Die Europäischen Armee – Déjà-Vu oder Zukunftsvision?

(Julia Maria Eichler)

Anfang März 2015 sprach sich der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter dem Eindruck der russischen Ukrainepolitik für eine gemeinsame europäische Armee aus. „Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den EU-Ländern nie wieder Krieg geben wird“. Der Luxemburger betonte, dass Europa an Ansehen verloren habe. Man werde außenpolitisch nicht ganz ernst genommen. Ihm gehe es darum, auch gegenüber Russland zu zeigen, dass es Europa mit der Verteidigung seiner Werte ernst sei.

Eine europäische Armee würde auch finanzielle Vorteile mit sich bringen, vor allem für die Mitgliedsstaaten. Die gemeinsame Entwicklung und der Kauf von militärischen Geräten würde erhebliche Kosteneinsparungen bewirken, so dass trotz der Budgetkürzungen, die in ganz Europa in den letzten Jahren im Verteidigungssektor erfolgten, die benötigten Fähigkeiten zur Verfügung stehen und Mittel effektiver eingesetzt werden könnten, so der Kommissionspräsident.

Er ist nicht der Erste, der die Zukunftsvision einer europäischen Armee beschwört und wird wohl auch nicht der Letzte sein. Bereits 1952 sollte mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft die nationalen Streitkräfte Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und Italiens ersetzt werden. Doch die Gemeinschaft scheiterte 1954 an dem Veto des französischen Parlaments. Es folgten Vorstöße etwa von Seiten des französischen Premierministers Alain Juppé, des damaligen Bundesfinanzministers Hans Eichel und des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair.

Der Vorstoß des Kommissionspräsidenten fällt mit einem Bericht über die Perspektive der Europäischen Verteidigungspolitik unter dem Titel „MORE UNION IN EUROPEAN DEFENCE“ zusammen. Der im Februar 2015 veröffentlichte Bericht einer Expertengruppe des „CEPS - Center for European Policy Studies“ entstand unter der Federführung von Javier Solana, dem ehemaligen Generalsekretär des Europäischen Rates und ehemaligen EU-Außenbeauftragten. Darin spricht sich die Expertengruppe dafür aus, die Zusammenarbeit im Verteidigungssektor voranzutreiben z.B. durch die Entwicklung einer neuen europäischen Sicherheitsstrategie und der Einrichtung eines dauerhaften EU-Militärhauptquartiers in Brüssel. Langfristig müsse das Ziel eine Europäische Verteidigungsunion sein.

Der Vorschlag Junckers wurde von verschiedenen Seiten z.B. von Außenminister Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel begrüßt. Auch Verteidigungsministerin von der Leyen begrüßte den Vorstoß. 2016 soll es im Rahmen des von ihr geplanten Weißbuchs zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr auch um eine Europäische Verteidigungsunion gehen.

Trotzdem - an eine Umsetzung in den nächsten Jahren glaubt kaum jemand. Nicht nur die unterschiedlichen mitgliedsstaatlichen Kompetenzregelungen im militärischen Bereich - vom parlamentarischen Vorbehalt bis zur Entscheidungsbefugnis des Staatschefs - machen eine konkrete Umsetzung schwierig. Müssten einem Militäreinsatz einer europäischen Armee alle Nationalstaaten zustimmen, würde dies quasi zur Handlungsunfähigkeit der Armee führen. Wäre das Europäische Parlament legitimiert, einem Einsatz zu zustimmen, müssten hierfür die Nationalstaaten ihre Kompetenz abgeben. Daneben bestehen aber noch weitere Probleme. Wie etwa umgehen mit der österreichischen Selbstverpflichtung zur Neutralität, die die Beteiligung an militärischen Interventionen verbietet. Hinzu käme, dass eine europäische Armee wohl auch über die atomaren Fähigkeiten Frankreichs und Großbritanniens verfügen würde. Deutschland als Atommacht ist aber kaum vorstellbar.

Doch vielleicht wird die Zukunftsvision einer europäischen Armee auch von der bi- und multilateralen Realität überholt. Die Deutsch-Französische Brigade stellt schon seit 1989 deutsche und französische Truppen unter binationale Führung. 1995 folgte das Deutsch-Niederländisches Korps. Mit Polen verbindet Deutschland eine jahrzehntelange Partnerschaft. Was als Kooperation bei der Ausbildung begann, hat sich inzwischen weiterentwickelt. Heute arbeiten etwa die deutsche und polnische Marine zusammen und im letzten Jahr verpflichteten sich beide Länder, ein Kamptruppenbataillon jeweils unter die Führung des anderen Partners zu unterstellen. Auch auf europäischer Ebene hat sich viel getan. EU-Gefechtsverbände gibt es bereits seit 2004, auch wenn diese noch nie eingesetzt wurden. Dafür sind die sechzehn zivilen und militärischen Missionen der EU in Europa und Afrika aktiv.

Die Zeichen stehen also auf Zusammenarbeit. Und vielleicht war für den Kommissionspräsidenten die von ihm angestoßene Diskussion das Ziel.

Den Bericht der Expertengruppe des CEPS finden Sie in englischer Sprache unter:
http://ekd.be/CEPS-Bericht



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