Too little, too late - Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und Migranten

(OKR'in Katrin Hatzinger)

Der Krieg in Syrien hat sich zur größten humanitären Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Der Bürgerkrieg dauert bereits seit fast fünf Jahren an. 6,5 Millionen Syrer waren im Januar 2016 innerhalb Syriens heimatlos. Mehr als 4,6 Millionen Flüchtlinge haben in einem Nachbarland Schutz gesucht. Eine kurz- oder mittelfristige Lösung des Konflikts ist trotz aller diplomatischen und militärischen Bemühungen nicht in Sicht.

Dass die Bekämpfung von Fluchtursachen angesichts der hohen Zahl von Schutzsuchenden, die sich weiterhin auf lebensgefährlichen Wegen nach Europa begeben, ein entscheidendes Element einer umfassenden europäischen Antwort auf die Flüchtlingsfrage darstellt, ist eine Erkenntnis, die sich mittlerweile auch unter den EU-Mitgliedstaaten durchgesetzt hat. Notwendig ist die Verlangsamung und Reduzierung der Ströme, so die einhellige Meinung. Die Regierungschefs Großbritanniens, Deutschlands, Norwegens, Kuwaits und der UN-Generalsekretär veranstalteten deshalb am 4. Februar 2016 in London eine internationale Geberkonferenz unter der Überschrift „Supporting Syria and the Region“, um zusätzliche Finanzmittel bereitzustellen und eine politische Flankierung für Hilfsmaßnahmen in und um Syrien zu gewährleisten. Insbesondere sollte der Zugang zur Bildung für alle Flüchtlingskinder in Syrien und der Region bis Ende des Schuljahres 2016/2017 sowie der Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessert werden, ebenso wie die Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte zum Abschluss der Konferenz, noch nie habe die internationale Gemeinschaft einen so hohen Betrag an einem einzigen Tag für ein einziges Projekt zur Verfügung gestellt. Allein im Jahr 2016 werden insgesamt rund sechs Milliarden US-Dollar für die Bekämpfung der Syrien-Krise zur Verfügung stehen. Deutschland wird bis 2018 insgesamt 2,3 Milliarden Euro bereitstellen.

Mittlerweile mobilisiert die EU verschiedenen Finanzquellen, um effektiv Hilfe leisten zu können. Dementsprechend sind eine Reihe von Hilfsfonds aus der Taufe gehoben und die humanitäre Hilfe der EU für 2016 auf fast 1,1 Mrd. Euro aufgestockt worden, um die syrischen Kriegsflüchtlinge in der Region zu unterstützen. Bereits 2014 wurde ein EU-Treuhandfonds als Reaktion auf die Syrien-Krise eingerichtet, um die EU und ihre Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, auf eine regionale Krise eine regional ausgerichtete Antwort zu geben und durch gemeinsames, flexibles und rasches Handeln auf die sich wandelnden Bedürfnisse zu reagieren. Die Kommission stellt dazu für 2015/2016 über 500 Millionen zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten haben erklärt, die gleiche Summe zur Verfügung stellen zu wollen. Am 01. Dezember 2015 wurde im Rahmen des regionalen Treuhandfonds der Europäischen Union ferner ein Programmpaket in Höhe von insgesamt 350 Mio. EUR – die bisher umfangreichste Einzelmaßnahme der EU zur Überwindung der syrischen Flüchtlingskrise – angenommen. Im Rahmen dieser Programme sollen bis zu 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge und die überlasteten Aufnahmegemeinschaften in Libanon, der Türkei, Jordanien und Irak umfangreiche Hilfe erhalten. Vorgesehen sind u. a. Verbesserung des Zugangs zu Grundbildung und Gesundheitsversorgung, verstärkte Maßnahmen zum Schutz von Kindern, Verbesserung der Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssysteme, Stärkung der Widerstandsfähigkeit sowie Förderung wirtschaftlicher Chancen und sozialer Inklusion. Das Hilfepaket in Höhe von 350 Mio. EUR umfasst vier verschiedene Programme: Im Rahmen des mit 140 Mio. EUR ausgestatteten Bildungsprogramms erhalten die Bildungsministerien der Türkei, Libanons und Jordaniens massiv verstärkte Unterstützung, damit sie zusätzliche 172 000 Flüchtlingskinder einschulen und gleichzeitig Programme für beschleunigtes Lernen, nichtformale und frühkindliche Bildungsmaßnahmen und Maßnahmen zum Schutz von Kindern anbieten können. Das mit 130 Mio. EUR ausgestattete Programm für Widerstandsfähigkeit und lokale Entwicklung ist als Reaktion auf die dringende Notwendigkeit konzipiert, die wirtschaftlichen Möglichkeiten für Flüchtlinge und hilfsbedürftige Aufnahmegemeinschaften zu verbessern und damit die Abhängigkeit von der humanitären Hilfe zu verringern. Das mit 55 Mio. EUR ausgestattete Gesundheitsprogramm zielt darauf ab, den Zugang von Flüchtlingen in der gesamten Region zu primärer, sekundärer und tertiärer Gesundheitsversorgung, psychosozialer Unterstützung und Schutz vor sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt zu erweitern und zu verbessern. Ein Betrag von 25 Mio. EUR wird zur Einrichtung eines Programms für Wasser- und Sanitärversorgung und Hygiene eingesetzt. Zielgruppe sind syrische Flüchtlinge und deren Aufnahmegemeinschaften in Jordanien und Libanon.

