Umfrage zur Stimmungslage in Europa - "Deutsche und Griechen als polare Gegensätze"

(Stefanie Heuer)

Am 29. Mai 2012 hat die Bertelsmann-Stiftung den "Global Attitudes Report" des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts "Pew Research Center" vorgestellt.

Die Umfrage wurde zwischen Mitte März und Mitte April 2012 in acht EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Polen, Spanien, Tschechien) sowie den USA telefonisch oder persönlich durchgeführt.

Der Bericht legt dar, dass die Wirtschaftskrise große Differenzen zwischen den betreffenden EU-Staaten hervorgerufen hat. Bruce Strokes, Leiter der Forschungsgruppe am Pew Research Center, stellte fest, dass die wirtschaftliche Situation in den jeweiligen Ländern ausschlaggebend dafür sei, inwieweit die Bevölkerung die Europäische Integration befürworte. Dabei eröffnet sich eine große Lücke zwischen Deutschland und den anderen europäischen Ländern, insbesondere Griechenland. Die befragten Deutschen empfanden mit 73 % die wirtschaftliche Situation in Deutschland als gut und gaben mit 59 % an, die europäische Integration habe ihre Wirtschaft gestärkt.

Im Durchschnitt empfanden nur 15 % der Befragten die wirtschaftliche Lage als gut und 34 % sahen eine Stärkung durch die Europäische Integration - die griechische Bevölkerung sah in ihr vielmehr eine Schwächung der heimischen Wirtschaft. Mit Blick in die Zukunft sehen die meisten Deutschen die wirtschaftlichen Aussichten positiv; lediglich 27 % der Deutschen befürchten eine Verschlechterung im Gegensatz zu 81 % der Griechen.

Die Umfrage ergab des Weiteren, dass Deutschland die angesehenste Nation mit dem am höchsten geachteten Staatschef ist. Die Deutschen werden als die arbeitsamste Bevölkerung sowie als am wenigsten korrupt angesehen. Die Mehrzahl der Befragten nannten die Griechen als die am wenigsten arbeitende Bevölkerung und die Italiener als am korruptesten. Nur die Griechen selbst sehen sich als das arbeitsamste Land an. Im Allgemeinen herrscht in Griechenland eine negative Stimmung gegenüber den Deutschen, speziell gegen Angela Merkel.

Auch wenn die Akzeptanz für die EU und den Euro seit Ausbruch der Wirtschaftskrise rückläufig ist, sehen die meisten Befragten die Mitgliedschaft in der Europäischen Union dennoch als positiv an, darunter Polen, Deutsche, Franzosen und Spanier. Besorgniserregend ist die drastische Abnahme der Befürworter der EU-Mitgliedschaft in Tschechien. Im Jahr 2009 befürworteten noch 45 % der befragten Tschechen die EU-Mitgliedschaft - im Jahr 2012 nur noch 28 %. Die Schuld an den wirtschaftlichen Problemen geben die meisten Befragten ihrer jeweiligen Regierung; an zweiter Stelle stehen die Banken.

Bis auf Polen hat die überwiegende Mehrheit der Umfrageteilnehmer ein schlechtes Bild von der Europäischen Zentralbank. Widererwarten möchte die Mehrheit der Befragten den Euro aber behalten (71 % der Griechen, 69 % der Franzosen und 66 % der Deutschen) und nicht zu ihrer früheren Währung zurückkehren. Dennoch ist eine Mehrheit der Befragten in Großbritannien, Griechenland, Tschechien und Deutschland gegen die Abgabe von Haushaltskompetenzen an die Europäische Kommission. In Italien sind lediglich 40 % der Befragten dagegen.

Einigkeit unter den Befragten bestand in den größten Bedrohungen des wirtschaftlichen Wohlergehens: 88 % nannten Arbeitslosigkeit als die größte Bedrohung. Danach folgten die nationale Verschuldung sowie Inflation.

Alarmierend ist der Trend, seit Beginn der Wirtschaftskrise anti-europäisch zu denken. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung: In keinem der befragten Länder wurde die Existenz der Europäischen Union grundsätzlich in Frage gestellt. Auch herrscht Einigkeit über die größten wirtschaftlichen Bedrohungen. Hier gilt es anzuknüpfen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die Europaparlamentarier Elmar Brok und Reinhard Bütikofer, die bei der Vorstellung des Berichts anwesend waren, plädierten daher für mehr Europa. Das brauche Mut und Nerven, um schließlich gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Den Bericht (in englischer Sprache) finden Sie unter:



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