Novelle des österreichischen Islamgesetzes in Kraft getreten

(Jan-Philipp Heinisch)

Am 31. März 2015 ist in Österreich die Neufassung des Bundesgesetzes über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften (Islamgesetz) in Kraft getreten. Nachdem der Nationalrat Österreichs die Novelle bereits am 25. Februar 2015 nach rund dreijähriger Diskussion verabschiedet hatte, stimmte am 12. März 2015 auch der österreichische Bundesrat dem Gesetz zu.

Das aus dem Jahr 1912 stammende Bundesgesetz regelte die äußeren Rechtsverhältnisse der islamischen Religionsgesellschaft und statuierte den Status des Islam als eine offiziell anerkannte Religion in Österreich. Die österreichische Regierung hielt die Überarbeitung des ursprünglichen Gesetzes für notwendig, da einige Bestimmungen aus rechtlichen oder faktischen Gründen überholt seien und andere nicht mehr den heutigen Erfordernissen eines modernen Rechtsstaates entsprächen. Die Novelle sollte neben der Herstellung einer mit anderen anerkannten Religionsgesellschaften vergleichbaren Rechtslage (Parität) dem modernen Verständnis von kultusrechtlichen Regelungen Rechnung tragen und gleichzeitig auf die Spezifika der einzelnen Religionsgesellschaften eingehen. Insbesondere die äußere Organisation von islamischen Religionsgesellschaften sollte durch die Novelle klarer geregelt werden.

Die Neufassung unterstreicht, dass islamische Religionsgesellschaften in Österreich anerkannte Religionsgesellschaften sind, die ihre inneren Angelegenheiten selbstständig ordnen und verwalten. Sie sind in Bekenntnis und Lehre frei, allerdings dürfen weder ihre Lehren und Einrichtungen noch Gebräuche mit gesetzlichen Regelungen in Widerspruch stehen. Um den Status der Rechtspersönlichkeit zu erlangen, müssen islamische Religionsgesellschaften über einen gesicherten dauerhaften Bestands und wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit verfügen. Die von der Religionsgesellschaft erstellte Verfassung muss detaillierten Anforderungen entsprechen. So muss die Verfassung beispielsweise die Darstellung der Lehre sowie Angaben zur inneren Organisation und der angemessenen Berücksichtigung aller innerhalb der Religionsgesellschaft bestehenden Traditionen enthalten.

Islamische Religionsgesellschaften werden durch das Gesetz dazu berechtigt, ihre Mitglieder, die dem Bundesheer angehören, sich in Haft befinden oder in öffentlichen Krankenhäusern etc. untergebracht sind, in religiöser Hinsicht zu betreuen. Ab dem 1. Januar 2016 soll es außerdem an der Universität Wien eine theologische Fakultät geben, die der Forschung und Lehre wie auch der wissenschaftlichen Ausbildung des geistlichen Nachwuchses islamischer Religionsgesellschaften dienen soll. Die Regelung sieht vor, dass jede islamische Religionsgesellschaft, die unter dieses Gesetz fällt, einen eigenen Zweig im islamischen Theologiestudium erhalten soll. Darüber hinaus werden durch die Novelle Feiertage der beiden gesetzlich anerkannten islamischen Glaubensgesellschaften, der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, gesetzlich geschützt.

Für Aufsehen sorgte jedoch vor allem das enthaltene Verbot der Auslandsfinanzierung. Danach müssen die Mittel für die Tätigkeiten islamischer Religionsgesellschaften und deren Funktionsträgern aus dem Inland aufgebracht werden. Den offiziellen Gesetzeserläuterungen zufolge seien Zuwendungen aus dem Ausland jedoch grundsätzlich nicht unzulässig, solange diese keine laufende Finanzierung darstellen. Der Wortlaut ermögliche einmalige Schenkungen oder die Gründung von inländischen Stiftungen, über die weiterhin ausländische Gelder fließen könnten. Religiöse Funktionsträger, die in einem Dienstverhältnis zu einem ausländischen Staat stehen, können ihre Funktion noch höchstens ein Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes ausüben. Vereine, deren Zweck in der Verbreitung der Religionslehre besteht, sind zum 1. März 2016 aufzulösen, wenn der Vereinszweck nicht an die Erfordernisse dieses Gesetzes angepasst wurde.

