TTIP - Europaparlament debattiert Empfehlungen an EU-Kommission

(Julia Maria Eichler)

Am 05. Mai 2015 hat Cecilia Malmström, Kommissarin für Handel, ein Konzeptpapier zu den reformierten Vorschlägen für Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) in der transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) veröffentlicht. Bereits im März 2015 hatte die Kommissarin dem Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss) des Europäischen Parlaments erste ISDS-Reformvorschläge präsentiert.

Die Reformideen konzentrieren sich auf die vier Bereiche, die in dem Bericht über die öffentliche Konsultation zu Schiedsgerichtsverfahren (EKD-Europa-Informationen 147), identifiziert worden waren.

Die Kommissarin schlägt vor, das Recht der Regierungen zur Regulierung, das heißt, das Recht Regelungen zu erlassen, mit denen legitime öffentliche Ziele verfolgt werden, ohne dass diese die Grundlage für Investitionsschutzklagen bilden, ausdrücklich in den Vertragstext zu verankern. Der Befürchtungen von Interessenkonflikten, wenn Anwälte als Schiedsrichter tätig werden, soll begegnet werden, in dem eine vorher überprüfte Liste mit Schiedsrichtern durch USA und EU festgelegt wird. Die Schiedsrichter müssten dabei dieselben Qualifikationen wie Richter vorweisen. Zudem soll eine feste Berufungsinstanz gegen die Entscheidungen der Schiedsrichter eingerichtet werden.

Zuletzt sehen die Vorschläge den Ausschluss zeitgleicher Klagen vor nationalen Gerichten und  Schiedsgerichten vor. Dafür stünden zwei Wege offen. Bei dem ersten Weg müsste eine Klage vor dem nationalen Gericht zurückgenommen werden, sobald eine Klage im Rahmen von ISDS eingereicht werde. Die Möglichkeit eines ISDS-Verfahrens bestünde dann nicht, wenn der nationale Rechtsweg erschöpft sei. Die zweite Möglichkeit wäre, dass die Investoren sich von Anfang an entscheiden müssten, ob sie den nationalen Rechtsweg beschreiten wollen oder ein ISDS-Verfahren vorziehen.

Das langfristige Ziel sei aber ein internationaler Investitionsgerichtshof, so die Handelskommissarin.

Auch in den Stellungnahmen, die dreizehn Ausschüsse bis zum 16. April 2015 zu dem Entwurf der Empfehlungen des Parlaments an die Kommission für die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den USA abgegeben haben, war die Investor-Staat-Streitbeilegung thematisiert worden.

Der Ausschuss für Konstitutionelle Fragen sprach sich für mehr Klarheit beim staatlichen Recht zur Regulierung aus. Der LIBE-Ausschuss betonte, dass Entscheidungen über Grundrechte durch nationale Gerichte getroffen werden müssten.

Den Entwurf der Empfehlungen des Parlaments an die Kommission hatte der Abgeordnete Bernd Lange (SPD/S&D), als Berichterstatter und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel, am 05. Februar 2015 veröffentlicht.

Der Entwurf hält fest, dass es im Rahmen von TTIP nicht nur um den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen gehen dürfe, sondern auch um nachhaltiges Wachstum und den Schutz von Arbeitnehmern, Verbrauchern und der Umwelt. Die Verhandlungen müssten transparenter und inklusiver stattfinden, damit eine demokratische gegenseitige Kontrolle und eine faktenbasierte öffentliche Debatte stattfinden könnten. Angemessene Ausnahmeregelungen für sensible Dienstleistungen, wie öffentliche Dienstleistungen und Versorgungsleistungen, müssten sichergestellt werden. Den nationalen und lokalen Behörden müsse genügend Spielraum für den Erlass von Gesetzen im Interesse der Öffentlichkeit zugestanden werden. TTIP solle ein umfassendes Kapitel über Investitionen enthalten mit Bestimmungen zur Liberalisierung von Investitionen und zum Investitionsschutz.

Gut zwei Monate hatten die mitberatenden Ausschüsse des Europäischen Parlaments Zeit, um Stellungnahmen und Änderungsanträge auszuarbeiten. Bis zum 13. April 2015 waren bereits 898 Änderungsvorschläge durch die Parlamentarier eingegangen.

Die Schwerpunkte der Stellungnahmen der Ausschüsse fielen dabei ihrer Natur entsprechend sehr unterschiedlich aus. Der Entwicklungsausschuss sprach sich u.a. dafür aus, dass in TTIP ein ausdrücklicher Verweis auf die Entwicklungspolitik als legitimes Ziel der öffentlichen Politik benötigt werde. Auch auf das entwicklungspolitische Kohärenzgebot aus Artikel 208 Absatz 1 AEUV soll in TTIP verwiesen werden. Dieses verpflichtet die EU, ihre entwicklungspolitischen Ziele bei der Durchführung politischer Maßnahmen in anderen Bereichen z.B. der Agrarpolitik zu beachten.

Der LIBE-Ausschuss fordert in seinen Empfehlungen einen ausdrücklichen Ausschluss der bestehenden und künftigen Gesetzgebung zum Schutz von persönlichen Daten aus dem Abkommen und die Aufnahme einer rechtlich bindenden Menschenrechtsklausel.

Auch das Brüsseler Büro der EKD hatte sich zu dem Berichtsentwurf von Bernd Lange geäußert und auf verschiedene Punkte hingewiesen, wie z.B. darauf, dass es einer ausdrücklichen Ausnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge und der öffentlichen Versorgungsunternehmen von TTIP bedürfe. Außerdem sollte das Freihandelsabkommen zur Förderung von Nachhaltigkeit, Umweltschutz, fairen Produktionsbedingungen und Arbeitnehmer – und Gesundheitsschutz sowie dem Kampf gegen soziale Ausgrenzung genutzt werden. Die Auswirkungen des Freihandelsabkommen auf Schwellen- und Entwicklungsländer sollten berücksichtigt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, um mögliche Nachteile, die diesen Ländern entstehen könnten, zu kompensieren. Die EU würde ansonsten ihre eigene Entwicklungspolitik konterkarieren. Ebenso hat sich das Büro für die Einrichtung eines multilateralen unabhängigen Handelsgerichtshofes mit öffentlichen Gerichtsverhandlungen, Berufungsmechanismus und dauerhaften Berufsrichtern, anstelle von privaten Schiedsgerichten, ausgesprochen.

Der Bericht wird auch in den Fraktionen des Parlaments diskutiert werden. Der Handelsausschuss plant nach derzeitigem Stand, am 28. Mai 2015 über den Bericht abzustimmen, bevor am 10. Juni 2015 die Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments folgen soll.

MEP Lange hatte von Anfang an angekündigt, eine möglichst breite Mehrheit im Parlament erreichen zu wollen. Nicht nur die Anzahl an Änderungsanträgen dürfte nun eine Herausforderung werden. Sondern auch die unterschiedlichen Positionen, die etwa bei den Themen Investorenschutzregeln und ökologische Nachhaltigkeit vertreten werden. Auf MEP Lange kommt jetzt die Aufgabe zu, die entscheidenden Kompromisse zu finden.

Seinen Entwurf finden Sie unter:
http://ekd.be/Berichtsentwurf-Bernd_Lange

Die einzelnen Stellungnahmen der Ausschüsse finden Sie in englischer Sprache unter:
http://ekd.be/Stellungnahmen_EP-Ausschuesse

Das Konzeptpapier von Cecilia Malmström finden Sie in englischer Sprache unter:
http://ekd.be/Conceptpaper-Malmstroem



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