in Anspruch genommen werden. Diese sieht für den Fall eines Massenzustroms von Flüchtlingen gewisse Solidaritätsmechanismen vor, die die ausgewogene Lastenverteilung innerhalb der EU sicherstellen sollen.

Auch das „Private Sponsorship", bei dem sich Privatpersonen oder Organisationen zur unbefristeten Kostenübernahme eines von ihnen eingeladenen Flüchtlings verpflichten, könne in Einzelfall durchaus sinnvoll sein. Allerdings dürfte dieses „Private Sponsorship" nicht dazu führen, dass der Schutz von Flüchtlingen von der Kostenübernahme durch Privatleute abhängig gemacht wird.

In der gegenwärtigen EU-Gesetzgebung gibt es erste Anknüpfungspunkte für einen solchen „Werkzeugkasten" wie zum Beispiel im Visa-Kodex. „Spontane" Schutzsuchende werden auch mit wirksamen „Werkzeugen" nicht ausbleiben. Aber die Zahl der Flüchtlinge, die sich mangels legaler Zugangsmöglichkeiten Schmugglern anvertraut und sich damit in Lebensgefahr begibt, könnte verringert werden.



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