Die Debatte um die Validierung von non-formalem und informellem Lernen (NFIL) - Ein Ausblick

(Gisela de Vries)

Am 13. April 2015 fand im Wirtschafts- und Sozialausschuss in Brüssel die Veranstaltung „Validierung von Fähigkeiten und Qualifikationen, die durch non-formales und informelles Lernen erworben wurden“ (Validation of skills and qualifications acquired through non-formal and informal learning) statt. Sie diente dazu, Interessierten am Thema die Möglichkeit zu geben, sich über die aktuellen Entwicklungen zu informieren und ihren Standpunkt einzubringen.

Das Thema steht schon längere Zeit auf der Tagesordnung der europäischen Institutionen und der Mitgliedstaaten. Es ist Teil der Bestrebungen, die Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten zu schaffen, um hohe (Jugend-)Arbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen und die Mobilität von Arbeitskräften über Ländergrenzen hinweg zu unterstützen.

Dabei ist die Grundidee, dass nicht nur das Wissen und die Qualifikationen Anerkennung finden (sollen), die im Rahmen von formaler Bildung, also in Schule, Hochschule oder Berufsausbildung erworben werden. Stattdessen sollen auch solche Fähigkeiten in den Bildungskanon mit aufgenommen werden, die im Rahmen von freiwilligen oder ehrenamtlichen Aktivitäten, wie zum Beispiel der Leitung einer Jugendgruppe oder der Pflege eines nahen Angehörigen, entstanden sind. Ebenso geht es um die Kompetenzen, die durch Selbststudium, berufliche Tätigkeiten oder durch betriebliche Weiterbildungen erworben worden sind.

Die Folge wäre, dass auch der letztere Bereich stärker Berücksichtigung bei Arbeitgebern finden würde oder auf eine berufliche oder Hochschulausbildung angerechnet werden könnte.

Dies ist von besonderem Interesse für junge Menschen ohne Berufserfahrung, für Schul- oder Studienabbrecher, für Langzeitarbeitslose, aber auch für Berufstätige, die Wege suchen, wie sie sich höher qualifizieren können. In den Fokus der Aufmerksamkeit rücken immer stärker Personen, die aus anderen Ländern zum Beispiel nach Deutschland kommen und Wege suchen, wie auch die beruflichen Erfahrungen für die sie keine formalen Qualifikationen haben, anerkannt und damit auch entsprechend honoriert werden können.

Auf der Ebene der Mitgliedstaaten der Europäischen Union herrscht eine große Vielfalt an Varianten, wie mit diesem Thema umgegangen werden kann. So wurden zum Beispiel in Frankreich schon vor 30 Jahren die formalen Bildungswege geöffnet für „Erfahrungswissen“. 2002 wurden die Möglichkeiten ausgeweitet. Seitdem sind im Nationalen Qualifikationsrahmen, in dem alle Abschlüsse beschrieben sind, systematisch Allgemeinbildung und berufliche Bildung, Ausbildung und Weiterbildung integriert.
In anderen europäischen Staaten gilt die Anerkennung in Teilbereichen.

In Deutschland gibt es derzeit keine einheitlichen Konzepte und Verfahren zur Identifizierung, Bewertung und Anerkennung von NFIL. Stattdessen existiert eine Vielzahl an Pilotprojekten oder Praxisansätzen, die jedoch nur punktuell oder regional wirksam sind.

Bildung und damit auch die Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Deshalb wird schon seit Jahren die Diskussion, wie non-formal und informell erworbene Kompetenzen und Erfahrungen anerkannt werden können, zwischen den Mitgliedstaaten geführt, unterstützt von der Europäischen Kommission.

Um eine Vereinheitlichung der Verhältnisse in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten voranzubringen, verabschiedete der Rat der Europäischen Union am 20. Dezember 2012 die Empfehlung zur „Validierung nichtformalen und informellen Lernens“. (EKD-Europa-Informationen Nr. 141) Hierin ist festgehalten, dass die Mitgliedstaaten bis spätestens 2018 im Einklang mit ihren nationalen Gegebenheiten Regelungen für die Validierung des non-formalen und informellen Lernens einführen sollen. Ebenfalls wurden Vorschläge formuliert, wie diese Regelungen umgesetzt werden können.

Aus den oben genannten Gründen kann die Kommission diesen Prozess nur unterstützen und begleiten. Dazu plant sie bis 2018 eine ganze Reihe von Studien, Papieren und Handreichungen. Dazu gehören die Aktualisierung der 2009 veröffentlichten europäischen Leitlinien mit Erfahrungen von Experten aus 20 europäischen Ländern zur Validierung von non-formalem und informellem Lernen wie auch die Überarbeitung der „Europäischen Bestandsaufnahme zum non-formalen und informellen Lernen 2014“ über den Stand der Validierung von NFIL in 33 europäischen Staaten.

Es ist zu erwarten, dass die politischen Akteure in den nächsten Jahren das ihre tun werden, um die Rahmenbedingungen für die Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen und Qualifikationen durchzusetzen.

Damit diese auch von den Akteuren in der Bildung, in der Wirtschaft und der Gesellschaft angenommen werden, ist es notwendig, diese auch weiterhin mit in den Prozess einzubinden.

Ziel der Diskussionen muss es sein, zunächst Akzeptanz dafür zu erreichen, dass Qualifikationen auf unterschiedlichen Lernwegen erworben werden können. Im nächsten Schritt ginge es dann darum, dass Befürchtungen um den Verlust des Wertes der bestehenden und vertrauten Qualifikationen zerstreut werden und Vertrauen in die neu zu entwickelnden Verfahren aufgebaut werden kann.

Zur Empfehlung des Rates „Validierung nichtformalen und informellen Lernens“ 2012:
http://ekd.be/EU-Rat-Empfehlung

Zu den Dokumenten der Europäischen Bestandsaufnahme zur Validierung von non-formalem und informellen Lernen 2014:
http://ekd.be/EU-Inventory-Reports



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