„State of Play“ – EU-Jugendarbeitslosigkeit

(Doris Klingenhagen)

Am 8. Oktober 2014 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem weiteren Jobgipfel, um insbesondere über die anhaltend hohe EU-Jugendarbeitslosigkeit zu beraten. Besonderes Kopfzerbrechen bereitete ihnen der schlechte Mittelabfluss der 6 Milliarden Euro aus der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen. Der neue Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker, nahm den Gipfel zum Anlass, deutlich zu machen, dass das Thema Jugendarbeitslosigkeit weiterhin höchste Priorität habe: „Es entsteht zurzeit innerhalb der Europäischen Union ein 29. Staat. Ein Staat, in dem jugendliche Arbeitslose wohnen. Ein Staat, in dem Ausgeschlossene, Zurückgeworfene, am Weg Stehengebliebene leben. Ich hätte gerne, dass dieser 29. Mitgliedsstaat wieder ein normaler Mitgliedsstaat wird." So legte auch die EU-Kommission zum Gipfel eine weitere Zwischenbilanz ihrer Einschätzung der Lage vor. Mit 5 Millionen jungen arbeitslosen Menschen unter 25 Jahren und einer weit auseinander klaffenden Schere zwischen Ländern wie Deutschland mit 7,6 Prozent Jugendarbeitslosigkeit und Spanien mit 53,7 Prozent sei das Problem der Inaktivität junger Menschen in der EU weiterhin ein sehr ernst zu nehmendes Problem. Die EU-Kommission hat Jugendarbeitslosigkeit und die NEET-Problematik (Jugendliche weder in Bildung, Ausbildung oder Training) in die neue Übersicht beschäftigungs- und sozialpolitischer Schlüsselindikatoren aufgenommen. Diese Übersicht dient der Kommission als Grundlage für Reformvorschläge zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung z. B. im Rahmen des Europäischen Semesters.

In Bezug auf die EU-Jugendgarantie, die allen jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos werden oder die Schule verlassen, einen hochwertigen Ausbildungsplatz oder eine entsprechende Maßnahme anbieten soll, verweist die EU-Kommission darauf, dass die Jugendgarantie tiefgreifende Reformen von den Mitgliedsstaaten verlangt. Solche Reformen betreffen Ausbildungs-, Arbeitsvermittlungs- und Bildungssysteme sowie die Arbeitsweise der öffentlichen Arbeitsverwaltung, die berufliche Aus- und Weiterbildung und Mechanismen, mit denen arbeitsmarktferne Personen (NEET) ermittelt und aktiviert werden können. Diese können nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Trotzdem unterstützt die Jugendgarantie auch die Schaffung von Arbeitsplätzen auf kurze Sicht. Etwa durch Maßnahmen der Hilfe bei der Stellensuche oder Schulungskurse oder auch gezielte befristete Lohn- und Einstellungszuschüsse oder Beihilfen für Lehrstellen und Praktika. Der Reformansatz der Jugendgarantie wird auch dazu beitragen, dass mehr junge Menschen über die Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen werden, die von den Unternehmen benötigt werden und sie wird Arbeitsverwaltungen in die Lage versetzen, qualifizierte Personen mit Unternehmen zusammen zu führen, die diese benötigen. Der Reformansatz sei langfristig wirksamer, als Unternehmen direkt bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen zu unterstützen, was durchaus auch geschehe. Die Kommission betont, dass die Jugendgarantie als Investition betrachtet werden müsse und deshalb Priorität in den nationalen Haushalten bekommen müsse. Die langfristigen Kosten der Jugendarbeitslosigkeit für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die betroffenen Personen werden weitaus teurer sein, wenn die Mitgliedsstaaten nicht genügend unternehmen. Die Jugendgarantie kostet die Mitgliedsstaaten im Euroraum ca. 21 Milliarden Euro pro Jahr. Nach Schätzungen der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen belief sich im Jahr 2011 der wirtschaftliche Schaden für die EU durch die Arbeitslosigkeit junger Menschen auf rund 150 Milliarden Euro in Form von gezahlten Sozialleistungen und Produktivitätsverlusten.

