EU-Bildungsministerrat trifft wichtige Entscheidungen für das Förderprogramm Bildung, Jugend und Sport - "Erasmus für alle"

(Doris Klingenhagen)

Am 11. Mai 2012 ist durch den EU-Bildungsministerrat eine wichtige Weichenstellung für das ab 2014 geplante europäische Förderprogramm "Erasmus für alle" für die Bereiche Bildung, Jugend und Sport erfolgt. Der Rat hat dafür gesorgt, dass im neuen Programm die unterschiedlichen Zielgruppen passgenau angesprochen werden. Am deutlichsten wird dies durch die Einführung eines Jugendkapitels. Darüber hinaus stärkt er den Stellenwert der beruflichen Bildung sowie die eigenständige Verwaltung des Programms durch die Mitgliedstaaten. Eine wichtige Errungenschaft ist ebenfalls, dass für jede Zielgruppe ein bestimmtes Mindestbudget vorgesehen sein soll.

Der Kommissionsentwurf hatte beabsichtigt, unter dem Titel "Erasmus für alle" ein übergreifendes Förderprogramm aufzulegen, in dem alle bisherigen Aktionen aus Hochschulbildung, schulischer Bildung, beruflicher Bildung und außerschulischer Bildung in den drei horizontalen Aktionslinien aufgehen sollten. Dem stimmten die Mitgliedstaaten nicht in allen Punkten zu.

Bildung

Im Programmbeschluss des Rates wurde im Kapitel "Bildung und Ausbildung" eine Struktur geschaffen, die die verschiedenen Zielgruppen klar erkennbar macht und sich dabei an der Struktur des "Life-Long-Learning"-Programms orientiert. Diese wurden den drei horizontalen Aktionslinien des Gesamtprogramms zugeordnet: 1. Lernmobilität von Einzelpersonen; 2. Zusammenarbeit zur Förderung von Innovation und bewährten Verfahren; 3. Unterstützung politischer Reformen.
 
Ebenfalls ist es gelungen, den besonderen Stellenwert des Austausches in der beruflichen Bildung und des deutschen Ausbildungssystems zu verankern. Darüber hinaus wurde die berufliche Bildung in der Zusammenarbeit mit außereuropäischen Ländern gestärkt.

Die EU-Kommission hatte zuvor vorgeschlagen, diese Zusammenarbeit auf den Hochschulbereich zu konzentrieren. Die Bedeutung der Zusammenarbeit der Einrichtungen von Bildung und Ausbildung mit Partnern der Arbeitswelt wurde durch den Ratsbeschluss bestärkt. Im Bereich der Schulbildung ("COMENIUS") finden Aktivitäten mit Schülern und Schülerinnen jedoch weiterhin keine Berücksichtigung, auch die Erwachsenbildung ("GRUNDTVIG") wird weiter unter den Aspekt der Berufsbildung gefasst.

Jugend

Aus deutscher Sicht ist die Einigung auf ein eigenes Kapitel "Jugend" ein besonders wichtiger Punkt. Mit der Forderung eines eigenen Jugendprogramms war die Bundesregierung in einem großen Schulterschluss mit Jugendorganisationen und anderen Trägern und Verbänden aus der Jugendhilfe ursprünglich in die Verhandlungen gegangen. Die verschiedenen Interessenslagen der Mitgliedstaaten haben als Kompromiss jetzt nur ein Jugendkapitel zugelassen. Dieses ist jedoch mit gesonderten jugendpolitischen Zielbestimmungen versehen und erfüllt jugendpolitische Mindestanforderungen.

Das Kapitel "Jugend" ist ebenso an den drei horizontalen Aktionslinien des Gesamtprogramms orientiert. Es eröffnet Formate und Förderziele, die im Wesentlichen die Aktivitäten von JUGEND IN AKTION weiter ermöglichen. So stehen Jugendaustausch, Europäischer Freiwilligendienst und die Mobilität von Fachkräften in Qualifizierungs- und Vernetzungsaktivitäten innerhalb der EU und mit Partnerländern im Mittelpunkt. Ebenso sind die Förderung von Jugendinitiativen, der Strukturierte Dialog mit jungen Menschen sowie die Förderung des Europäischen Jugendforums und der europäischen Nichtregierungsorganisationen enthalten. Das Jugendkapitel hat im Ratsbeschluss darüber hinaus einen klaren Bezug zu den Zielen der EU-Jugendstrategie erhalten.

In Sachen der Verantwortung für das zukünftige Programm (programmbegleitender Ausschuss) und die Programmverwaltung (jugendspezifische Nationalagentur) hat sich der Rat der Fachminister auf Kompromisslinien eingelassen. Nach Meinung des Rates wird es nur einen zuständigen Programmausschuss geben, den dann verantwortlichen Bildungsausschuss. Dieser kann in speziellen Zusammensetzungen tagen, um über bereichsspezifische Fragen wie den Jugendbereich beraten zu können. Ein eigener jugendspezifischer Programmausschuss ist nicht mehr vorgesehen. Zur Programmverwaltung wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, diese auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung eigener Bedürfnisse und Gegebenheiten zu gestalten. Das heißt für Deutschland, dass es weiter eine "Nationalagentur Jugend" geben kann. Sie muss sich jedoch in ein koordiniertes Vorgehen mit den anderen Agenturen und Ministerien einordnen. Denn an dem Gesamtprogramm "Erasmus für alle" sind in Deutschland zukünftig sowohl das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium des Inneren (für den Sportbereich) (BMI) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligt.

Sport

Eine größere Änderung hat der EU-Rat gegenüber dem Kommissionsvorschlag im Sportkapitel vorgenommen, indem er nur noch die Förderung transnationaler Netzwerke und Studien vorsieht. Herausgefallen sind dabei Strukturfördermittel für Sportorganisationen und die Förderung für Sportereignisse mit ihren vorbereitenden Maßnahmen. Hinzu kommt eine Erhöhung der Koinanzierungsquote auf 40 Prozent. Diese Ausrichtung schließt die Nutzung des Programms für den Breitensport zukünftig aus.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Bildungsministerrat wichtige (jugend-)politische Forderungen aufgegriffen hat - jedoch mit Einschnitten und noch vielen offenen Punkten. Bei allem Erreichten ist zu beachten, dass dieser Ratsbeschluss ein Teilbeschluss und -kompromiss ist, der die Fragen zur finanziellen Mittelausstattung des Gesamtprogramms wie auch die konkrete Zuweisung zu einzelnen Bereichen ausklammert. Diese hängen vom Beschluss des Mehrjährigen Finanzrahmens ab. Das Europäische Parlament wird auf der Grundlage des Kommissionsvorschlags einen eigenen Beschluss voraussichtlich Anfang 2013 fassen. Diese drei Beschlüsse bzw. Vorschläge werden dann mit dem Finanzrahmen zu einem endgültigen Programmbeschluss im Trilog-Verfahren zwischen EU-Kommission, EU-Rat und Europäischem Parlament verhandelt. Somit besteht jetzt die Möglichkeit über das Europäische Parlament weitere jugendpolitische wie auch bildungspolitische Konkretisierungen zu erreichen.

 

Zum Beschluss des Rates:



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