Jahresbericht des Europäischen Netzwerkes gegen Rassismus

(Dr. Anna Donata Quaas)

Im März 2012 hat das Europäische Netzwerk gegen Rassismus (European Network against Racism ENAR) seinen Jahresbericht 2010/2011 zum Rassismus in der EU und ihren Mitgliedstaaten vorgelegt, der die Ergebnisse von 27 Länderberichten bündelt.

Ziel des Schattenberichts ist es, aus der Perspektive von Nichtregierungsorganisationen auf Rassismus aufmerksam zu machen und Darstellungslücken in offiziellen Erhebungen und akademischen Berichten auszugleichen. Menschen afrikanischer Herkunft, Migranten (EU-Bürger und Angehörige von Drittstaaten), Roma, Muslime und Juden stehen im Zentrum des Berichts, da sie als besonders betroffen von Rassismus und Diskriminierung, auch religiöser Art, gelten.

Behandelt werden Bereiche wie Arbeitsmarkt und Beschäftigung (Arbeitslosigkeit unter Migranten, Anerkennung von Qualifikationen, sprachliche und kulturelle Hürden, Diskriminierung bei Stellenbesetzungen), Bildung (Zugang zu Bildung, Diskriminierung durch Lehrende und vorzeitiger Abbruch der Ausbildung), Gesundheit (Diskriminierung durch Gesundheitspersonal und Patienten, schlechte medizinische Versorgung), Strafjustiz (höhere Wahrscheinlichkeit der Fahndung und Verhaftung, unzureichender polizeilicher Schutz) und Medien (einseitige Berichterstattung, negative oder fehlende Repräsentation ethnischer Minderheiten).

Exemplarisch soll hier das Feld "Arbeitsmarkt und Beschäftigung" vorgestellt werden: Wie das Europäische Netzwerk gegen Rassismus (ENAR) berichtet, liegt in Großbritannien die Arbeitslosenquote unter ethnischen Minderheiten bei 12,8 % verglichen mit einer allgemeinen Arbeitslosigkeit von 7,8 % der Bevölkerung. In Bulgarien sind 49,9 % der Roma arbeitslos: Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt ist die Arbeitslosenquote damit unter den Roma dreimal so hoch. Diese Zahlen verdeutlichen die prekäre Situation von Migranten und ethnischen Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt.

Das ENAR würdigt, dass der Europäische Rat in seiner Europa-2020-Strategie, die das Ziel verfolgt, bis zum Ende dieses Jahrzehnts 75 % der Bevölkerung in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ein besonderes Augenmerk auf Migranten richtet. Bemängelt wird aber, dass bisher kein einziger EU-Staat die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen unterzeichnet und ratifiziert habe.
Für die anderen oben aufgeführten Teilbereiche werden ähnlich wie im Bereich "Arbeitsmarkt und Beschäftigung" - leider etwas unverbunden - ausgewählte statistische Erhebungen sowie Erfahrungsberichte aus den verschiedenen Ländern vorgestellt.
Außerdem dokumentiert und kommentiert der Bericht Entwicklungen in der europäischen Politik im Umgang mit ethnischen Minderheiten und Migranten.

In der Einschätzung des ENAR lassen sich im Berichtszeitraum generell folgende Tendenzen feststellen:

  1. Nach Ansicht des Netzwerks beeinträchtigt die Wirtschaftskrise die Situation von Migranten und ethnischen Minderheiten negativ: Die allgemeine Unsicherheit provoziere Ängste, die sich in rassistischem Verhalten niederschlügen. Überdies stünden aufgrund der Krise weniger finanzielle Mittel zur Bekämpfung von Rassismus und Xenophobie zur Verfügung.
  2. Mit Besorgnis wird auf den Erfolg nationalistischer Parteien in Großbritannien, Dänemark, Ungarn, Griechenland und Polen hingewiesen und auf die Zunahme rassistisch motivierter Gewalt.
  3. Die Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft wird nach Ansicht des ENAR noch zu wenig in die Praxis umgesetzt.
  4. Schließlich setzt sich nach Beobachtung des ENAR zunehmend eine restriktive Migrationspolitik durch. Angehörigen ethnischer Minderheiten würde vorgeworfen, zu wenig für ihre Interessen einzutreten und sich kaum zu integrieren. Übersehen würde dabei, dass aufgrund von Diskriminierung und Gewalt im öffentlichen Raum deren gesellschaftliche Teilhabe erschwert oder ausgeschlossen ist.    

Den Schattenbericht des ENAR finden Sie unter:



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