Gebraucht wird: eine andere Jugendpolitik gegen Armut und Ausgrenzung Jugendlicher

(Doris Klingenhagen)

Das Europäische Anti-Armut-Netzwerk „European Anti-Poverty Network" (EAPN) hat am 1. Oktober 2014 das Positionspapier „Jugendarmut und sozialer Ausgrenzung in Europa" veröffentlicht. Darin betont das Netzwerk, dass Zahlen zu Armut und Ausgrenzung junger Menschen ebenso erschreckend sind wie die zur EU-Jugendarbeitslosigkeit. Die Jugendarbeitslosigkeit treibt Europa um: Mit Raten zwischen 23,4 Prozent im Durchschnitt und mit über 55 Prozent in Griechenland und Spanien besteht dringender Handlungsbedarf. Die Europäische Union versucht dem mit der Jugendgarantie und Strukturfondsmaßnahmen für mehr Beschäftigung zu begegnen. Das Anti-Armut-Netzwerk kritisiert angesichts einer Quote von durchschnittlich 29,7 Prozent junger Europäer in Armut und Ausgrenzung die einseitige Schwerpunktsetzung auf Jugendarbeitslosigkeit deutlich. Maßnahmen, die nur auf Beschäftigungsfähigkeit zielten, griffen zu kurz. Sie würden den verschiedenen Lebenslagen der Jugend nicht gerecht und führten lediglich „zu einer verlorenen Generation jenseits des Arbeitsmarkts". Das Ziel müsse die Integration der Jugendlichen in die Gesellschaft sein. Beschäftigung sei ein Schlüsselfaktor, aber nicht der einzige. Viele Jugendlichen seien nicht unmittelbar, manche gar nicht beschäftigungsfähig.

Das Positionspapier „Jugendarmut und soziale Ausgrenzung in Europa" zur Lage der 15- bis 29-Jährigen in Europa ist das Ergebnis einer breit angelegten Fachdiskussion und Befragung innerhalb des EAPN, die von Oktober 2013 bis Mai 2014 in verschiedenen Schritten vollzogen wurde und verschiedene nationale Sichtweisen vereint. Es dient vor allem der innerverbandlichen Verständigung auf Positionen und Perspektiven. Im Übrigen gibt es einen guten Überblick über die Probleme und Hindernisse, die Jugendliche erfahren, und präsentiert Lösungen und gute Beispiele. Dabei werden auch europapolitische Strategien kritisiert und Gegenempfehlungen gegeben. So müsse eine „universale Strategie" für soziale Integration entwickelt werden, begleitet von gezielten Maßnahmen für sozial anfällige Jugendliche, die auch Aspekte neben der Erwerbstätigkeit berücksichtigte. Neben der generellen Bereitstellung von Sozialschutzmaßnahmen und öffentlichen Dienstleistungen oder einer Jugendgarantie seien spezifische, maßgeschneiderte Angebote notwendig. Nur diese könnten die Jugendlichen erreichen, die am meisten ausgegrenzt sind und zum Teil vielfache Diskriminierungen erfahren: junge Frauen, schlecht ausgebildete Jugendliche, Jugend auf dem Land, Jugendliche aus ethnischen Minderheiten oder mit Migrationshintergrund, behinderte Jugendliche oder solche mit Sucht- oder anderen Gesundheitsproblemen, aber auch junge oder alleinerziehende Eltern. Generell sei es wichtig, ihnen allen einen frühen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und Jugendhilfeangeboten zu verschaffen, um Familien, Kinder und Jugendliche darin zu unterstützen, ein würdiges Leben zu leben, frei von Armut und Ausgrenzung. Insgesamt plädiert das Netzwerk für ein „radikales Umdenken" bei der Behandlung von Jugendbelangen und fordert eine Neuausrichtung der europäischen Jugendpolitik. Man müsse bei den Rechten junger Menschen ansetzen, von strukturellen Gegebenheiten ausgehen und dann integrierte Lösungen ausarbeiten. Diese sollten eingebettet sein in nationale und europäische Armutsbekämpfungsstrategien.

Das Europäische Anti-Armut-Netzwerk (European Anti-Poverty Network / EAPN) ist ein seit 1990 existierendes Netzwerk von nationalen, regionalen und lokalen Netzwerken von Nicht-Regierungs-Organisationen und Initiativen sowie europäischen Organisationen, die gegen Armut und soziale Ausgrenzung kämpfen.



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