„Fresh start“ für TTIP?

(Julia Maria Eichler)

Noch bevor Cecilia Malmström als neue Handelskommissarin im November die Verantwortung für die Verhandlungen mit den USA über ein Freihandelsabkommen (TTIP) übernommen hatte, bemühte sich die Europäische Kommission um mehr Transparenz und veröffentlichte am 9. Oktober 2014 das TTIP-Verhandlungsmandat. In den Monaten davor hatte es in ganz Europa Proteste gegen die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen und gegen das Abkommen an sich gegeben (siehe Leitartikel).

Bereits in ihrer Anhörung vor dem Europäischen Parlament im Oktober 2014 hatte die designierte Kommissarin mehr Transparenz bei den Verhandlungen zu TTIP versprochen. Diesen Ankündigungen folgten am 25. November 2014 nun auch Taten, als die Kommission im Rahmen eines „Transparenzpaketes" beschloss, künftig weit mehr TTIP-Dokumente einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Vorgesehen sind insgesamt vier Maßnahmen, die zu einer breiteren und umfassenderen Beteiligung der Öffentlichkeit führen sollen:

  • Der Öffentlichkeit sollen mehr TTIP-Dokumente zugänglich gemacht werden, insbesondere durch Veröffentlichung aller EU-Verhandlungstexte, die die Kommission bereits den Mitgliedsstaaten und dem Parlament zur Verfügung gestellt hat.
  • Die Einstufung von Dokumenten als geheim, also „Restreint EU/EU Restricted" soll restriktiver erfolgen und die bisherige Verwendung überprüft werden.
  • Den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes soll ein breiterer Zugang zu allen Dokumenten gewährt werden, insbesondere durch die Einrichtung eines Lesesaals für diejenigen Abgeordneten, die bisher keinen Zugang zu vertraulichen Dokumenten hatten.
  • Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und dem Rat soll eine öffentlich zugängliche Liste der TTIP-Dokumente regelmäßig veröffentlicht und aktualisiert werden.

  • Nicht veröffentlicht werden sollen US-Dokumente ebenso wie im Regelfall die Marktöffnungsangebote der EU im Bereich von Dienstleistungen, Investitionen, Tarifen und Beschaffungswesen. Gemeinsame Verhandlungsdokumente sollen nicht ohne Einwilligung der USA veröffentlicht werden. Durch das Veröffentlichen der EU-Verhandlungsvorschläge verspricht sich die Kommission eine größere Vorhersehbarkeit der Verhandlungen. Die Reaktionen auf die Ankündigung der EU-Kommission fielen unterschiedlich aus. So sagte die Europaabgeordnete Ska Keller (Grüne): „Dass Abgeordnete Zugang zu wichtigen Dokumenten bekommen ist eine Selbstverständlichkeit und kein zu lobender Gewinn an Transparenz. (…) Ein Leseraum für 700 Abgeordnete macht keine transparenten Verhandlungen."

    Der Abgeordnete Daniel Caspary (EVP) betonte hingegen: „Ein besserer Zugang zu den laufenden TTIP-Verhandlungen für Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie für die Bürger ist ein richtiger und längst überfälliger Schritt. Mit den vorgestellten Neuerungen für mehr Transparenz bei TTIP ist der Europäischen Kommission und vor allem Cecilia Malmström ein gelungener Neustart geglückt."

    Entsprechend ihrer Ankündigung veröffentlichte die Kommission am 1. Januar 2015 erste Merkblätter, Positionspapiere und Verhandlungsvorschläge der EU unter anderem zu medizinischen Geräten, Textilien und Ursprungsregeln von Produkten. Zu den umstrittenen Schiedsgerichts-klauseln findet man momentan jedoch keine Verhandlungstexte, sondern nur mehrere Merkblätter.

    Der Bericht über die erfolgte öffentliche Konsultation zum Investitionsschutz und der Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staat wurde am 13. Januar 2015 veröffentlicht. Aus der Auswertung der fast 150.000 Antworten gehe klar hervor, dass gegenüber dem Instrument der Investitionsschiedsverfahren (ISDS) äußerste Skepsis herrsche, sagt Kommissarin Malmström. Die Kommissarin plane daher, sich im ersten Quartal 2015 mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten, dem Europäischen Parlament und diversen Interessenvertretern zu treffen, um auf Grundlage dieses Berichtes über den Investorenschutz und ISDS zu diskutieren.

    Bisher hatte sich die Kommissarin dafür ausgesprochen, den bereits im Abkommen mit Kanada beschrittenen Weg, Schiedsgerichtsverfahren nur in veränderter Form und innerhalb eines engen Rahmens zu verankern, weiter fortzusetzen. Den Staaten müsse die Möglichkeit erhalten bleiben, frei zum öffentlichen Wohl Gesetze und Verordnungen zu erlassen und „etwa über Gesundheitssysteme, Mindestlöhne und Umweltschutz zu entscheiden".

    Mit ihr werde es keine Senkungen der „strikten Standards bei Lebensmittelsicherheit, Gesundheit oder Umweltschutz" geben. Produkte die in Europa verboten seien, würden auch verboten bleiben. Zwar hätten die USA die ILO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert, man versuche aber in dem entsprechenden Kapitel den „Geist" der Normen einfließen zu lassen. Klar sei aber, dass die europäischen Regeln, insbesondere im Bereich der Arbeitnehmerrechte, auch von ausländischen Firmen in Europa eingehalten werden müssten.

    Selbst wenn die Verhandlungen noch während der Amtszeit von Präsident Obama abgeschlossen werden sollten, schließt sich hieran noch eine Rechtsförmlichkeitsprüfung an. Dieses sogenannte „legal scrubbing" kann bis zu neun Monate dauern. Erst danach wird das Abkommen dem Europäischen Parlament und ggf. den nationalen Parlamenten vorgelegt.

    Die Synode der EKD hatte sich bereits in einem Beschluss am 12. November 2014 unter anderem für mehr Transparenz, die Einhaltung europäischer Standards und den Erhalt der Regelungsbefugnisse europäischer nationaler Parlamente ausgesprochen. Insofern greift der neue Ansatz der EU-Kommission viele der kirchlichen Forderungen auf.



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