Lettland am Steuer: Ein wettbewerbsfähiges, digitales und engagiertes Europa im Blick

(Julia Maria Eichler)

Am 1. Januar 2015 hat Lettland erstmals den Vorsitz im EU-Ministerrat von Italien übernommen. Das baltische Land setzt während seiner sechsmonatigen Ratspräsidentschaft auf drei Prioritäten: Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung und Engagement.

Europa müsse seine unternehmerischen Fähigkeiten durch Förderung neuer Investitionen in wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen steigern. Nur durch die Entwicklung wettbewerbsfähiger Industrie und Dienstleistungssektoren könne Europa die Schaffung neuer Arbeitsplätze ermöglichen und damit auch soziale Kohärenz fördern.

Für ein wettbewerbsfähiges Europa legt die Ratspräsidentschaft den Fokus auf den von der Kommission vorgelegten Investitionsplan (siehe Artikel zu „Junckers Investitionspaket"), die Stärkung des Binnenmarktes und die Beseitigung von Bürokratie. Lettland setzt sich für ein gestrafftes Europäisches Semester auf Basis einer erneuerten Europa-2020-Strategie ein, in dem die angemessene Beteiligung der Mitgliedsstaaten, nationaler Parlamente und Interessenvertreter abgesichert ist.

Bei der Etablierung der Energieunion soll ein Schwerpunkt auf dem Ausbau des Energie-Infrastrukturnetzes liegen. Darüber hinaus solle sich die EU diplomatisch bei Energielieferungen aus dem EU-Ausland einbringen, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen steigern.

Die Letten möchten die Digitalisierung Europas vorantreiben, die Sicherheit in der digitalen Welt erhöhen und E-Gouvernement fördern. Die wachsenden Informationstechnologien würden beispiellose Möglichkeiten bereitstellen, um nachhaltiges, inklusives und intelligentes Wachstum zu erreichen.

Sie stellten aber auch Herausforderungen dar, die angegangen werden müssten. Eine dieser Herausforderung sei die Datenschutz-Grundverordnung, deren Abschluss bis Ende 2015 forciert werden solle. Daneben ist die Umsetzung der EU-Strategie zur Cyberabwehr eine Priorität, ebenso wie die Verhandlungen über die Richtlinie für Netz- und Informationssicherheit. Die Strategie für den digitalen Binnenmarkt und das „Telekommunikationspaket" stehen ebenfalls auf der Agenda der Ratspräsidentschaft.

Europa soll aber auch international seine Rolle verantwortlich erfüllen. Dass dies für Lettland, das selbst eine russisch-sprachige Minderheit beheimatet, den dritten Schwerpunkt darstellt, ist in Anbetracht der Konflikte in der europäischen Nachbarschaft wenig verwunderlich. Die Präsidentschaft möchte daher die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) im Osten und Süden auf Grundlage einer umfassenden Überprüfung verstärken.

Jenseits der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) soll die transatlantische Partnerschaft gepflegt werden, vor allem in Form des Abschluss der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) bis Ende 2015 und die Vollendung des Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA).

Auch die Post-2015-Entwicklungsziele mit dem Fokus auf nachhaltiger Entwicklung, Gleichstellung der Geschlechter und Selbstbestimmung der Frauen bilden einen wichtigen Schwerpunkt. Innerhalb der EU-Strategie für Zentralasien möchte Lettland Diskussionen über Sicherheit, Grenzmanagement und Energielieferungen anregen.

Bestimmte Vorhaben, die schon unter der italienischen Ratspräsidentschaft gefördert worden waren, wie zum Beispiel der Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtekonvention, finden auch unter der neuen Ratspräsidentschaft ihre Fortsetzung.

Bei anderen Themen hat sich der Schwerpunkt klar verlagert. War die italienische Ratspräsidentschaft in Anbetracht der Flüchtlingsströme im Mittelmeer noch der Weiterentwicklung der europäischen Asyl- und Migrationspolitik verpflichtet, findet sich die Asylpolitik im lettischen Programm nur in wenigen Sätzen wieder, während die Migrationspolitik als ein Instrument zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit genannt wird.



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