Die Reaktionen auf die Gesetzesnovelle fielen sehr unterschiedlich aus. Unter den muslimischen Dachverbänden in Österreich stößt das neue Gesetz auf starke Kritik. In einer Stellungnahme des Schurarates der IGGiÖ wird zwar die Novellierung des Gesetzes unterstützt, kritisiert wird aber u. a., dass das Gesetz keine ausreichende Gleichstellung zu anderen gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften gewährleiste. Ebenso sei das Verbot der Auslandsfinanzierung nicht akzeptabel.

Auch die Türkisch Islamische Union (ATIB) äußerte große Bedenken. ATIB ist besonders von dem Verbot der Auslandsfinanzierung betroffen, da sie direkt vom türkischen Ministerium für religiöse Angelegenheiten finanziert wird und mit 65 Moschee-Vereinen der größte Dachverein der IGGiÖ ist. In einer Presseerklärung vom 25. Februar 2015 beanstandet sie, dass der Versuch, einen „Islam österreichischer Prägung“ zu schaffen, das eigentliche Bedürfnis nach Förderung religiöser Vielfalt und gegenseitigem Respekt verkenne und das Islamgesetz zu einem Sicherheitsgesetz mache. Das ausschließlich im Islamgesetz verankerte Verbot der Auslandsfinanzierung und der dem Gesetz anhaftende Generalverdacht gegenüber Muslimen sei nicht mit den Grundwerten der österreichischen Verfassungs- und Rechtsordnung in Einklang zu bringen.

Im Gegensatz dazu fiel die Einschätzung der Islamisch Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich durchweg positiv aus. Die geplante Verabschiedung des Islamgesetzes stelle einen „Meilenstein für das Alevitentum in Österreich“ dar, so eine Presseerklärung.

Auch außerhalb Österreichs hat die Novelle für Aufsehen gesorgt. Die Türkei zeigte sich erwartungsgemäß empört. Die türkische Regierungspartei AKP erklärte, dass die neuen „Wiener Bestimmungen“ gegen europäische Standards verstoßen würden.

In Deutschland gibt es von führenden Staatskirchenrechtlern starke Bedenken, ob ein Islamgesetz österreichischer Prägung verfassungskonform wäre, da die im Gesetz enthaltenen Detailvorschriften für die innere Organisation islamischer Religionsgesellschaften nicht mit der im Grundgesetz enthaltenen Freiheitsgarantie für die Ordnung und Verwaltung eigener Angelegenheiten vereinbar seien. Kritik wurde auch gegenüber der Handlungsform laut, ein Gesetz für eine einzelne Religion zu schaffen. Den Abweichungen zu spezialgesetzlichen Regelungen anderer Religionen hafte dadurch der Eindruck systematischer Benachteiligung an, so Prof. Dr. Hans Michael Heinig, Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD.

Daneben gibt es in Deutschland auch aus praktischen Erwägungen, nämlich aufgrund der Beratungen der Islamkonferenz keinen Bedarf für ein solches Gesetz, wie der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende und Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Franz-Josef Jung (CDU), erklärte. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD), stimmte dem zu.

Insofern gibt es keine Veranlassung, dass deutsche Modell zu hinterfragen. Das Grundgesetz bestimmt Rechte und Pflichten von Glaubensgemeinschaften religionsübergreifend, so dass sich ein religionsspezifisches Sondergesetze erübrigt.

Den Gesetzestext finden Sie unter:
http://ekd.be/A-Islamgesetz2015



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