Europäische Kompetenzagenda von der Europäischen Kommission verabschiedet

(Gisela de Vries, Beraterin für EU-Förderpolitik/ -projekte)

Am 10. Juni 2016 hat die Europäische Kommission eine neue und umfassende europäische Kompe-tenzagenda verabschiedet. Der vollständige Titel lautet: „Eine neue europäische Kompetenzagenda - Zusammenarbeit zur Stärkung von Humankapital, Beschäftigungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit". Der Titel auf Englisch heißt: A new Skills Agenda for Europe - Working together to strengthen human capital, employability and competitiveness.

Damit knüpft sie an die Aktivitäten im Rahmen der Initiative „Neue Kompetenzen für neue Be-schäftigungen" von 2008 und die Initiative „Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmög-lichkeiten" von 2010 an. (EKD-Europa-Informationen Nr. 147).

Die Europäische Kompetenzagenda von 2016 wurde vor dem Hintergrund von insbesondere drei akuten Herausforderungen der Wirtschaft beschlossen. Dabei handelt es sich um den Mangel an auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen, die unzureichende Transparenz von Fertigkei-ten und Qualifikationen wie auch die mangelnde Antizipation und Prognose des Kompetenzbedarfs.

Die Kompetenzagenda hat das Ziel, die Vermittlung und Anerkennung von Kompetenzen auf allen Ebenen (Grundfertigkeiten, komplexere Kompetenzen oder Bürgerkompetenzen) zu verbessern und insbesondere die Beschäftigungsfähigkeit zu fördern. Ebenfalls sollen die Methoden weiter ent-wickelt und gestärkt werden, um die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts für die zukünftigen Kompetenzen besser voraussehen zu können. Damit steht die Agenda im Einklang mit der obersten Priorität der Europäischen Kommission „Neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen".

Um diese Ziele zu erreichen, schlägt die Kommission zehn Maßnahmen vor, die bereits begonnen haben beziehungsweise in den nächsten zwei Jahren vorangebracht werden sollen. Diese können drei verschiedenen Oberthemen zugeordnet werden:

1) Verbesserung der Qualität und Relevanz des Kompetenzerwerbs

Die „Kompetenzgarantie" hat vor allem gering qualifizierte Erwachsene (Erwerbstätige und Arbeitslose) im Fokus. Sie sollen durch ein maßgeschneidertes Lernangebot dabei unterstützt werden, ein breiteres Kompetenzspektrum zu entwickeln und damit ihre Aussichten auf einen qualitativen Arbeitsplatz und eine höhere Lebensqualität zu verbessern.

Die Kommission wird den Mitgliedstaaten vorschlagen, die „Empfehlungen zu Schlüsselkompetenzen" von 2006 an die zukünftigen Anforderungen anzupassen und die Einbindung in die nationalen Lehrpläne und Kompetenzstrategien voranzubringen. Dabei soll auch die Anerkennung von Kompetenzen, die in non-formaler und informeller Lernumgebung erworben wurden erleichtert werden. (EKD-Europa-Informationen Nr. 148.)

Die Kommission will zeigen, dass Berufsausbildung ein „Weg erster Wahl" ist. Dazu will sie eine Reihe von Unterstützungsdiensten einrichten, um zum Beispiel die Datenlage über Arbeitsmarktergebnisse der Berufsausbildung zu verbessern oder die Qualität der beruflichen Aus- und Weiterbildung durch Qualitätssicherungsregelungen auf Anbieterseite zu fördern. Darüber hinaus sollen die Lernenden stärker in Kontakt mit der Arbeitswelt treten, zum Beispiel durch Ausbildung, Praktika oder Arbeitsplätze für Berufseinsteiger. Dazu wurde bereits im November 2015 beim Gipfeltreffen „Enterprise 2020" ein Pakt für die Jugend gestartet, bei dem Füh-rungskräfte der Wirtschaft und der EU eine Kultur von Partnerschaften zwischen Wirtschaft und Bildungssektor vereinbart haben. Ziel ist es, die Beschäftigungschance für junge Menschen zu verbessern.

