Spanien beantragt europäische Hilfe für den Bankensektor

(Christopher Hörster)

Die spanische Regierung hat am 9. Juni 2012 offiziell bestätigt, Hilfen aus dem europäischen Rettungsfonds in Anspruch nehmen zu wollen. Das Land hatte sich aus Angst vor mit Krediten verbundenen Zwängen zu massiven Haushaltskürzungen lange gegen eine offizielle Anfrage gesträubt, musste aber letztlich aufgrund des wachsenden Zinsdrucks auf Staatsanleihen einräumen, zur selbstständigen Rekapitalisierung der spanischen Banken nicht mehr in der Lage zu sein. Nach Auskunft der Eurogruppe könnten Kredite von bis zu 100 Milliarden Euro fließen.

Am Abend vor der Mitteilung der spanischen Regierung hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) Ergebnisse eines Stresstests zu Stabilität des spanischen Bankensektors vorgelegt. Der Kapitalbedarf der spanischen Banken wurde darin auf 40 Milliarden beziffert, könnte aber bei weiteren Kreditausfällen nach Auskunft des IWF auf bis zu 80 Milliarden anwachsen. Wesentlicher Grund des Finanzbedarfs spanischer Banken ist die schwere Immobilienkrise im Land. Ähnlich wie in den USA war der Immobiliensektor seit Ende der 90er Jahre Gegenstand massiver Spekulationen, was die Preise für Immobilien in extreme Höhen trieb und nach Platzen der "Immobilienblase" Anfang 2008 in Spanien zu hohen Ausfällen der Banken führte.     

Da die finanziellen Hilfen für die Rekapitalisierung des Bankensektors vorgesehen sind, hofft die spanische Regierung, harten Sparauflagen für die öffentliche Hand, die in anderen Staaten bereits zu erheblichen sozialen Verwerfungen geführt haben, zu entgehen. Inwieweit dies gelingen wird, ist noch nicht abschließend geklärt: Die genauen Konditionen für die Kreditvergabe werden in den kommenden Wochen ausgehandelt. Tatsache ist, dass die Staatsverschuldung in Spanien Folge und nicht Ursache der Krise ist. Das Land war 2007 mit lediglich 36,3 % des eigenen BIP verschuldet, ungefähr die Hälfte der nach den Maastricht-Kriterien erlaubten Gesamtverschuldung.

Wie sich der spanische Hilferuf nach europäischen Gelder auf die Wirtschaften in Europa, insbesondere in Italien, auswirken wird, bleibt abzuwarten. Ein weiteres Mal müssen allerdings die Staats- und Regierungschefs den Menschen in Europa erklären, warum für Banken Milliarden bereitstehen, während Kürzungen in hochsensiblen Bereichen wie Rente, Sozialleistungen, Krankenpflege oder Bildung "alternativlos" sind.



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