Solidarität der Generationen als Thema beim diesjährigen Treffen der europäischen Religionsführer

(Katrin Hatzinger)

Am 12. Juli 2012 fand auf Einladung von Kommissionspräsident José Manuel Barroso bereits zum achten Mal das Treffen der europäischen Religionsführer mit den Spitzen von EU-Kommission, Europäischen Parlament und Europäischem Rat statt. Dieses Mal stand anlässlich des aktuellen Europäischen Jahres das Thema "Generationensolidarität - Parameter für die europäische Gesellschaft von Morgen" im Mittelpunkt des halbtägigen Austauschs. Dazu geladen waren zudem EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard und der EU-Kommissar für institutionelle Angelegenheiten, Maroš Šefcovic. EP-Präsident Martin Schulz ließ sich aufgrund anderer Verpflichtungen durch Vize-Präsident László Surján  vertreten.

In seinem Eingangsstatement betonte Kommissionspräsident Barroso, Europa würde nur dann gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorgehen, wenn der Erhalt der Generationensolidarität im Zentrum der Maßnahmen stehen würde. Dies sei die Bindekraft, die unsere Gemeinschaften zusammenhalten, und die Kirchen und Religionsgemeinschaften könnten Brücken bauen.

Der Präsident des Europäischen Rates, Herman van Rompuy, versprach sich von dem Treffen Inspirationen und Ideen "gegen den Zeitgeist" und betonte die Kraft der Religionen, nicht nur die Glaubensfragen zu regeln, sondern auch Solidarität und Zusammengehörigkeit zu vermitteln. Für ihn gehörten Solidarität und Verantwortung zusammen. Er betonte die Weisheit der älteren Generationen und die Rolle von Eltern und Familie u.a. bei der Unterstützung  für junge Arbeitslose. Der familiäre Zusammenhalt verstärke den sozialen Zusammenhalt.

Die Vertreter der katholischen Kirche betonten bei dem Treffen insbesondere den Schutz der "klassischen" Familie als Kern der Gesellschaft, während die Vertreter des Islams und des Judentums viele praktische Beispiele für das Miteinander der Generationen in den Gemeinden in die Debatte einbrachten sowie die Notwendigkeit eines inter-religiösen Dialogs betonten.
 
Die westfälische Präses Annette Kurschus nahm als Vertreterin der EKD an dem Treffen teil und unterstrich angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit die Notwendigkeit, keine Generation verloren zu geben. Der Begriff der "lost generation", den die Internationale Organisation für Arbeit für die junge Generation verwendet, werde der Lebenswirklichkeit der Menschen in keinster Weise gerecht und führe daher nicht weiter. Der Einsatz für die aktive Gestaltung eines solidarischen Miteinanders der Generationen sei der EKD wichtig und eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Es sei eine Frage der Teilhabegerechtigkeit. Nicht zuletzt deshalb habe man sich in Brüssel dafür stark gemacht, die thematische Ausrichtung des Jahres nicht allein auf die Beschäftigungsfähigkeit der älteren Generation zu richten.

Zudem unterstrich sie, dass der demographische Wandel natürlich elementare Auswirkungen auf die Gemeindestrukturen im ländlichen Raum habe. Kirche und Diakonie kämen dadurch ganz neue Aufgaben für den sozialen Zusammenhalt zu. Dass die Perspektive der jungen Menschen in der EKD und den Landeskirchen eine wichtige Rolle spielt, illustrierte sie an Hand der Jugenddelegierten auf den Synoden. Auch die Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen, um ein solidarisches Miteinander der Generationen zu ermöglichen. Das gelte für die nationale wie für die europäische Ebene. Die Generationengerechtigkeit müsse als Querschnittsthema z.B. in der Haushalts, Sozial- und Wettbewerbspolitik mitgedacht werden.

Die dänische EU-Kommissarin Hedegaard machte sich angesichts des Klimawandels und der jüngsten Enttäuschung auf dem Klimagipfel "Rio+20" für ein neues Wachstumsmodell stark. Mit der Natur könnte man nicht verhandeln, es müsse vielmehr jetzt gehandelt werden. Sie hoffte auf die Unterstützung der Kirchen und Religionsgemeinschaften für einen neuen ethischen Politikansatz, um das Bewusstsein unter den Menschen dafür zu stärken, dass wir uns nicht nur auf materielle Werte fokussieren sollten. Ihr slowakischer Kollege Maroš Šefcovic hob am Rande des Treffens seine Besorgnis über die zunehmend anti-europäische Rhetorik in vielen EU-Staaten hervor und warb bei den Religionsführern für Unterstützung der europäischen Idee.

Auf der Pressekonferenz unterstrich der Kommissionspräsident zudem eindrücklich die Besonderheit dieses jährlichen Termins als Ausdruck der Religionsfreiheit in der EU. "Dieses Treffen wäre in dieser Form nicht an vielen Orten dieser Welt möglich. Ich bin stolz darauf, dass wir in der Europäischen Union miteinander diesen Dialog führen können und unsere Überlegungen teilen," so Barroso vor der Presse.

Der Termin mit 24 Vertreterinnen und Vertretern des Christentum, des Judentums, des Islams, aber auch der Hindu-Religion und der Bahá’í zeigt jedenfalls erneut, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit ihrem "besonderen Beitrag" (Art. 17 AEVU) die (EU-)Politik bereichern.

Die EKD-Pressemeldung finden Sie unter:



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