2) Die „Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze" soll einen Beitrag dazu leisten, dass ein großes Reservoir an IT-Fachkräften geschaffen wird und dass sowohl die Arbeitskräfte als auch die Bürgerinnen und Bürger in Europa mit angemessenen digitalen Kompetenzen ausgestattet werden. Diese Initiative baut auf der bereits 2013 beschlossenen Großen Koalition für digitale Arbeitsplätze auf, in der sich IKT-Unternehmen, Regierungen sowie Aus- und Weiterbildungseinrichtungen zusammen geschlossen haben, um dafür zu sorgen, dass die prognostizierte hohe Zahl an digitalen Arbeitsplätzen auch besetzt werden kann.

Der „Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) soll überarbeitet werden und den Vergleich von Qualifikationen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern. Lernende, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen besser erkennen können, was eine Person kann oder weiß.

Mit dem „Instrument zur Erstellung von Kompetenzprofilen für Drittstaatsangehörige" soll die Integration von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt in den Mitgliedstaaten der EU erleichtert werden. Dazu gehört ebenfalls die verbesserte Ausbildung des Personals in den Aufnahmeeinrichtungen wie auch die Vermittlung von Sprachkenntnissen für Flüchtlinge durch die Online-Sprachhilfe aus dem Programm ERASMUS+.

3) Verbesserung der Erfassung von Daten über Kompetenzen und der Dokumentation und Förderung fundierter Berufsentscheidungen

Eine „Blaupause zur Branchenzusammenarbeit für Kompetenzen" soll den Abgleich zwi-schen Kompetenzangeboten und –nachfrage in einzelnen Branchen, wie z.B. Gesundheit, Bau oder Tourismus verbessern. In diesem Kontext sollen die relevanten Akteure aus Wirtschaft, Bildung und Forschung tragfähige Lösungen erarbeiten. Die Blaupause soll zentrale Wirtschaftsakteure mobilisieren und koordinieren, private Investitionen ankurbeln und eine strategische Verwendung der europäischen und nationalen Finanzierungsprogramme fördern.

Diese Aktivitäten bauen auf der Arbeit der Allianzen für branchenspezifische Fertigkeiten auf, die unter anderem über das Programm ERASMUS+ gefördert werden. (EKD-Europa-Informationen Nr. 147)

Die Überarbeitung des „Europass-Rahmens" soll bessere und leichter nutzbare Instrumente zur Verfügung stellen, damit Arbeitssuchende ihre Kompetenzen präsentieren können. Außerdem sollen sie Zugang zu aktuellen Informationen über den zukünftigen Kompetenzbedarf und seine Entwicklung erhalten als Basis für Entscheidungen für den Bildungs- und Berufsweg.

Durch die „Nachverfolgung des Werdegangs von Hochschulabsolventen und –absolventinnen" soll die Zusammenarbeit in der EU intensiviert werden, um bessere und vergleichbare Informationen darüber zu erhalten, welche Tätigkeiten Hochschulabsolventen ausüben, wie leicht oder schwer sie einen Arbeitsplatz finden und wie sie ihre Kompeten-zen und ihr Wissen zum Einsatz bringen.

Ende 2016 wird die Europäische Kommission gute Beispiele präsentieren, welche Maßnah-men geeignet sein können, um die „Abwanderung von qualifizierten Fachkräften" einzudämmen.

Es gilt, die Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen aus der Europäischen Kompetenzagenda aus drei Gründen auch weiterhin im Auge zu behalten. Erstens können sie Auswirkungen auf ganze Bildungs- und Arbeitsbereiche von kirchlichen und diakonischen Einrichtungen wie Gesundheit oder Pflege haben. Zweitens werden unter anderem Instrumente entwickelt, mit deren Hilfe Flücht-linge und Asylbewerber besser in die Gesellschaft und auch den Arbeitsmarkt integriert werden können. Schließlich können die Vorschläge ganz allgemein einen Beitrag dazu leisten, die Anzahl der Menschen zu reduzieren, die von Armut bedroht oder betroffen sind. Dies sind Themenbereiche, die zum Kern des christlichen Selbstverständnisses gehören und für die sich Kirche und Diakonie einsetzen.

 

Das vollständige Dokument der „Skills Agenda" in englischer Sprache finden Sie unter dem folgenden Link: http://ekd.be/2aZTm8d



erweiterte Suche