Im Rahmen des am 15. Oktobers 2015 verabschiedeten EU-Türkei-Aktionsplans hat sich die EU verpflichtet, unverzüglich und dauerhaft humanitäre Unterstützung in der Türkei zu leisten. Zu diesem Zweck hat die Europäische Kommission einen rechtlichen Rahmen geschaffen, eine sog. Flüchtlingsfazilität für die Türkei, um die finanzierten Maßnahmen zu koordinieren und zu bündeln, damit den unter vorübergehendem Schutz stehenden Syrern sowie den aufnehmenden Gemeinschaften in der Türkei effizient und sinnvoll geholfen wird.

Insgesamt handelt es sich um drei Milliarden Euro, die seit dem 1. Januar 2016 eingesetzt werden. Dabei stammt eine Milliarde aus dem EU-Haushalt und zwei Milliarden sollen von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Darüber hinaus werden Gelder aus dem Instrument der Europäischen Nachbarschaft (European Neighbourhood Instrument), der Entwicklungshilfe und dem Instrument für Unterstützung zum Beitritt (Pre-Acession Instrument) bereitgestellt.

Doch auch über die Syrienkrise hinaus mobilisiert die Kommission Mittel. Unter dem Eindruck der hohen Zahlen marokkanischer und algerischer Zuwanderer unter den Neuankömmlingen in Griechenland hat die EU-Kommission am 12. November 2015 zusammen mit einigen europäischen Staats- und Regierungschefs in Valletta (Malta) den „Nothilfe-Treuhandfonds der Europäischen Union zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration und Vertreibungen in Afrika“ eingerichtet. Mit dem Nothilfe-Treuhandfonds sollen die schwächsten und gefährdetsten Länder in verschiedenen Teilen Afrikas unterstützt werden: in der Sahel-Zone, am Horn von Afrika und in Nordafrika. Der Treuhandfonds soll die Stabilität in diesen Regionen fördern und die Migrationssteuerung verbessern. Insbesondere soll er die Ursachen von Destabilisierung, Zwangsvertreibung und irregulärer Migration durch die Förderung von wirtschaftlichen Möglichkeiten, Chancengleichheit, Sicherheit und Entwicklung bekämpfen. Die Europäische Kommission wird für den Fonds aus dem EU-Haushalt und dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) 1,8 Mrd. EUR bereitstellen. Die EU-Mitgliedstaaten sollten den gleichen Beitrag beisteuern. Die ersten Projekte werden seit Dezember 2015 finanziert.

Es wird also zumindest auf Kommissionsebene versucht, trotz der Zwänge die der mehrjährige Finanzrahmen setzt, flexibel auf die Krise zu reagieren und Gelder zu mobilisieren. Trotzdem wird die humanitäre Herausforderung ohne substantielle Beiträge aus den Mitgliedstaaten nicht zu stemmen sein. Doch trotz zahlreicher Zusagen lässt die Zahlungsmoral oft sehr zu wünschen übrig.

Einen Überblick in englischer Sprache über die vor- handenen Finanzinstrumente finden Sie unter: http://www.ekd.be/Hilfe_Fluechtlinge_Migration



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