Konsultationsphase zur neuen Europäischen Nachbarschaftspolitik eingeläutet

(Jan-Philipp Heinisch)

Der Außenministerrat hat in seinen Schlussfolgerungen vom 20. April 2015 das Konsultationspapier „Auf dem Weg zu einer neuen Europäischen Nachbarschaftspolitik“ begrüßt. Mit dieser Konsultation hatte die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik Frederica Mogherini und der EU-Nachbarschaftskommissar, Johannes Hahn, am 04. März 2015 den Startschuss für die Neubewertung der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) gegeben. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte erklärt, dass innerhalb des ersten Jahres seiner Amtszeit eine grundlegende Untersuchung der ENP erfolgen solle. Bis Ende Juni 2015 sollen die Partner in den Nachbarländern und die Interessenträger in der EU auf möglichst breiter Basis konsultiert werden.


Die ENP wurde 2004 entwickelt, um engere Beziehungen zu den Nachbarländern der EU zu fördern. Der Überprüfungsprozess betrifft die EU-Beziehungen zu 16 Ländern in der europäischen Nachbarschaft, zehn davon im Mittelmeerraum und sechs in Osteuropa. Es soll bewertet werden, welche Bereiche der ENP sich bewährt haben, welche keinen Mehrwert erbracht haben und wo Veränderungen nötig sind, damit die ENP in Zukunft effektiver zu Frieden, Stabilität und Wohlstand an den Grenzen der EU beitragen kann. Dazu präsentierten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der EU-Nachbarschaftskommissar, Johannes Hahn, das gemeinsame Konsultationspapier, das die Debatte strukturieren und erste Bewertungen liefern soll.

Das Konsultationspapier beschreibt, dass die heutige EU-Nachbarschaft „weniger stabil sei als noch vor zehn Jahren“. Der Konflikt in der Ukraine, eine zunehmend bestimmende russische Außenpolitik, der Bürgerkrieg in Syrien sowie der Konflikt in Libyen seien Notlagen in unmittelbarer EU-Nachbarschaft. In einem ersten Fazit wird der ENP attestiert, dass sie nicht immer in der Lage gewesen sei, angemessen auf neue politische Entwicklungen zu reagieren, auch nicht auf sich verändernde Ansprüche der EU-Partner. Somit sei auch den eigenen Interessen der EU nicht immer gedient worden. Die Überprüfung müsse nun zum einen den sehr unterschiedlichen Zielsetzungen der Partnerländer Rechnung tragen und zum anderen die eigenen Ziele und Interessen der EU klarer definieren.

Im Lichte dieser Herausforderungen ist die Konsultation auf die Schwerpunkte Differenzierung, Fokussierung, Flexibilität, Eigenverantwortung und Sichtbarkeit der ENP ausgerichtet, die nun auch vom Außenministerrat bestätigt worden. Das Konsultationspapier stellt diesbezüglich grundlegende Fragen zur Gestaltung der ENP, etwa, ob es weiterhin ein gemeinsames Rahmenprogramm für den Osten und Süden geben soll.

Im Zuge der letzten Überarbeitung der ENP im Jahr 2011, nach den Ereignissen in der arabischen Welt, wurde neben dem traditionellen Fokus auf Handel und Mobilität ein verstärktes Augenmerk auf die Förderung von demokratischen und sozioökonomischen Reformen in den Partnerländern gelegt (siehe EKD-Europa Information Nr. 137). Durch Maßnahmen wie das sogenannte „more for more“ bzw. „less for less“-Prinzip, sollte das Ausmaß der EU-Unterstützung von den Reformfortschritten in den jeweiligen Ländern abhängig gemacht werden.

Erste Einschätzungen bewerten diese Maßnahmen sehr kritisch. Im Konsultationspapier heißt es, dass der „more for more“ Ansatz nicht immer zu einer Atmosphäre von gleichberechtigter Partnerschaft beigetragen und auch nicht immer Anreize für weitere Reformen in den Partnerländern geschaffen habe. Ein für alle Länder gleichbleibender Ansatz funktioniere nicht. Obwohl das Konzept der Differenzierung schon von Beginn an Teil der ENP war, fänden einzelne Partnerländer ihre spezifischen Interessen nicht genügend wiedergespiegelt.

Federica Mogherini bekräftigte, dass die EU ein vitales Interesse an starken Partnerschaften zu ihren Nachbarn habe. Wenn die EU stabile politische Beziehungen zu ihren Nachbarn pflegen wolle, müsse man „ein besseres Verständnis für die unterschiedlichen Ziele, Werte und Interessen“ der Partner entwickeln, so Mogherini. Auch der österreichische Kommissar Hahn betonte, dass er eine Partnerschaft von Gleichberechtigten haben wolle. Die ENP sei nicht mehr nur dafür zuständig, langfristig Demokratie und Wohlstand zu schaffen, sondern auch die gegenwärtigen europäischen Interessen zu wahren. In diesem Zusammenhang soll die überarbeitete ENP, neben den traditionellen Schwerpunkten, auch verstärkt auf Politikbereiche wie Sicherheit, Energie und Energiesicherheit eingehen.

Der Außenministerrat hat nun seine Position zur zukünftigen Ausrichtung der ENP dargelegt. Er spricht sich in seinen Schlussfolgerungen für einen „an Nachfrage und Interesse orientierter Ansatz“ aus, um dadurch die Eigenverantwortung der Partnerländer zu fördern.

Es müsse gewährleistet sein, dass es eine „enge und umfassende Koordinierung der Tätigkeiten“ der ENP und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der ENP mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gebe. Um die Stabilität in der EU-Nachbarschaft zu stärken, müsse die ENP mit der „externen Dimension anderer relevanter Politikbereiche“ in Einklang gebracht werden.
Insgesamt müssten die Verfahren gestrafft werden, um im Rahmen der ENP-Instrumente flexibler agieren zu können und den Fokus stärker auf die Entwicklung vor Ort legen zu können.

Das Engagement der EU in Drittländern solle sichtbarer werden. Hierzu müsse auch der Dialog sowohl zwischen der EU und der Zivilgesellschaft als auch mit der Wirtschaft ausgebaut werden.

Einen weiteren Schwerpunkt legt der Rat auf den Ausbau der regionalen Dimension innerhalb der ENP. Die Erfahrungen etwa mit der Union für den Mittelmeerraum hätten gezeigt, dass die regionale Zusammenarbeit zu einer „von gleichberechtigter Partnerschaft geprägten Atmosphäre“ beitrage und das „Gefühl der Eigenverantwortung der EU-Nachbarländer“ stärke.

Wie sich die Kooperation mit den EU-Nachbarländern in Zukunft gestaltet wird, wird sich im Herbst 2015 zeigen, denn dann will die Kommission Vorschläge für die künftige Ausrichtung der ENP präsentieren.

Das Konsultationspapier der Kommission finden Sie unter:
http://ekd.be/EU-Nachbarschaftspolitik2015

Die Schlussfolgerungen des Rates finden Sie unter:
http://ekd.be/EU-Rat_Nachbarschaftspolitik2015



erweiterte Suche