Dem mangelnden Mittelabfluss im Rahmen der Jugendgarantie entgegnete die Kommission, dass die Mitgliedsstaaten alle fristgerecht ihre Umsetzungspläne mit den geplanten Maßnahmen und Zeitplänen vorgelegt haben und dass es bereits konkrete, positive Ergebnisse der Jugendgarantie-Umsetzung gebe. Zum Beispiel setzt in Belgien die Region Brüssel eine umfassende Jugendgarantie-Strategie unter Federführung des Ministerpräsidenten und der öffentlichen Arbeitsverwaltung um.

Auch Spanien hat weitere Schritte zur Umsetzung des nationalen Jugendgarantie-Systems unternommen. Aus der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen (YEI – Youth Employment Initiative), in der 6 Milliarden Euro für die am stärksten betroffenen Regionen zur Verfügung stehen, sind mittlerweile Gelder in Höhe von 2,6 Milliarden Euro an Frankreich, Italien und Litauen geflossen. Mit dem Abschluss der Partnerschaftsvereinbarungen über die Nutzung des europäischen Strukturfonds (ESF) stehen im Zeitraum 2014-2020 weitere 40 Milliarden Euro für Maßnahmen zur Umsetzung der Jugendgarantie zur Verfügung.

Eins steht bei allen Bemühungen der EU-Kommission und der Mitgliedsstaaten jedoch fest: Die EU-Jugendgarantie kann ohne Wachstum der Gesamtwirtschaft die Beschäftigungskrise nicht beseitigen. Sie ist kein Ersatz für makroökonomische Instrumente. Zahlen aus den letzten 15-20 Jahren belegen, dass ein Rückgang der Gesamtarbeitslosenquote der EU nur bei einem jährlichen BIP-Wachstums von durchschnittlich mehr als 1,5 Prozent zu erwarten ist. Eine Senkung der Jugendarbeitslosigkeitsquote erfordert normalerweise sogar höheres BIP-Wachstum.

Die aktuellen Jugendarbeitslosigkeitszahlen von November 2014 in der EU28 von 21,6 Prozent zeigen noch kein Licht am Ende des Tunnels für die fünf Millionen betroffenen jungen Menschen. Ein Hoffnungsschimmer könnte das 315 Milliarden Euro starke Investitionspaket von Jean-Claude Juncker (siehe vorangehender Artikel) zur Ankurbelung der Wirtschaft sein – wenn es denn greift. Intensiv weiterarbeiten wird am Thema EU-Jugendarbeitslosigkeit die neue EU-Kommissarin für Beschäftigung und Soziales, Marianne Thyssen, die nach ihrem ersten EU-Ministerrat betonte: „Nach der Planungs- und Einführungsphase der EU-Jugendgarantie müssen jetzt Schritte der grundlegenden Reformen weitergegangen und der Prozess beschleunigt werden". Ihr besonderes Bestreben wird dabei zunächst die bessere Verknüpfung zwischen den Bildungssystemen und dem Arbeitsmarkt sein.

Ansatzpunkte, wie der EU-Jugendarbeitslosigkeit Abhilfe geschaffen werden kann, liefern auch die jüngst erschienenen Studien „Zukunft unsicher – Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich" der Bertelsmann Stiftung und „Jugendarbeitslosigkeit in Europa" der Robert-Bosch-Stiftung.

Übereinstimmend stellen sie fest, dass Strategien zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit wesentlich auf der nationalen Ebene umgesetzt werden müssen. Es bedürfe länderspezifisch je eines umfassenden Konzeptes für das Übergangssystems von der Schule in die Arbeitswelt, welches alle Akteure einbeziehe. Eine starke Beteiligung von Arbeitsgebern am Berufsbildungssystem wirke sich insgesamt positiv auf den Eintritt von Jugendlichen ins Erwerbsleben und auf ihre Beschäftigungssituation aus. Die Bertelsmann Stiftung weist weiter darauf hin, dass generell Erfahrungen am Arbeitsplatz z. B. durch Nebenjobs die Beschäftigungssituation von Jugendlichen erleichtern. Die Bosch-Stiftung sieht fünf wesentliche Punkte, die Handlungspläne kennzeichnen sollten: die Schaffung einer größeren Anzahl von Arbeitsplätzen für Berufseinsteiger, eine höhere Qualität der Ausbildung, einen zielgenaueren Einsatz von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, die Förderung von Mobilität sowie die Einbeziehung aller relevanten Akteure im Rahmen einer nationalen Agenda gegen Jugendarbeitslosigkeit.



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