Humanitäre Visa: Kleiner Akt der Menschlichkeit !

(Julia Maria Eichler)

In einem Entschließungsantrag vom 27. April 2015 fordern verschiedene Abgeordnete des Europäischen Parlaments, darunter Ska Keller und Barbara Lochbihler (beide Bündnis90/Die Grünen), die Mitgliedstaaten dazu auf, die Aufnahme von „soliden gemeinsamen Vorschriften für Visa aus humanitären Gründen“ innerhalb der derzeitigen Verhandlungen über den Visa-Kodex nicht weiterhin zu blockieren. Des Weiteren sprechen sie sich dafür aus, dass die Mitgliedstaaten, „die bestehenden Möglichkeiten ihrer Botschaften und Konsulate für die Erteilung von Visa aus humanitären Gründen umfassend nutzen“ sollten, „damit schutzbedürftige Personen auf sicherem Weg per Fähre oder Flugzeug in die EU einreisen können, statt ihr Leben auf nicht seetüchtigen Schmugglerbooten zu gefährden“.

Humanitäre Visa würden Flüchtlingen ermöglichen, auf sicherem Weg nach Europa zu reisen, um hier einen Asylantrag zu stellen.

Das Europäische Parlament berät derzeit über die Änderungsvorschläge der Europäischen Kommission für den sog. Visa-Kodex (Verordnung Nr. 810/2009). Die Verordnung von 2009 regelt die Voraussetzungen und Verfahren für die Erteilung von Visa für Kurzaufenthalte von höchstens drei Monaten innerhalb des Schengen-Raums.

Im Rahmen der im Visa-Kodex vorgesehenen Gesamtbewertung legte die Europäische Kommission im April 2014 einen Änderungsvorschlag vor. Die Änderungen sind darauf angelegt, Reisen für rechtmäßig Reisende einfacher zu machen. Durch klarere Verfahrensvorschriften und schnellere Verfahren soll es auch Erleichterungen für die Mitgliedsstaaten geben. Neu vorgesehen ist z.B. ein Rundereise-Visum, mit dem Reisende aus Drittstaaten bis zu einem Jahr innerhalb des Schengen-Raums reisen können, ohne dabei länger als 90 Tage (bezogen auf sechs Monate) in demselben Mitgliedsstaat zu verweilen.

In einer Stellungnahme vom November 2014 hatten verschiedene christliche Organisationen die Europäischen Institutionen aufgefordert, die Überarbeitung des Visa-Kodex zur ausdrücklichen Verankerung humanitärer Visa zu nutzen (EKD-Europa-Informationen Nr. 147).

In der Sitzung des Ausschuss für Bürgerliche Freiheit, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss) des Europäischen Parlaments am 05. März 2015 hatten sich verschiedene Abgeordnete für die Aufnahme von humanitären Visa in die Regelungen des Visa-Kodex ausgesprochen.

Bereits jetzt sieht der Visa-Kodex an verschiedenen Stellen vor, dass von bestimmten Voraussetzungen zur Erteilung von Visa aus humanitären Gründen abgesehen werden kann. Allerdings bestehen derzeit noch diverse rechtliche Hindernisse, wie etwa die fehlende Verbindung zwischen den einzelnen Teilregelungen und die zum Teil unterschiedlichen Voraussetzungen für ein Absehen aus humanitären Gründen. Hinzu kommt, dass die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit von humanitären Visa kaum nutzen.

Wenn auch humanitäre Visa die derzeitige Flüchtlingskrise nicht lösen können, bringen sie jedoch für den einzelnen Flüchtling deutliche Erleichterung und mehr Sicherheit und wären ein Baustein für mehr legale Einreisewege in die EU. Obwohl die Verankerung von humanitären Visa im Visa-Kodex aufgrund der bereits gegebenen Ansatzpunkte einfach umzusetzen wäre, steht die Kommission dem Vorschlag skeptisch gegenüber. Der Visa-Kodex sei nicht der passende Ort, um ein derartiges Verfahren zu verankern, da dort nur kurzfristige Aufenthalte geregelt werden könnten, zu denen die Asylantragsstellung nicht gehöre. Die Europäische Kommission kritisiert, dass humanitäre Visa und damit die legale Einreise von Asylsuchenden das Dublin-System gefährden könnte, weil der Flüchtling sich seinen Aufnahmestaat aussuchen könnte.

Ein Argument, das nicht überzeugt. Die Dublin III-Verordnung sieht zwar in Artikel 13 Absatz 1 vor, dass derjenige Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, dessen Grenze der Flüchtling illegal überschritten hat. Artikel 12 Absatz 2 nennt als vorrangiges Zuständigkeitskriterium die Ausstellung eines Visums zur Einreise. Humanitäre Visa würden damit gerade zu einer Zuständigkeitsverteilung im Sinne der Dublin III-Verordnung führen.

Den Entschließungsantrag vom 27. April 2015 finden Sie unter:
http://ekd.be/Entschliessungsantrag-HumanVisa

Die Änderungsvorschläge der Kommission finden Sie unter:
http://ekd.be/Aenderungsvorschlaege-HumanVisa



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